Nein, ich bin nicht verantwortlich für die Bombendrohung bei GNTM

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An einer Bombendrohung ist gar nichts witzig. Auch unsere Autorin Fee freut sich keinesfalls über das vorzeitig beendete Finale von Germany’s Next Topmodel.

Als am Donnerstag das Finale von Germany’s Next Topmodel wegen einer Bombendrohung unterbrochen werden musste, kontaktierten mich Freundinnen und Freunde. Ich selbst hatte den Fernseher vorsorglich ausgelassen, deshalb musste ich erst auf den neusten Stand gebracht werden, sofort danach wurde ich von allen Seiten scherzhaft verdächtigt, Verstecke vor der Polizei wurden mir angeboten und viermal landete der Postillon-Artikel in meinem Postfach. Und ja, auch ich kam sofort auf den naheliegenden Flachwitz mit der Kalorien-Bombe.

In diesem Raum befindet sich eine Kalorienbombe. Wir haben den Kuchen am Ausgang platziert und sind bereit mit Bonbons zu werfen., schrieb ich einem Mannheimer Freund.

Dabei ist eine Bombendrohung alles andere als ein Witz.

Ich fing an darüber nachzudenken, als die Freundinnen am Telefon zum Teil tatsächlich annahmen, ich würde mich über das vorzeitig beendete Finale freuen.

Noch am Donnerstagvormittag saß ich auf einer Familienfeier mit acht Mädchen im Kinderzimmer. Die Jüngste war 5 Jahre, die Älteste 14 Jahre alt. Und sie erzählten mir, dass sie alle das Finale am Abend anschauen würden. Wenn ich daran denke, bin ich wirklich froh, dass sie nicht so viel davon mitbekommen haben. Auch, wenn das wohl kaum das dahinterstehende Problem löst. Aber: Die Androhung von Gewalt ist niemals als politisches oder aktivistisches Mittel gerechtfertigt, das ist meine tiefe Überzeugung. In der Halle befanden sich neben Frau Klum, ihrer erst elfjährigen Tochter und ihren Jurykollegen auch knapp 10 000 ZuschauerInnen und vier junge Frauen, denen der Abend viel bedeutet hatte. Begründete Angst um sein Leben haben zu müssen ist keine Erfahrung, die ich irgendjemandem wünsche, gerade für Heidi Klums Tochter und die vielen Minderjährigen im Publikum kann eine solche Erfahrung psychologische Folgen haben.
Aber auch für die Protestbewegung war diese Aktion in meinen Augen ein Rückschlag: Eine angedrohte Bombe, die das Leben von so vielen Menschen in Gefahr gebracht hätte, ist wohl das letzte, was KritikerInnen des Formats gebrauchen können. Für meine Parodie der Show werde ich manchmal beschimpft, ich sei einfach neidisch, weil ich „zu fett“ für die Sendung sei und meine Bemühungen gegen GNTM werden zu oft als Kampfansagen einer „untervögelten Feministin“ abgestempelt. Wer in Kauf nimmt, dass GegnerInnen mit Gewalt in Verbindung gebracht werden, gibt Menschen, die so denken, weitere Argumente.
Ich werde traurig, wenn ich höre, dass kleine Mädchen auf dem Pausenhof der Grundschule Topmodel nachspielen und Mitschülerinnen bewerten. Ich werde traurig, wenn die Freundinnen meiner neunjährigen Schwester über Bauchfett und Diäten reden. Dass der Sender selbst nach einer wissenschaftlichen Studie, die den Zusammenhang zwischen der Sendung und Essstörungen nahelegt, seine Verantwortung nicht wahrnehmen will, macht mich auch traurig. 10.000 ZuschauerInnen beim Finale… über diese Zahl könnte ich weinen. Und trotzdem tut mir jede und jeder einzelne leid, die oder der durch die unbedachte Androhung um den Abend gebracht wurde. Ich halte das Format aus vielen, guten Gründen für gefährlich und unverantwortlich, aber es steht mir nicht zu über die Beweggründe einzelner zu urteilen, die sich das trotzdem ansehen wollen. Es gibt sicher 10.000 Geschichten hinter den Leuten, die am Donnerstag live dabei sein wollten, wenn Germanies Next (und hoffentlich Last) Topmodel gekrönt wird. Ziel meiner Bestrebungen kann es nicht sein, diesen Menschen den Spaß zu verderben. Aus genau diesem Grund fand auch die Protestaktion von Pinkstinks im letzten Jahr nicht direkt vor dem Austragungsort des Finales statt. Ein ausgestreckter, zeigender Finger wird nicht neugierig machen, Hass wird nicht zum Nachdenken anregen und Gewalt wird eben niemals zu einem wünschenswerten Ergebnis führen. Wäre Heidi Klum vor die Kameras getreten und hätte gesagt: Mein lieben Meedchen, hey Jungs da draußen! Nach reiflicher Überlegung und in Absprache mit den Finalistinnen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir eigentlich alle wunderschön und wertvolle Menschen sind. Die Machart meiner Sendung führt nur dazu, dass sich junge Menschen abgewertet und in ihrem Selbstwert geschwächt fühlen, deshalb lassen wir´s. Und jetzt gibt´s was zu essen! Woohoo!, wäre das der einzige Fall gewesen, in dem ich mich tatsächlich über einen vorzeitigen Abbruch der Sendung gefreut hätte. So war es aber nicht.
Über die Androhung von tödlicher Gewalt kann ich mich nicht freuen. So viel ich Frau Klum auch entgegen zu setzen habe, ihr Leben ist in meinen Augen genauso wertvoll wie jedes andere Menschenleben. Die psychische Unversehrtheit von hysterischen Teenies ist mir wichtig und die Gefährdung ihres Schlafs gehört nicht zu den Dingen, die ich witzig finde.
Und, liebe Freunde und Freundinnen: Danke für eure Versteck-Angebote, aber ich war´s nicht. Echt nicht.

 

Ich bin Fee aus München und Poetry Slammerin. Bei meinTestgelände schreibe ich mit, weil ich mich unter anderem für genderspezifische, feministische Themen interessiere und dazu eine Meinung habe, mit der und über die ich gerne diskutiere.