Die neue Perfektion das ICH

7549283078_dba4247131_k
(c) albastrica mititica:  Beauty standards  (CC BY 2.0)

Schönheitsideale begegnen uns jeden Tag: auf Plakaten, im Internet, auf Magazincovern. Eine gefotoshopte Scheinwelt, über die Gedankensammler nur den Kopf schütteln kann…

Makellos. Das perfekte Gesicht. Kein einziger Makel. Strahlend weiße Zähne, volle Lippen, ideal geformte Nase, klare, strahlende Augen und ein lupenreiner Teint. Das perfekte Gesicht. Es starrt einen an. Blickfang des Magazins. Doch schaut man genauer hin, dann ist das Gesicht nicht mehr so perfekt; die Augen strahlen nicht mehr. Es wirkt alles künstlich, nicht echt, nicht menschlich und doch ein Blickfang. Wahrscheinlich das das Idealbild vieler Leute. Machen kleine Makel, Ecken und Kanten den Menschen nicht aus? Wird man dadurch nicht menschlich?

Eine Welt in der alle perfekt wären und der Norm entsprächen. Einfältig. Eintönig. Einfallslos. Das Geheimnis einzelner Mensch ein offenes Buch mit Interpretationsvorgabe. Hobbies, Talente, Gedanken und Gefühle nicht mehr persönlich, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt. Narben. Keine Narben mehr. Ein Leben in einer Luftblase; die Utopie in Person.

Wir sind doch alle Individuen, jeder für sich. Das facettenreichste Kunstbild. Keiner ist gleich. Jeder denkt anders, ist anders. Das unerforschteste Geheimnis. Ein Leben auf einer Welt, doch nicht im selben Dorf. Die Einflüsse könnten verschiedener nicht sein. Jeder noch so kleine Moment beeinflusst den Menschen, wenn auch nur unbewusst. Jedes Lächeln, jedes Gespräch, jeder Augenblick.

So viele streben danach, perfekt zu sein, dem Idealbild der Gesellschaft zu gefallen. Einen Schein aufrecht erhaltend, Schauspiel des Lebens.

Narben kann man nicht verstecken, nur vertuschen. Bedeckend von einem Stückchen Stoff. Augen kann man nicht verstecken, höchstens hinter verspiegeltem Sonnenbrillenglas. Schaue man einem Menschen tief in die Augen, sieht man den verborgenen Schatz, die Emotionen, Erlebnisse und Narben. Augen, die komplexe Geschichten erzählen, deren weiterer Verlauf ungewiss ist.

Das perfekte Gesicht auf dem Cover der Zeitschrift. In die Augen blickend, keine Gefühle erkennbar, einzig das Blitzlicht des Fotoapparates. Im Gesicht auch nur künstliche Emotionen. Trostlos, leer und grau wirkt das Gesicht des von Photoshop bearbeiteten Menschen. Das ist nicht echt.

Sollte nicht jeder Mensch leben und lebendig sein? So sein, wie man ist? Ohne verstörende Blicke im Nacken zu spüren. Wäre es nicht herrlich, wenn die neue Perfektion das ICH wäre? Kunterbunte Farbenprachten das Leben erhellen, ausgehend vom Menschen wie du und ich. Von der Norm abweichen Normalität ist. Eine Vielseitigkeit der Einfachheit existiert. Nicht ständig die Gedanken an die Intoleranz mancher Menschen alles bedecken, sondern leben glücklich sein heißt.

Verfasser*in: Gedankensammler am 16.06.2016

 

Mehr dazu:

  • Ein perfektes Bild abgeben – das will auch die Hauptfigur in Sarahs Kurzgeschichte Genuss.
  • In Schönheit – eine Zugabe begegnet Dominik dem Thema Perfektion mit Humor.

Hey ho! Wir sind Jugendliche aus dem queeren Jugendzentrum „ Sunrise “ in Dortmund. Queer bedeutet schwul, lesbisch, bi, trans* und alle andere Sexualit äten und Geschlechteridentitäten, die unsere Gesellschaft gerne mal als „ nicht normal “ darstellt, obwohl wir finden, dass es das doch eigentlich ist. Einmal die Woche treffen wir uns, schreiben Texte zu al len möglichen Themen und haben zusammen Spaß. Jeder von uns hat eigene Gründe, warum sie* oder er* schreibt und die eigenen Texte mit anderen Leuten teilt.