Warum Kurt Krömer Amelies Lieblingskomiker ist (und vermutlich auch bleiben wird) und nicht etwa Dieter Nuhr, schreibt sie in einem, nicht ganz so kurzen, Lob auf den Berliner Comedian.
Hinter Kurt Krömer steckt eigentlich der 47 Jahre alte Komiker, Autor und Schauspieler Alexander Bojcan. Die Nutzung einer Kunstfigur basiert darauf, dass niemand in der Lage ist, den Nachnamen Bojcan korrekt auszusprechen. Einigen sollte er bereits bekannt sein. In den letzten Jahren
lernten ihn viele jüngere Personen über sein Talkformat „Chez Krömer“ kennen. Dort setzt er sich auch immer wieder kritisch mit Politiker*innen auseinander und nimmt sie aufs Korn. Die einzelnen Folgen sind trotz Produktion für den rbb auch auf YouTube zu finden. Zusätzlich ist er Teil der Amazon Prime Serie „Last One Laughing“. Im Gegensatz zu vielen anderen in meinem Alter begleitet Kurt Krömer mich schon wesentlich länger.
Mehr oder weniger durch Zufall fand meine Mutter einige Jahre nach der Veröffentlichung 2005 die CD zu Krömers Programm „Na du alte Kackbratze“ in unserem CD Schrank. Es gefiel meinen Eltern und einige Autofahrten und krankheitsbedingte Tage im Bett später, konnte ich schon mit acht Jahren Teile des Auftrittes mitsprechen und zitieren. Auch heute nutze ich Sätze wie „Theater ist nicht lustig“ in Konversationen und irritiere damit mein unwissendes Gegenüber. Auf meinen ersten Klassenfahrten hörte ich das Album jede Nacht zum Einschlafen auf dem alten MP3 Player meiner Mutter. Einerseits konnte ich mich damit beschäftigen, das Gesagte mitzusprechen, andererseits kann man kein Heimweh haben, wenn man lachen muss. Viele Jahre war Kurt Krömer für mich allein dieses Hörbuch. Ich wusste grob wie er aussah und mir war nicht bewusst, dass es auch schon zu diesem Zeitpunkt verschiedene Fernsehformate gab.
So richtig änderte sich das erst, als mir meine Eltern Weihnachten 2018 eine weitere CD von Kurt Krömer schenkten. Diesmal mit dem damals aktuellen Programm „Heute stimmt alles“. Mittlerweile hatte ich mir auch zuhause angewöhnt Hörbücher zum Einschlafen anzuhören. So hörte ich auch dieses Programm jede Nacht so lange, bis ich auch hier größere Teile auswendig konnte. „Heute stimmt alles“, ist weitaus persönlicher und sorgte dafür, dass ich zum ersten Mal Kurt Krömer als eigenen Menschen richtig wahrnahm. Als ich eine Ankündigung für das nächste Programm hörte, war mir klar, dass ich ihn unbedingt einmal live sehen wollte. Der Termin von November 2019 verschob sich durch eine ungünstig gelegene Klassenfahrt und eine noch viel ungünstigere Corona Pandemie auf September 2020, umso mehr freute ich mich jedoch. Der Auftritt brachte mich so sehr zum Lachen, dass zum Schluss mein Eyeliner aufgrund der Tränen komplett zerlaufen war.
Neben Kurt Krömer lernte ich auch andere Komiker durch meine Eltern kennen. Das beste Beispiel ist hierfür Dieter Nuhr. Er wurde mir durch die Sendung „Nuhr im Ersten“, welche meine Eltern gerne mit mir zusammen schauten, näher gebracht. Zu Beginn reflektierte ich wenig von dem Gesagten und fand ihn ganz lustig. Doch ich orientierte mich immer weiter nach links und begann das Konzept von einem Gender-Spektrum zu verstehen, Fridays for Future zu unterstützen und sogar zu gendern. Währenddessen schien Nuhr genau das Gegenteil zu tun. Immer wieder ritt er auf genau diesen Themen rum. Vollkommen beratungsresistent ließ er sich auch beim 30. Mal nicht davon abbringen, den Unterschied zwischen sex und gender zu ignorieren nd zieht bis heute immer die gleiche „Früher – da war das ja noch einfach, da gab es Mann und Frau und das war’s. Heutzutage kann man ja auch Helikopter sein, wenn man will.“ Nummer ab. Ich verlasse mittlerweile den Raum, sobald ich sehe, dass im Fernsehen eine Sendung mit Nuhr läuft.
Dieter Nuhr ist eine Person, die ich nur oberflächlich und natürlich nie persönlich kannte. Trotzdem fühle ich mich manchmal von ihm betrogen. Er war vor Jahren nun doch mal ein Mensch, der mich geprägt hat und den ich gerne hörte. Der mich unterhielt. Zu wissen, dass meine Grundwerte in wenigen Punkten überhaupt mit seinen überschneiden, frustriert mich sehr. Es ist eine unbestimmte Wut darauf, wie sich Menschen ändern, sobald sie Privilegien erlangen. Darauf, wie Nuhr aus seiner geschützten Position mit eigener Sendung zur Primetime ohne Konsequenzen jede Woche aufs Neue sein Gedankengut verbreiten kann und somit aktiv u.a. trans Menschen das Leben schwerer macht.
Umso erleichterter bin ich immer wieder, wenn ich beobachten darf, dass Kurt Krömer nicht den gleichen Weg einschlägt. Es ist ein Gefühl, das schwer zu beschreiben ist. Zu wissen, dass diese für meine Persönlichkeit sehr prägende Person mir nicht in den Rücken fallen wird, bedeutet mir sehr viel. Ich kann ohne schlechtes Gewissen und ständiger Frustration den content genießen. An Stelle von jemandem, der Geschlechterrollen explizit bewirbt und lebt, konnte ich beobachten, wie Krömer begann Nagellack zu tragen, aus dem einfachen Grund, dass es ihm gefiel. In seiner Sendung „Chez Krömer“ bot er mit dem Besuch der Transvestiekünstlerin Jacky-Oh Weinhaus der LGBTQ+ Community Sichtbarkeit. Im Mittelpunkt stand dort der klare Bildungsauftrag, der sich an alle Zuschauenden richtete. Zusätzlich wurde dort auch Krömers Standpunkt als Person, die selbst wenige Berührungspunkte mit der queeren Community hat, jedoch bereit dazu ist, den eigenen Horizont zu erweitern, deutlich sichtbar. Er stellt sich nicht als perfekter Vorzeige-Aktivist dar, sondern erkennt seine eigenen Privilegien und daraus entstehenden Wissenslücken.
Neben dem Support für die LGBTQ+ Community steht natürlich auch Kurt Krömers Aufklärungsarbeit zum Thema Depression im Mittelpunkt. Am 22. März 2021 bekannte Krömer sich in der „Chez Krömer“ Folge mit Torsten Sträter öffentlich zu seinen Depressionen. Die Resonanz bestand aus so viel positives Feedback von Personen, die ihm nachfühlen konnten, dass er sich dazu entschied, ein Buch über die gesamte Geschichte zu schreiben. „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression“ dominiert auch noch ein halbes Jahr nach Release die Spiegel Bestsellerliste. Es bedient eine Bandbreite von Themen über Kindheitstrauma zu Alkoholsucht und Klinikaufenthalt bis zu Erektionsstörungen und ist dabei zwar ehrlich, aber trotzdem amüsant. Ich kann jedem nur empfehlen, es zu lesen oder hören.