Burka-Debatte: Ein nicht ganz beliebiges Straßenbahngespräch

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(c) Erik:  Burka  (CC BY 2.0)

Zur Burka-Debatte gibt es unterschiedliche Positionen. Unser Autor Dominik hat eine klare Meinung. Warum es manchmal Sinn macht, die eigene Position in Frage zu stellen, lest ihr in dieser Kurzgeschichte.

Vor Kurzem wurde ich in einer Münchner Straßenbahn in ein Gespräch verwickelt, in dem es thematisch nach Fussball (einem Bereich, in dem ich mir keine große Expertise zuschreiben möchte) relativ schnell darum ging, ob dass Tragen einer Burka die darunter befindliche Frau unterdrücken würde. Auch im Bezug auf diesen Diskurs maße ich mir nicht an wirklich Relevantes beitragen zu können, jedoch beschäftigt mich diese Konversation derart, dass ich sie hier gerne teilen möchte.

Nachdem mein Gegenüber und ich also drei Stationen mit der Suche nach dem besten Fussballverein zugebracht hatten (übrigens ohne Erfolg), stieg am Hauptbahnhof eine gänzlich verhüllte Frau ein, was mein Gesprächspartner sichtlich verunsicherte und zu besagtem, wie folgt vollzogenem Themenwechsel veranlasste.

„Wie man sich sowas als Frau gefallen lassen kann.“

„Was denn?“

„Sich so unterdrücken zu lassen. Die sieht doch gar nicht raus aus dem Sack.“

„Und was ist, wenn das Tragen dieser Burka ihre freie Entscheidung ist?“

„Das glaubst du doch selbst nicht! Wer macht denn sowas freiwillig?!“

Der Ton meines Gegenübers wurde lauter, weshalb ich versuchte leiser und einfühlsamer zu sprechen.

„Ich könnte mir das schon vorstellen. Vielen Frauen hier tragen eben sehr kurze Röcke, tiefe Ausschnitte und Hohe Schuhe, was absolut kein Problem, jedoch zumindest Letzteres mit körperlicher Anstrengung verbunden ist. Das ist keine leichte Sache. Beides nicht. Weder Burka, noch 10 Zentimeter hohe Hacken und das eine, wie das andere im besten Fall auf Selbstbewusstsein, im schlechteren auf Konventionen gegründet.“

‚Konventionen‘, dieses Wort hätte ich nicht sagen sollen, da mich mein Gegenüber misstrauisch ansieht. Ich beginne zu umschreiben.

„Wenn man sagt, dass eine Frau in einer Burka zu Objekten gemacht und so unterdrückt würden, weil sie sich nur komplett verhülle, da ihr dies von Männern vorgeschrieben würde, verstehe ich nicht, warum man nichts gegen halbnackte Mädchen auf circa jeder Werbetafel hat. Ob man nun jemanden direkt oder indirekt dazu veranlasst, sich aus- oder anzuziehen, ist kein großer Unterschied, hat jedoch eine, nämlich die entscheidende schlechte Sache gemein: Zwang durch Vorschriften, die man so nicht durchblickt und sie eben genau aus diesem Grund befolgt.“

„Ja aber da sehe ich doch lieber ein junges Mädchen im Bikini, als eine Vermummte.“

Das hat mich fertig gemacht! Wow!

„Aber genau darum geht es doch!“, entgegne ich.

„Wenn man so etwas sagt, ist man kein Stück besser, als der hypothetische Mann dieser verhüllten Frau. Man zwingt anderen etwas auf, was man gerne hätte, ohne deren Meinung auch nur im Geringsten zu erfragen. Richtig oder falsch liegt nicht in Burka oder nicht, sondern in der Frage, ob das eine oder das andere eine bewusste Entscheidung ist, oder nicht. Eventuell sind einige Frauen höherem Druck ausgesetzt als andere, was ihre äußere Erscheinung angeht. Das bedeutet aber weder, dass das Tragen einer Burka an sich schlecht ist, noch, dass freizügig gekleidete Mädchen zeitgleich und automatisch leichte Mädchen sind. Der Ansatzpunkt hier ist der Versuch, Gewalt in Familien und den gesellschaftlichen Druck einzuschränken und das trifft – und das versichere ich ihnen – nicht nur muslimische Haushalte. Mädchen nicht rein in die Burka oder raus aus möglichst viel Stoff, sondern alle zusammen rein in Programme und Räume, in denen sie lernen, wie sich zur Wehr setzten und eigene Meinungen bilden und durchsetzten zu können.“

Dann erreichen wir die Station Isartor und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, steigt Gegenüber aus.

Ich bin meinem eigenen Redeschwall und dem plötzlichem Gesprächsabbruch meines Gegenübers durch Flucht geschuldet doch sehr erstaunt und versuchte mich zu sammeln, was mir bis jetzt nicht gänzlich gelungen ist.

Ein seltsames Gespräch an dessen Ende ich merkte, dass auch meine Gedanken hier nicht korrekt sind. Wie steht ihr zu gänzlicher Verhüllung und der Sexualisierung von Frauen in Werbung und Medien?

Mehr dazu:

Ich glaube, dass das Hineindenken in die Standpunkte anderer eine der wichtigsten Fähigkeiten ist, die wir heutzutage haben können. Warum ich also hier bin? Um mein Weltbild nicht auf Halbwissen und Vorurteilen, sondern Meinungen und verschiedenen Perspektiven zu gründen.