Dass er ein Junge ist, war Nev schon immer klar. Auch, wenn er ohne Penis geboren wurde. Doch der weibliche Körper stand seinem Glück lange Zeit im Wege. Jetzt nicht mehr: Zwei Jahre nach Beginn einer Hormontherapie spiegelt sein Aussehen endlich das wider, was Nev ist: Ein junger Mann mit vielen Hoffnungen.
Da sind es schon 2 Jahre. Zwei Jahre in denen das männliche Hormon – Testosteron – durch meinen Körper fließt und einige Veränderungen mit sich gebracht hat. Am 11.Oktober 2013 wurde meine Namens- und Personenstandsänderung vom Amtsgericht Potsdam bewilligt und am gleichen Tag begann ich mit der langersehnten Therapie.
Der Weg zu diesen beiden gravierenden Meilensteinen war sehr lang und mit einigen Stolpersteinen besetzt. Allerdings sind das keine Ausreden oder Entschuldigungen. Mit Mut, Geduld, Selbstbewusstsein und der Hoffnung kann man jeden Weg erfolgreich bestreiten.
Ich begann also mit der Therapie. Jeden Morgen nach dem Zähne putzen, nehme ich mir meine liebevoll genannte McD-Ketchup-Tube und schmiere mir die Flüssigkeit des Glücks auf die Oberschenkel, Bauch oder Arme. Es ist zu einem Ritual oder Routine geworden, die man leicht in den Alltag einbinden kann. Trocknen lassen, Hose an und los geht die wilde Fahrt.
Vor Aufregung hatte ich das Gefühl, dass schon nach einmaliger Anwendung etwas passiert. So lange hatte ich auf diesen Moment gewartet. Es konnte nicht so schnell wie möglich gehen. Am nächsten Morgen stand ich voller Erwartung auf und hoffte im Spiegel schon einen Vollbart zu sehen. Fehlanzeige! Mit der Zeit lernte ich, dass Geduld und Gelassenheit von großer Bedeutung für meine Entwicklung waren – nicht nur körperlich, sondern auch seelisch.
Das erste was sich veränderte war die Stimme. Anfangs mit einem Kratzen im Hals, heiserer Stimme bis hin zum „Organversagen“. Konnte mich zeitweise in Sekundenschnelle vom Löwen zur Maus verwandeln, doch das gab sich mit der Zeit und pendelte sich auf einer angenehmen Tiefe ein. Stück für Stück entwickelte sich alles. Die Körperbehaarung verstärkte sich, meine Gesichtszüge wurden markanter und auch das Hüftgold verteilte sich so, dass meine Schultern breiter und mein Becken etwas schmaler wirkt.
Die ganzen Veränderungen oder Anpassungen spiegelten sich auch in meiner Psyche wider. Wie sagt man so schön: „Wer mit sich selbst zufrieden ist, strahlt das auch aus.“ Komplett zufrieden bin ich noch lange nicht, aber der Anfang ist gemacht. Menschen, die mich lange nicht mehr getroffen haben, fällt meine positive und in sich stimmige Art auf. Mein Auftreten wirkt mittlerweile sehr sicher und entspannt. Das liegt auch mit daran, dass so gut wie niemandem auffällt, was unter den Klamotten steckt. Das bestärkt mich in meinem Denken und Handeln. Mein Weg ist richtig. Auch wenn es manchen Menschen schwer fällt das zu verstehen oder es auch nicht einmal versuchen – Es ist nicht schlimm, denn es ist nicht ihr Pfad. Jeder muss seine persönliche Route zum Glück und zur Zufriedenheit finden.
Peace and Love.
NevSamuel
Mehr dazu:
- Wie Nev die ersten 20 Monate mit Testosteron erlebt hat, lest ihr in Hormontherapie: Der langsame Ausbruch
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