Alltags-Sexismus: Geht’s noch?!

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(c) Michael Pollak:  fight sexism  (CC BY 2.0)

„Auch wenn ich nackt rumlaufen würde, hat kein Mann der Welt das Recht, mich ohne meine Erlaubnis anzufassen.“ Und trotzdem gibt es Typen, die sich Mädchen gegenüber wie “Neandertaler” verhalten. So ein respektloses Machoverhalten treibt Annalena zur Weißglut… 

Ich unterhielt mich angeregt mit meiner Freundin, als wir nach Ende der vierten Stunde den Klassenraum verließen. Es war ein schöner, sonniger Montag, der, nach all den Wochen voller Regen und Nässe, dazu beitrug, dass meine Laune einfach nur gut war. Während wir also den langen Gang in Richtung Schulhof, laut lachend und voller Vorfreude auf die 20 Minuten Sonnenschein gingen, hörten wir hinter uns ein widerliches Pfeifen, das wir von einigen selbsternannten „Herren der Schöpfung“ nur allzu gut kennen. Natürlich haben wir nicht darauf reagiert, weil wir dieses Hinterherpfeifen, um die Aufmerksamkeit von Frauen zu erregen, unendlich dämlich finden. Denken diese Lappen wirklich, wir würden uns umdrehen, sie mit großen Augen anhimmeln und sagen: „Hey, dein Pfeifen hat mich überzeugt, willst du mich heiraten und der Vater meiner Kinder werden?“ Wie tief muss ich denn als Frau sinken, um mich auf deren Niveau zu begeben?!

Als sie dann gemerkt haben, dass ihr an die Vogelwelt anmutendes Pfeifkonzert uns nicht sonderlich beeindruckte, fingen sie an, uns anzuquatschen und ließen dabei ihrer verbalen Kreativität freien Lauf: „Ey, Süße!“, sagte der Eine. „Dreh dich mal um, Baby!“, fügte der Andere hinzu. Dann wieder der Eine: „Sieht dein Gesicht auch so geil aus wie dein Arsch?“ Und die immer wiederkehrende Frage, die vermutlich Millionen von Frauen tagtäglich ertragen müssen: „Was wollen sie damit bezwecken? Ist das ihre Art Interesse zu zeigen? Oder Komplimente zu machen? Wenn ja, dann möchte ich bitte ab heute keine Komplimente mehr hören! Und bitte, ich kann sehr gut damit leben, wenn ihr euch nicht für mich interessiert.“ Ich schüttelte den Kopf, und wir setzten unseren Weg unbeirrt fort. Es kam nichts mehr. Kein nerviges Pfeifen, kein dummes Anquatschen. Wohltuende Stille. Endlich, dachte ich mir, sind wir diese beiden Neandertaler los (ich hoffe natürlich, dass ich den Vorzeitmenschen in diesem Zusammenhang nicht Unrecht tue).

Gerade als ich tief durchatmete und mein Mund sich zu einem Lächeln formte, getragen von der Hoffnung, dass wir die Situation überstanden hatten, hörte ich ein lautes Klatschen, dem ein ziehender Schmerz folgte. Wie gelähmt erstarrte ich in meiner Bewegung und versuchte zu realisieren, was gerade passiert ist. Ich schaute mich um, um zu sehen, ob es nicht doch eine Freundin war, die mir gerade auf den Hintern geschlagen hatte. Warum auch immer. Doch ich blickte in das dämliche und überhebliche Grinsen eines jungen Mannes, der mich herablassend anblickte. Daneben das zu einer hässlichen Fratze verzogene Gesicht seines Kumpels. Beide standen da, als hätten sie mir mit dem Schlag auf mein Hinterteil die Dominanz ihrer Männlichkeit bewiesen. Aus einem Reflex heraus schrie ich die Jungs an, was ihnen einfiele, mich dermaßen anzupacken: „Wer hat euch erlaubt, mich anzufassen? Was denkt ihr euch dabei? Und wie könnt ihr so etwas auch noch lustig finden?“.

Meine Faust war geballt, ich hätte ihm so gerne sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. Aber Gewalt ist bekanntlich keine Lösung. Doch wer kann sich in so einer Situation gegen solche Gedanken wehren? Doch anstatt sich zu entschuldigen, legte der Eine seinen Zeigefinger auf den Mund und flüsterte:„Pssst“, um mir den Mund zu verbieten. Die Wut brodelte in mir, ich kam mir vor wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Ich rang innerlich nach den richtigen Worten. Und während ich nach Fassung und nach den passenden Worten suchte, verzog der Eine sein Gesicht zu einem herablassenden Lächeln und sagte: „Du bist doch selbst schuld. Wenn du bei dem Arsch mit einer Leggings das Haus verlässt, dann darfst du dich auch nicht wundern.“

Entsetzt und immer noch fassungslos vor so viel Anmaßung und Respektlosigkeit schaute ich meine Freundin an. Sie wirkte ebenfalls sehr schockiert und stand mit weit aufgerissenen Augen da. Dann formten ihre Lippen den folgenden Satz: „Ihr sein einfach nur dumm!“ Meine Freundin, die nicht gerade für ihren Mut bekannt war, stand mir wie eine Frau zur Seite. Durch ihre Reaktion wurde ich mutiger, schaute die beiden an und sagte: „Macht das nie wieder. Sonst sehen wir uns demnächst beim Direktor wieder! Ihr seid für mich keine Männer, ihr seid in meinen Augen Lappen!“

Danach ließen wir die beiden, die ziemlich verdutzt reinschauten, zurück und setzten unseren Gang Richtung Schulhof fort. Meine Freundin lächelte mich an und sagte: „Auch wenn ich nackt rumlaufen würde, hat kein Mann der Welt das Recht, mich ohne meine Erlaubnis anzufassen.“ Ich lächelte zurück, hakte mich bei ihr ein und erwiderte: „Und nicht wir sind das Problem oder unsere Kleidung. Sondern einige Männer und ihre dumme Vorstellung von Männlichkeit!“

Mehr dazu:

  • Ausgezogen –  so fühlen sich Arjeta und Khadija, wenn sie von fremden Männern auf der Straße begafft werden. Ihr Plädoyer gegen machomäßiges Verhalten lest ihr hier.
  • Nicht nur auf der Straße – auch im Netz werden Mädchen tagtäglich respektlos behandelt. Mehr dazu liest du in Netz-Sexismus: Meine metaphorischen Brüste.
  • Im Gegensatz zu Annalenas Mitschülern wissen die Jungs von den HeRoes, wie Mann sich Frauen gegenüber zu benehmen hat. Worauf es ankommt, zeigen sie im Video Weil ich sie respektiere, liebt sie mich.

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