Der schwule Fußballspieler

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(c) Digitoxin:  stadtmeisterschaften_798  (CC BY 2.0)

Schwul sein ist im Fußball immer noch ein Tabu. Outings von Spielern gibt es deshalb nur sehr wenige. Melanie von den Story-tellern hat das Thema mit einer fiktionalen Geschichte aufgearbeitet.

Hey Leute, darf ich mich vorstellen? Ich bin Lars, 22 Jahre alt. Ich bin leidenschaftlicher Fußballspieler. Es hat lange gedauert, bis ich endlich einen coolen Verein gefunden habe, aber es hat sich gelohnt. Denn schließlich habe ich bei der Suche auch meine große Liebe gefunden: Marc, 25 Jahre alt.

Ja, da habt ihr richtig gelesen. Ich bin nämlich schwul. Anfangs konnte ich nicht so richtig dazu stehen, und diese Gefühle waren für mich fremd. Aber jetzt ist alles klar und wunderbar und ich stehe zu meinen Gefühlen. Marc und ich sind schon ein Jahr zusammen und total glücklich. Ich habe kein Problem mehr damit schwul zu sein.

Und wie gesagt habe ich nun auch einen tollen Verein, bei dem ich meine Leidenschaft Fußball voll ausleben kann.

Aber ich erzähle mal der Reihe nach. Wie alles begann: Zuerst ging es nur ums Fußballspielen. Ich wollte unbedingt in eine Mannschaft. Ich fand einen Verein beim Stadtpark. Als ich mich der Fußballmannschaft vorstellte, wurde ich alles andere als freundlich empfangen. Ich wurde wegen meiner schmächtigen Figur ausgelacht und erntete blöde und diskriminierende Sprüche. „Was willst Du denn hier, du halbe Portion. Du siehst aus wie ein Mädchen.“ oder „Deine Haare sind defenitiv zu lang, Alter, geh erst mal zum Friseur, bevor du hier aufkreuzt, sieht ja total schwul aus.“ Und dazu fieses, höhnisches Lachen von allen Seiten.

„Okay, okay Leute, aber wenn ich zum Friseur gehe, lasst ihr mich in eure Mannschaft?“ – „Na ja, zuerst musst du uns beweisen, ob du was drauf hast“, sagte ein gutaussehender junger Fußballspieler mit sinnlichem Schmollmund und dunklen Haaren, die er zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. „Geh nach Hause und üb erst mal“, meinte einer der Spieler. „Aber zu allererst zum Friseur, Luschen können wir nicht gebrauchen“, meinte ein anderer. Die ganze Fußballmannschaft gröhlte. Traurig und enttäuscht zog ich wieder ab. Schweren Herzens fasste ich den Entschluss mein schönes langes blondes Haar abschneiden zu lassen. Was tut man nicht alles, um dazuzugehören. Am nächsten Tag kam ich mit kurzen Haaren und schwarzer Sonnbrille beim Training an und machte auf cool. Ich wurde dennoch ausgelacht. Besonders der süße Dunkelhaarige mit dem Pferdeschwanz war total fies: „Hola, wen haben wir denn da! Der Schwuli von gestern!? Wo sind denn deine langen Haare? Bist du unter den Rasenmäher gekommen?“ – „Wieso, du hast doch selbst lange Haare. Warum trägst du sie nicht offen und stehst dazu?“, erwiderte ich mutig. „Ach, halt’s Maul. Und verpiss dich.“ Wieder gröhlten die gesamte beknackte Mannschaft. „Was habt ihr denn alle gegen mich? Ich möchte doch nur Fußball spielen.“ – „Na gut, dann zeig, was du drauf hast, du Looser, sei ein echter Mann. Hier ist der Ball.“ Gewaltsam schoss mir einer der Spieler den Ball in den Bauch. Das tat weh. Ich hielt mir schmerzerfüllt den Bauch. Aber dann lief ich los und fing an Fußball zu spielen. Aber ich konnte mich nicht richtig konzentrieren. Immerzu musste ich zu dem dunkelhaarigen Typen mit dem Pferdeschwanz rüberschauen. Da wurde mir auch noch ein Bein gestellt … und ich flog voll auf die Schnauze. Oh man, war das ein fieses Foul. „Mensch Max, musste das sein? Er ist doch heute das erst Mal hier.“ – Was ist los mit dir, Markus? Seit wann bist auf der Schwuli-Seite?“ – „Bin ich nicht. Aber ich finde, wir sollten fair spielen.“ Hatte ich richtig gehört? Ausgerechnet der süße Dunkelhaarige war plötzlich auf meiner Seite? Ich rappelte mich wieder auf und spielte weiter. Nach dem Training unter der Dusche ging das Mobbing weiter. „Du hast beschissen gespielt, Alter, und warum hast du mich die ganze Zeit so angestarrt?“ Mit einem finsteren Blick musterte mich dieser Markus. Mir war peinlich vor allen zuzugeben, dass ich schwul bin, also erfand ich eine Ausrede: „So ein Quatsch. Ich habe mich auf das Fußballspiel konzentriert. Du siehst Gespenster. Ich hab dich nur angeguckt, um dir einen Pass zuzuspielen.“ – „Nee, ich habe genau gesehen, dass du mich schwul angestarrt hast. Wenn das noch einmal passiert, knallt’s.“ – „Richtig. Hau bloß ab. Wie wär’s mit Frauenfußball?“ Ich wurde geschubst und flog mit dem Gesicht in den Duschknauf. Total niedergeschlagen und mit einem blauen Auge fuhr ich heim. Zuhause weinte ich ganz bitterlich und fühlte mich sehr allein. Wenigstens hatte ich meine schwarze Katze Kleopatra. Ihr erzählte ich all meinen Kummer.

Ich fuhr nicht mehr zu dieser fiesen Fußballmannschaft. Eines Tages war ich aber zufällig in der Nähe, weil ich einen Arzttermin hatte. Auf dem Rückweg, in der U-Bahn, sah ich Markus wieder. Zum Glück hatte er mich nicht gesehen. Ich folgte ihm heimlich. Als er in Barmbek ausstieg, ging ich ihm nach. Schließlich stieg er in den 173er Bus Richtung Bramfeld. Ich beschattete ihn weiter. Als er hinten ausstieg, stieg ich vorne aus. Ich zog meine schwarze Kapuzenjacke über den Kopf, damit er mich nicht erkennen konnte und behielt ihn im Auge. Plötzlich drehte er sich um und brüllte: „Wer bist du und warum verfolgst du mich?“ Ich nahm die Kapuze ab und sagte in einem ruhigen, aber eisigen Ton. „Ich bin’s, Lars, der Schwuli. Ich verfolge dich, weil ich wissen will, warum ihr mich fertig gemacht habt, besonders du, Markus. Los, spuck’s aus. Ich will von dir selbst hören. Was sollte das? Schwulenhass ist total antik.“ – „Okay, okay. Lass uns in Ruhe reden. Ich lade dich auf ein Bier ein. Komm, ich weiß ein gutes Lokal bei mir um die Ecke.“ Als wir am Tisch saßen und unser Bier tranken, begann er zu reden: „Also, unsere Fußballmannschaft mag keine Schwulen. Das ist bei uns irgendwie immer noch völlig tabu.“ Er machte eine Pause und sagte dann: „Dabei bin ich selbst schwul.“ – „Was, du auch? Ich auch. Das mochte ich aber vor der gesamten Mannschaft nicht zugeben. Na, aber ich fand dich von Anfang an süß, deshalb habe ich dich auch so angestarrt.“ – „Oh man, Alter! Ehrlich gesagt ging’s mir ähnlich. Deshalb habe ich dich auch vor diesem Gorilla Max beschützt. Und damit wäre ich fast aufgeflogen. Deshalb musste ich weiter den coolen Fiesling spielen. Tut mir leid, ehrlich. Komm lass uns Freunde sein.“ – „Ja, sehr gern. Aber in eurer Mannschaft mag ich trotzdem nicht mehr spielen.“ – „Dafür gibt es bestimmt auch eine Lösung. Ich hätte auch schon eine Idee.“

Wir redeten bis zwei Uhr morgens und verstanden uns plötzlich supergut. Markus bot mir sogar an bei ihm zu übernachten, weil die Busse und Bahnen nicht mehr fuhren und die Nachtbusse nur sehr selten. Dass wir gleich in der ersten Nacht leidenschaftlich rumgemacht haben, darüber will ich lieber schweigen. Inzwischen sind wir ein schwules Paar und leben seit einem Jahr zusammen. Und was uns und Fußball betrifft: Wir haben uns zusammen vor der gesamten Stadtpark-Fußballmannschaft als schwul geoutet und uns eine neue Mannschaft gesucht. Diesen Monat spielen wir sogar bei der Europameisterschaft des schwul-lesbischen Fußballverbandes IGLFA im Hamburger Volksparkstadion mit.

 

Menschen mit Behinderung haben was zu sagen! Wir Story Teller sind die inklusive Schreibwerkstatt Story Teller aus Hamburg. Mit unseren Texten möchten wir von unseren Erfahrungen berichten, Denkanstöße geben und Selbstermächtigung voranbringen.