Lecktücher für Alle

20220303_Lecktücher für alle (RHSC Unsplash)

Wisst ihr was Lecktücher sind? In der queeren Szene sind sie oft beliebt, außerhalb der Szene eher unbekannt. Bei den diesjährigen olympischen Spielen sollen trotz Abstandsregeln Kondome verteilt worden sein, doch von Lecktüchern ist keine Rede. Dabei ermöglichen sie vielen Leuten sicheren Sex. Fluff stellt sie uns vor und fragt sich, warum noch immer geschlechtliche Vielfalt bei Olympia und generell bei Spitzensport so eingeschränkt und wenig publik ist.

Winterspiele in Peking, mitten im dritten Jahr der Corona-Pandemie.

Während im Eishockey der Frauen die Kanadierinnen konsequent in FFP2-Maske spielten (und 6:1 gegen die Russinnen gewannen), Italien eine Abstimmung über die „schönste Olympionikin“ durchführt (und die eigene Curling-Spielerin Stefania Constantini wählt) und mehrere Boulevard-Medien über die Verteilung von Kondomen in den olympischen Dörfern berichten (obwohl alle Athlet_innen dazu aufgefordert wurden, Handschläge und Umarmungen zu vermeiden und Abstand zu halten), frage ich mich: Wo sind die Lecktücher?

Lecktücher sind kleine, dünne Tücher aus medizinischem Latex (ähnlich wie Kondome), die über Vulva oder Anus gelegt werden, um ohne das Risiko einer Krankheitsübertragung den gewählten Bereich mit Zunge oder Händen berühren zu können. Sie schützen vor sexuell übertragbaren Krankheiten wie z.B. HIV oder auch Syphilis, ähnlich wie Kondome.In Deutschland gibt es sie in (manchen) Apotheken und bei einschlägigen Shops zu bestellen, Auswahl ist zwischen neutral, Erdbeere und Vanille. Beliebt sind sie vor allem in der queeren Szene, außerhalb dessen eher unbekannt.

Vielleicht ist dies der Grund, warum bei Olympia vor allem auf Kondome gesetzt wird: Neben der geschlechtlichen „Vielfalt“ zwischen cis Männern und cis Frauen ist es hier relativ beschränkt. Die Debatten um die Teilnahme von trans und inter Personen laufen seit einigen Jahren, 2021 war Laurel Hubbard die erste trans Athletin bei den Olympischen Spielen (sie gewann gar nichts und landete unter „DNF“, beendete also ihre Durchgänge nicht). Gleichzeitig kündigt die taz an, das IOC würde nach den aktuellen Winterspielen in Peking erneut neue Regelungen für die Teilnahme von trans Personen vorlegen. Aber auch bekennende schwule oder lesbische Spitzensportler_innen finden wir kaum: Bei den Olympischen Winterspielen in Peking sind es ganze 36 (nach taz Angaben). Aus China selbst ist niemand dabei. Noch immer ist Homosexualität in 69 Ländern strafbar, in sieben Staaten droht für gleichgeschlechtlichen Sex die Todesstrafe.1 Aber auch in Europa gibt es noch immer Hemmungen, die eigene Queerness und eine Karriere im Spitzensport öffentlich zu verknüpfen.
Schwule Fußballer in Deutschland warten entweder bis nach ihrer Karriere oder brechen diese ab, wenn sie sich geoutet haben – Stand heute gibt es keinen offen schwulen, aktiven Profifußballer in Deutschland.

Dennoch werden sie – rein statistisch – existieren. Und wenn es schon nicht die Möglichkeit gibt, bei den Olympischen Winterspielen (oder wo auch immer die Kondome genutzt werden sollen), das eigene Sexleben zu gestalten, so wäre es zumindest ein symbolisches Zeichen, zukünftig auch Lecktücher zur Verfügung zu stellen. Auch ungeoutete Personen können und wollen miteinander Sex haben – von der Tatsache, dass sexuell übertragbare Krankheiten auch bei Hetero-Sex durchaus möglich sind, ganz abgesehen.

Also, mehr Lecktücher und sexuelle Aufklärung für alle!

Bis dahin: Ein Kondom nehmen, den Ring abschneiden und es an der Seite aufschneiden. Ergibt ebenfalls ein ganz passables Lecktuch und ermöglicht sicheren Sex (vor allem, wenn du die andere Person im olympischen Dorf getroffen und keine Ahnung von ihrem üblichen Risikoverhalten hast).

1https://ilga.org/downloads/ILGA_State_Sponsored_Homophobia_2019.pdf

Ich bin Fluff, autistisches Enby, wohnhaft in Ostdeutschland. Auf meinTestgelände schreibe ich über das, was mich bewegt und Bewegungen - politisch und körperlich. Ich bin Ihre Eminenz auf High-Heels und mein Schminktisch ist ähnlich groß wie mein Teeregal.