Was kann mensch im Baumarkt über Diskriminierung lernen? Eine ganze Menge! Begleitet Mehdi auf seinem Streifzug durch die Zollstockabteilung und lasst euch überraschen…
Ich war vor einigen Tagen im Baumarkt, um mit einer Freundin Lampen für ihre neue Wohnung zu kaufen. Als wir an der Kasse ankamen, bemerkte ich Zollstöcke in unterschiedlichen Farben, die alle mit Namen versehen waren. Ich war direkt neugierig und stöberte in dem Stapel rum. Die Zollstöcke waren weiß und hatten Namen wie Chris, Björn, Peter und Jan. Die erste Frage, die mir durch den Kopf schoss, war, wieso da nicht Hasan, Ali, Ozan oder von mir aus auch Mehdi steht?! Lohnt es sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht, weil es in Hagen zu wenig Menschen mit Migrationsvordergrund gibt (was eigentlich laut Statistik nicht sein kann) oder traut man uns den Umgang mit einem Zollstock nicht zu?
Kein Zollstock für Derya
Was ich jedoch persönlich noch befremdlicher fand, war die Tatsache, dass auf den Maßinstrumenten keine Frauennamen vorhanden waren. Weder Angelika, Tanja noch Anna, geschweige denn Derya, Beyza oder eine Salma. Woraus ich schließen müsste, dass Frauen, ähnlich wie wir Menschen mit nicht europäisch klingenden Namen, nichts mit einem Zollstock anfangen können. Die Zielgruppe waren ausschließlich weiße Deutsche Männer (dies ist lediglich ein politischer Begriff und hat nichts mit der Hautfarbe zu tun).
Pink ist ein Anfang
Kaum dachte ich den Gedanken zu Ende, erblickte ich hinter den weißen Zollstöcken einen weiteren Stapel Zollstöcke, die jedoch im Gegensatz zu den anderen sehr bunt waren. Ich sprach leise, aber trotzdem laut genug, dass meine Freundin es hören konnte. „Vielleicht stehen ja die Frauennamen auf den bunten Zollstöcken“. Klar, dachte ich weiter, Pink, Rosa und Lila haben nichts mit dem Geschlecht zu tun, es sind lediglich Zuschreibungen. Aber immerhin haben sie diesmal an die Frauen gedacht. Zumindest ein guter Anfang. Meine anfängliche Wut wisch prompt dem Gefühl, dass die Hersteller dieser Maßinstrumente nicht alles falsch gemacht haben. Außer natürlich die Farbwahl und die damit verbundenen Zuschreibungen und die Tatsache, dass ein großer Teil der Bevölkerung ausgeschlossen wurde. Ich nahm einen pinken Zollstock in die Hand und war sehr gespannt, welcher Frauenname diesen wohl zieren würde.
Als ich mir das dann genauer angesehen habe, fiel ich fast vom Glauben ab. Ich habe keine Frauennamen gesehen, vielmehr standen auf den Holzstäben abwertende Bemerkungen wie Tussiworker oder nur Tussi, Pussyqueen und Selfmaker, welches mit einem Herzchen versehen und dessen sexuelle Anspielung nur allzu offensichtlich war. Ich regte mich sofort und lautstark darüber auf. Meine Freundin versuchte mich zu beruhigen und sagte, dies sei ja nichts Neues, ich solle mich doch bitte beruhigen.
Nein zum „Tussiworker“
Eine Frau Mitte vierzig, die offensichtlich großen Wert auf gute Kleidung legte und die hinter uns an der Kasse stand, meinte, es gebe durchaus Schlimmeres im Hinblick auf die Diskriminierungen von Frauen. Und sie sähe noch größere Probleme in dem Bereich als diese „Kleinigkeit“. Als ich das hörte, regte mich das nur noch mehr auf, und ich sagte zu ihr, ohne meine höfliche und respektvolle Art dabei aus den Augen zu verlieren: „Dann fangen sie doch mal mit den „Kleinigkeiten“ an. Wenn wir schon an diesen „Kleinigkeiten“ scheitern, weil sich kaum jemand darüber aufregt, wie sind die „großen Dinge“ dann überhaupt möglich?!“
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Schön, dass wir in Deutschland offensichtlich keine anderen oder gar wichtigeren Probleme haben.
Cool das Du jetzt auch Mehdis Problem zu deinem machst, so funktioniert ein soziales Miteinander. Vielleicht kannst Du ihm dann ja auch ein wenig bei den großen Problemen helfen. LG
Super! Gemeinsam packen wir es an :-)
Danke für diese genaue und differenzierte Beobachtung und Überlegung zu einem scheinbar banalen Thema. Davon brauchen wir im Alltag sehr viel mehr.
Danke für den tollen Artikel! Über die blöden Dinger habe ich mich gestern auch schon gewundert. Dass so ein Produkt auf den Markt kommt, zeigt doch viel über die Denkstrukturen in unserer Gesellschaft, in der Migranten und Frauen so oft nicht die Norm sind. Und es ist oftmals das Kleine, was in der Summe dann einen großen Unterschied macht. Also, mich hats sehr gefreut!
Tolle Geschichte, gratuliere! Und klug zu Ende gedacht. Ich denke auch: Wir haben die großen Probleme, weil viele davon im Kleinen zumeist unbeachtet sind, dort aber angelegt werden. Und das trifft vor allem die Zuschreibungen aufgrund des Geschlechts und die Missachtung der vermeintlichen Migrantinnen und Migranten. Und das ist zum Aufregen!
ach und da steht doch chica und tussi... habt mal humor !