Frauen in Israel 

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(c) Gustavo Peres:  israel  (CC BY-NC 2.0)

Auch in Israel herrscht noch lange keine tatsächliche Geschlechtergerechtigkeit, auch wenn etwa die Unabhängigkeitserklärung dies behauptet. Unsere Autorin Lilith hat sich mal wieder in eine tiefgründige Recherche gestürzt und erläutert in diesem Text etwas detaillierter, wie es um die Rechte der Frauen in Israel steht. Viel Spaß beim Lesen!

Geschlechtergerechtigkeit in Israel 

Zu viert stehen sie nebeneinander. Alle in grünen Uniformen lässig an ein Auto gelehnt. Im Hintergrund stapfen zwei ihrer Kolleginnen in schwarzen Stiefeln durch den Sand, eine dunkle Waffe ruht in ihren Armen. Dieses und ähnliche Bilder dominieren die ersten 100 Ergebnisse, die bei der Suchanfrage der Stichwortkombination „Israel“ und „Frau“ von Google ausgespuckt werden. Schließlich dürfen in Israel die Frauen nicht nur zum Militär, sondern: sie müssen. Trotz des einen Jahrs weniger, das sie im Gegensatz zu ihren männlichen Landsgenossen für den Dienst an der Waffe verpflichtet werden, ist die militärische Forderung der Frau eine nicht sehr häufig in der Welt zu findende Regelung. 

Nach den Soldatinnen folgen Bilder von Ajelet Schaked. Die unter anderem als Justizministerin aktive und äußerst erfolgreiche Politikerin scheint das Vorzeigemodell der israelischen Emanzipation zu sein. Sie selbst äußerte einst ihre Feststellung, dass „eine Frau alles tun“ könne: „reisen, Mutter sein, eine Partei anführen, sogar als Bürgermeisterin, Firmenchefin oder Staatenlenkerin dienen“. Auch mit Golda Meir, die Jahre lang die wichtigen Ämter der Außenministerin und später Ministerpräsidentin Israels inne hatte, zeigt sich eine starke weibliche Persönlichkeit in Israel. Einem Land, in dem 60% der Masterstudierenden weiblich sind und die Lebenserwartung von Frauen mit 84,3 Jahren im internationalen Vergleich beachtlich ist. Es scheint also alles nach Plan zu laufen. Denn bereits in der Unabhängigkeitserklärung wurde festgehalten: „Der Staat Israel wird all seinen Bürgern, ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen“. 

Der Blickwinkel ist entscheidend

Doch – warum schreibt der Global Diversity Report 2018 dann etwas von einer extremen Benachteiligung der israelischen Frauen? Mit 59% des Gehalts eines männlichen Kollegen, scheint die Arbeit der Frauen in Israel den Unternehmen wohl kaum mehr als ein halber Mann wert zu sein. Die Facebook-Büros in Israel werden zwar von einer Frau geführt, dabei scheint es sich aber um eine Ausnahme zu handeln. 

Denn ein großer Anteil der Frauen arbeiten in Teilzeit – doppelt so viele wie Männer. Und selbst in der Politik, lassen sich Positivbeispiele wie Meir und Schaked noch an zwei Händen abzählen. Insbesondere in den einflussreichen Positionen gibt es lediglich einzelne Frauen, die sich herausheben. So waren beispielsweise in der gesamten Geschichte bis jetzt nie mehr als vier Frauen gleichzeitig an der Regierung beteiligt. Auch von insgesamt 50 Bürgermeistern ist aktuell nur eine Frau im Amt. 

Eine große Kluft klafft besonders beim Vergleich zwischen Stadt und Land auf. Tel Aviv, eine Stadt, die auch in anderen Kontexten als Staat im Staat bezeichnet wird, scheint kaum von Geschlechterdiskriminierung betroffen zu sein. Besonders im jüdisch orthodox dominierten ländlichen Raum hingegen, ist die Lage auch heutzutage noch sehr angespannt. Dennoch komme es in der Behandlung nicht zwingen auf die Religionszugehörigkeit sondern die Religiosität an. Eine Pauschalisierung sollte hier also nicht erfolgen. 

Rechtliche Gleichstellung in der Praxis

Während selbst in Deutschland das Selbstsbestimmungsrecht der Frauen nicht so hoch bewertet wird, dass Schwangerschaftsabbrüche legalisiert werden, herrschen in Israel sehr lockere Regelungen. Kosten dafür werden für Betroffene im Alter zwischen 20-33 sogar vom Staat übernommen und Ärzte dürfen bei Minderjährigen ohne Erlaubnis der Eltern eine Abtreibung durchführen. Besonders häufig zu ungewollten Schwangerschaften kommt es in der Zeit des Militärdienstes. Im Alter von 18 Jahren werden sie verpflichtet – ein Alter, in dem das andere Geschlecht mitunter interessanter sein kann, als die Schießübungen. Immer wieder werden Beschwerden zu sexuellen Übergriffen, aber auch geschlechtsspezifischer Diskriminierung laut. Einige Stimmen sprechen sich sogar für ein Militärverbot Israels aus. Wird das die Google-Bildersuche dominierende Ergebnis bald der Vergangenheit angehören?

In dieser Debatte kommen besonders die unterschiedlichen Religionen, die die Einwohner Israels vertreten, zum Vorschein. So machte z.B. Rabbiner Yigal Levinstein auf sich aufmerksam, als er den Wehrdienst von Frauen mit der Begründung verurteilte, sie hätten „heilig und keusch“ zu sein, und ihre einzige Aufgabe sei, „die nächste Generation heranzuziehen“. 

Rechtlich sind Frauen trotz dieser Gegner auch im Militär gleichgestellt. Seit kurzem gibt es Pilotinnen in der Luftwaffe und auch Beförderungen zu Panzerkommandeurinnen traten in den vergangenen Jahren auf. Dies ist aber erst seit dem Jahr 2000 der Fall. Der Prozess der Gleichstellung scheint daher noch in der Entwicklung zu stecken. Selbst in israelischen Pornographien, deren Produktion und Konsum im ganzen Land legal sind, spielt die Frau in Uniform eine noch immer stereotyp dargestellte Rolle.  

Religiöser Konservatismus verhindert den Fortschritt in Richtung Gleichberechtigung

Am Weltfrauentag ist regelmäßig etwas los. Denn ein großer Teil der weiblichen Bevölkerung kämpft noch immer für ihre Rechte. Eine Plakataktion 2019 machte dies beispielsweise deutlich. „Ich habe einen Traum“ stand auf zahlreichen Plakaten verteilt „dass Frauen genauso viel verdienen wie Männer“, „dass sich jede Frau in der Öffentlichkeit sicher fühlt“, „dass sexuelle Gewalt nicht toleriert wird“ und „dass Mädchen wissen, dass ihnen jeder Job offensteht“. Ganz besonders richtet sich ihr Aufruf gegen die Forderungen Ultraorthodoxer, in deren Augen bereits die aktuelle Situation von zu viel Gleichberechtigung zeugt. Aus Angst vor dem religiösen Konservatismus wird sogar an einigen Orten besondere Vorsicht bei der Anbringung von Plakaten geboten. Busunternehmen beispielsweise weigerten sich in der Vergangenheit mehrfach, Plakate mit Frauenabbildungen aufzuhängen, aus Angst vor Beschädigung. Selbst Werbekataloge, z.B. von Einrichtungsfirmen werden teilweise ganz frauenfrei gestaltet um keinen Aufruhr heraufzubeschwören. Auch Stimmen, die das Gebet von Frauen an der Klagemauer verbieten möchten werden immer wieder laut. Sogar auf demselben Gehsteig sollen sie nicht mehr gehen dürfen.  

Es bleibt zu hoffen, dass die Fortschritte der vergangenen Jahre stark genug dagegen anstehen und die Gleichstellung der Geschlechter wie in der Unabhängigkeitserklärung garantiert, Realität wird. 

Mehr dazu:

1999 geboren in Heppenheim, aufgewachsen in Hessen und Baden-Württemberg und inzwischen wohnhaft in Dresden. Deutschland habe ich inzwischen durch viele Hobbies im Bereich Musik, Sport, Poetry Slam und Wissenschaft recht gut kennengelernt, doch noch spannender als die regionalen Reisen sind die vielen Begegnungen und Erlebnisse, die ich dabei gesammelt habe. Mein Testgelände ist eine super Sache, um festzuhalten, was mich auf meinen Reisen bewegt, einige der Personen mit ihren spannenden Geschichten vorzustellen und euch Teil von Recherchen werden zu lassen, die mich brennend interessieren. Hier kann sich jeder trauen, das zu schreiben, was ihn bedrückt. Und somit: Viel Spaß beim Lesen, Hören und Schreiben!