Interview mit Ninia LaGrande

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(c) Simona Bednarek

Die Story-Teller unterhalten sich gern mit inspirierenden Personen – und diesmal ist ihre Wahl auf Ninia LaGrande gefallen. Falls du die Autorin, Moderatorin, Slam-Poetin und Feministin aus Hannover noch nicht kennst, dann ist es allerhöchste Zeit, sie kennenzulernen! Ein guter Anfang ist da das folgende Interview.

Story Teller: Wieso bist du so cool? oder: Wie bist du so tough geworden? (Was ist ‚cool‘ überhaupt? Passt das Wort ‚tough‘ besser? Welchen Begriff findet Ninia wohl am besten?)

Ninia LaGrande: Puh. „Tough“ finde ich ganz furchtbar als Beschreibung :D. Das drückt für mich eine Härte aus, die ich nicht habe – die ich in meinem Leben auch nicht brauche. Ich find’s auch immer witzig, dass andere mich oft als „frech“ oder „erfrischend“ bezeichnen – ich kann mir selbst diese Adjektive nicht zuschreiben. „Cool“ bin ich – das beinhaltet für mich aber einfach eine gewisse Ruhe in vielen Situationen, die ich natürlich auch in Teilen lernen musste – die mir aber auch von meinem Vater mit in die Wiege gelegt wurde. Warum? Keine Ahnung, ich glaube, das ist wirklich charakterabhängig. Manchmal bin ich auch zu cool – aus Unsicherheit oder Social Akwardness, und dann werde ich wiederum als arrogant wahrgenommen.

ST: Was gibt dir Power?

N: Schlaf. Kaffee. Sonne. Austausch mit tollen Freundinnen.

ST: Wie bist du Feministin geworden?

N: Ich behaupte, ich wäre das schon immer gewesen. Ich hatte nur lange kein Wort dafür. Gerechtigkeit war mir aber immer wichtig. Und als dann Erfahrungen im Studium und nach dem Abschluss dazu kamen, Lektüre und der Austausch über das Netz, wurde mir bewusst, dass ich mich ohne Zweifel als Feministin bezeichnen würde.

ST: Ich liebe deinen Stil! Wo kaufst du deine schicken Klamotten? Und deine Brillen?

N: Danke ;). Ich kaufe fast ausschließlich in kleinen Läden in meinem Viertel und im Netz. Vieles lasse ich anpassen. Vieles ist Second Hand und wird von mir dann entsprechend umgestylt oder angepasst. Meine Brillen kaufe ich am liebsten bei Ace and Tate – aber auch Vintage.

ST: Was gibst du deinem Kind mit in die Welt?

N: Gute Laune, Selbstsicherheit, Rückhalt und die Zweifellosigkeit, sich immer auf seine Eltern verlassen zu können. Ich wünsche mir für mein Kind, dass es später für seine Meinung einstehen kann, das machen darf, was es sich wünscht und keine Diskriminierungserfahrungen machen muss.

ST: Wir finden auch, dass „behindert“ als Schimpfwort gar nicht klar geht. Wie schimpfst du? Was ist dein Lieblingsschimpfwort?

N: Oh, ich schimpfe furchtbar gerne. Mein Mann und ich beschimpfen uns gegenseitig ebenfalls sehr schnell und gern. Ich empfinde das als wohltuend. „Fick dich“ rutscht mir, glaube ich, am meisten raus. Ich werde fast nie laut – ich bin eher unterschwellig fies und gut mit Worten :D. Ich stichel gerne und gehe manchmal auch etwas zu weit.

ST: Was hat deine Mutter dir mit auf den Lebensweg gegeben? Und dein Vater?

N: Beide haben mir ein sehr großes Selbstbewusstsein mitgegeben und die Gewissheit, dass ich all das schaffen kann, was ich mir vornehme. Beiden war es immer wichtig, dass ich auf eigenen Beinen stehen und für mich selbst sorgen kann. Von meiner Mutter habe ich die große Klappe und die Leidenschaft für Mode, von meinem Vater die Besonnenheit und das Rampensau-Gen.

ST: Was empfiehlst du an Feminismus-Lektüre?

N: Virginia Wolf – A Room of One’s Own; Julia Korbik – Stand up; alles von Margarete Stokowski und Liv Strömquist.

ST: Wer sind deine Vorbilder oder Inspirationen?

N: Ach, da gibt’s so viele. Das können tolle Autorinnen sein, Politikerinnen oder Aktivistinnen, Musikerinnen und Schauspielerinnen und Menschen, die mir auf der Straße entgegenkommen und einfach toll gestylt sind. Ich picke mir aus allem das passende für mich raus.

ST: Hast du auch Selbstzweifel? Wie bewältigst du schlechte Phasen, bzw. Stimmungstiefs?

N: Selbstverständlich. Das ist – gerade in meinem Beruf – auch völlig normal. Ich zwinge mich zu Pausen. Zu frischer Luft und Durchatmen und Baden und mir selbst was Gutes tun. Ich spreche drüber, oder schreibe etwas. Mir hilft es auch, mich toll zu schminken oder anzuziehen, wenn es mir schlecht geht. Ab einem gewissen Punkt kann man sich auch professionelle Hilfe holen.

ST: Wovon handeln die Bücher, die du schreibst?

N: Die ersten zwei Bücher sind Kurzgeschichten- und Kolumnen-Sammlungen. Alltagsgeschichten, auch fiktionale Sachen, aber vieles aus dem eigenen Erleben, Beziehungserfahrungen, lustige Begegnungen. Aktuell schreibe ich an einem Roman zum Thema Einsamkeit.

ST: Wie schaffst du es deinen Alltag mutig und selbstbewusst zu meistern?

N: Dafür gibt’s keine Anleitung – ich habe ja keine andere Wahl :D. Grundsätzlich hatte ich das große Glück, dass meine Eltern mir viel Selbstbewusstsein mitgegeben haben und ich immer in tollen Kindergarten- und Klassenverbänden leben durfte. Ich war nicht immer so selbstbewusst, in meiner Pubertät und den frühen 20ern sah das ganz anders aus. Ich würde mich allerdings selbst nicht als mutig bezeichnen. Ich bin der größte Angsthase unter Gottes heller Sonne. Ich traue mich echt nix.

ST: Wie hast du deinen Traummann kennengelernt?

N: Ich suche noch! Kleiner Witz: klassisch in der Uni. Wir haben zusammen Improtheater gespielt.

ST: Ist dein Mann auch Feminist?

N: [Auszug aus unserem Gespräch, während ich die Antworten hier tippe]

Ich (schreiend aus meinem Arbeitszimmer): BIST DU FEMINIST?
Der Mann: Warum?
Ich: Weil ich das hier gefragt werde.
Der Mann: Geht das Interview um mich?
Ich: Nein.
Der Mann: Dann geht das niemanden was an.

ST: Wo behindert dich deine Kleinwüchsigkeit? Hast du besondere Hilfsmittel?

N: Die Kleinwüchsigkeit behindert mich nicht. Die politischen und gesellschaftlichen Umstände behindern mich. Sei es, dass meine Eltern durchsetzen mussten, dass ich auf Regelschulen gehen konnte – für andere eine Selbstverständlichkeit. Oder, dass Menschen mich anstarren, anquatschen und anfassen.Ich habe diverse Hocker in unserer Wohnung und im Wohnmobil, um hohe Schränke besser zu erreichen und meine Füße im Sitz draufstellen zu können. Alles andere kriege ich mit Kreativität und ggf. Hilfe auch ohne Hilfsmittel hin.

ST: Was muss sich gesellschaftlich und städtebaumäßig verbessern, damit man nicht behindert wird?

N: Die größte Blockade ist unsere Politik. Gesetze, die Menschen mit Behinderung nicht gleichberechtigt mitbestimmen und teilhaben lassen (Bestes Beispiel aktuell). Wir müssen die UN-Behindertenrechtskonvention endlich ernst nehmen und das Menschenrecht auf Inklusion rigoros durchsetzen. Erst dann kann sich auch gesellschaftlich etwas verändern. Klar ist es wichtig, Bordsteine abzusenken, funktionierende Fahrstühle einzurichten, Gebäude barrierearm zu gestalten. Dabei vergessen wir aber, dass es so viel mehr gibt – dass es vor allem auch eine große Gruppe an Menschen mit nicht-sichtbarer Behinderung gibt. Und dass der Teufelskreis aus Förderschule – Heim – Werkstatt nicht durchbrochen wird, wenn wir nur versuchen, Städte baulich anzupassen.

ST: Gab es Probleme bei deiner Geburt?

N: Nö. Ich war zwar Kaiserschnitt, weil ich damals schon bockig war und mich nicht umdrehen wollte.

ST: Welche Lebensträume möchtest du verwirklichen?

N: Ich würde mir gerne mal ein ganzes Jahr freinehmen und mit unserem Wohnmobil reisen. Ansonsten: einen Roman schreiben (da bin ich schon dran), eine Zeichentrickfigur synchronisieren (Pixar, call me!) und die NDR Talkshow moderieren (gerne mit Barbara zusammen).

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Menschen mit Behinderung haben was zu sagen! Wir Story Teller sind die inklusive Schreibwerkstatt Story Teller aus Hamburg. Mit unseren Texten möchten wir von unseren Erfahrungen berichten, Denkanstöße geben und Selbstermächtigung voranbringen.