Frauen in Burkina Faso - unterdrückt und doch selbstbewusst

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(c) Christian Costeaux:  Burkina Faso  (CC BY 2.0)

Lilith hielt sich im Januar diesen Jahres einen Monat lang in Garango im in Westafrika gelegenen Land Burkina Faso auf. Dort half sie an Schulen, Krankenunterstützungsstationen und in einem Waisenhaus. In diesem Artikel berichtet sie von ihrem Eindruck in Hinblick auf die Gleichbehandlung der Geschlechter in einem der ärmsten Länder der Welt.

Während viele meiner anderen Artikel sehr zahlen- und faktenlastig sind, ist es wichtig zu Beginn dieses Textes anzuführen, dass ich hier besonders meine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen zum Ausdruck bringe, die ich während meines einmonatigen Aufenthalts in Burkina Faso gemacht habe. Meine Beobachtungen, die sich besonders auf Garango und Umgebung beziehen, können selbstverständlich nicht auf alle Regionen Burkina Fasos übertragen werden und erst recht nicht als Pauschalangaben für ganz Afrika gesehen werden.

Arbeit

„Jedes Mal, wenn ich nach Deutschland zurückkehre, fällt mir auf einmal auf, wie viel unsere Männer eigentlich arbeiten!“ So die Worte einer Freundin, die bereits mehrmals wenige Wochen in Burkina Faso verbracht hat. Ihrer Beobachtung nach arbeiten ausschließlich die Frauen, während die Männer nur herumsitzen und sich mit Dolo, einem einheimischen alkoholischen Getränk, besaufen, oder mit Freunden ein Schwätzchen halten. Ihre weiblichen Partnerinnen hingegen schleppen das Wasser, kochen, sorgen sich um Haushalt und Kinder und arbeiten nicht selten auch noch in einem Gartenstück, falls die Familie das Glück hat, ein solches zu besitzen. Wahlweise stößt sie zu einer Frauengruppe hinzu, die Seifen, haltbaren Reis oder Babynahrung herstellen.

Von letzteren gibt es tatsächlich inzwischen nicht wenige. Immer mehr Frauen schließen sich in Gruppierungen zusammen, um in diesen eine ihrer Ideen umzusetzen. Nicht selten erstellen sie ausführliche Anträge um kleine Summen zu erhalten, die ihnen als Startkapital dienen. Mit diesem bauen sie sich ein Gebäude, in dem sie zusammenkommen können, oder sie erwerben Maschinen, die sie zur Produktherstellung benötigen.

Tatsächlich ist es aber sowohl für Männer als auch Frauen schwierig, eine bezahlte Arbeit zu finden. Ausnahmslos jeder mit dem ich rede, ganz unabhängig vom Geschlecht strebt an, Beamter zu werden. Dann habe man wenigstens ein sicheres Gehalt und auch eine Versorgung im Alter. Doch dieses glückliche Los trifft hier in Burkina Faso nur sehr wenige. Ansonsten klagen alle über die Perspektivlosigkeit für Männer wie Frauen. Was soll ich später mal werden? Den Kindern fallen dazu nur Arzt, Schneider und Lehrer ein. Andere Berufe kennen sie nicht.

Nun aber zurück zu dem Urteil meiner Bekannten. Tatsächlich fällt auch mir auf, dass die Frauen insgesamt auf dem Feld, in der Familie sowie auf dem Markt oder als Schneiderinnen, deutlich aktiver sind, als die Männer. Dennoch kann dies nicht pauschalisiert werden und es gibt auch sehr fähig und arbeitstüchtige männliche Burkinabé. Interessant finde ich zudem, dass zwar die Feldarbeit hier eindeutig den Frauen überlassen wird, aber das in Bezug auf die anderen Berufe ein ähnlich stereotypes Denken herrscht, wie bei uns. So sind Grundschullehrer oder Kindergartengärtner fast ausnahmslos weiblich, während die älteren Schüler von mehr Männern unterrichtet werden. Auch Schreiner zu sein, oder ein Haus für die Familie zu bauen, erledigen stets die Männer.

Körperlich sind die meisten Frauen hier in Burkina Faso jedoch den Männern mindestens ebenbürtig. Selbst ohne Freizeitsport zu betreiben, kann man aufgrund des Kochens und der Bewirtschaftung der Gärten ganz ihne Gerätschaften, an ihren Oberarmen deutlich die Muskeln sehen.

Sehr interessant ist zudem, dass sich durchweg alle einer Meinung sind, was den Umgang mit Geld anbelangt: Frauen seien dabei deutlich gründlicher, ehrlicher und rationaler. Es ist daher auch kein Zufall, dass alle Schatzmeister, die ich in Burkina Faso treffe, egal von welcher Gruppierung oder Vereinigung, weiblich sind.

Bildung

„35 Mädchen, 32 Jungen, 0 fehlend“ steht in der Ecke rechts oben an der Tafel, in der jeden Tag die Anwesenheit festgehalten wird. Heute ist die Klasse wie so häufig vollzählig. Was jedoch noch mehr auffällt – das Geschlechterverhältnis am Gymnasium hat sich innerhalb der letzten fünf bis zehn Jahre enorm verändert. „Inzwischen sind in unseren „Bac“ (in etwa unserem deutschen Abitur entsprechend)- Klassen teilweise sogar mehr Mädchen als Jungen“ bestätigt mir der Lehrer, der mich an diesem Tag durch die Schulräume begleitet, dass es sich bei den Zahlen an dieser spezifischen Tafel nicht nur um einen Ausnahmefall handelt.

Zum einen hängt der gestiegene Mädchenanteil in den Klassen mit der eingeführten Schulpflicht zusammen. Zum anderen vom gesellschaftlichen Bild. Zumindest in den Städten gewinnen die Frauen hier in Burkina Faso, immer mehr an Selbstbewusstsein und werden in vielen Bereichen heute deutlich gleicher behandelt, als noch vor wenigen Jahren.

Hochzeit

Gesetzlich ist eine Eheschließung für Mädchen erst ab Vollendung des 17. Lebensjahr, für Jungen erst nach Ende des 20. erlaubt. Alleine diese Regelung empfinde ich bereits als ungerecht. Warum bitte dürfen die Mädchen bereits in einem jüngeren Alter dem Heiratswillen ihrer Eltern zum Opfer fallen, als Jungen? Aber damit nicht genug, denn wir könnten uns schon glücklich schätzen, wenn diese Regelung überhaupt eingehalten würde. Denn was in den meisten Familien als Eheschließung zählt ist nicht die staatliche Hochzeit oder der Eintrag als Ehepaar – sondern vielmehr die traditionelle oder religiöse Zeremonie und diese kann natürlich ganz unbeeindruckt vom Gesetz in jedem Alter durchgeführt werden.

Sowohl wenn ich mit den Ordensschwestern aus Garango spreche als auch meinen dort kennengelernten Freunden, die sich in meinem Alter befinden und die Abschlussklasse des lycées besuchen, wirkte Burkina Faso richtig modern. Sie erzählten, dass sie sich ihren Freund bzw. ihre Freundin vollkommen frei auswählen und den Zeitpunkt ihrer Hochzeit selbst festlegen dürften. Die meisten versprechen sich, während der Studienzeit einen Lebenspartner zu finden. Das einzige, was auffällt: wenn mir einmal wieder Heiratsanträge gemacht werden (während meines einmonatigen Aufenthaltes um die 100 Stück), und ich darauf mit der Antwort „Dann musst du aber noch 12 Jahre warten, bis ich 30 Jahre alt bin“, waren alle recht empört. 30 fanden dann doch alle zu alt für eine Hochzeit. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass die Menschen hier in Burkina Faso kürzer Leben. Um noch ausreichend Zeit mit seinem Ehepartner zu verbringen, muss man sich eben rechtzeitig an ihn binden. Trotzdem reagieren die Jugendlichen hier in Garango, einer städtischen Region, sehr aufgeschlossen für das Thema Liebe, Beziehung und Hochzeit und wirken sehr selbstbewusst in ihrer Forderung, diese Themen ohne Mitbestimmung der Eltern klären zu können.

Wenden wir den Blick aufs Land, ergibt sich jedoch noch einmal eine ganz andere Situation. Nicht nur sprechen hier die wenigsten Frauen Französisch, auch Kinderhochzeiten sind keine Seltenheit. Auch durch ein Patenschaftsprogramm, bei dem ich mithelfe und bei dem Deutsche jährlich das Schulgeld für Kinder in Burkina Faso zahlen, bekomme ich immer wieder davon mit. Nicht häufig, aber doch ab und an kommt es vor, dass eine Teilnehmerin aus dem Programm aussteigen muss, weil sie verheiratet wurde, oder schwanger ist. Warum diese Veränderung direkt zum Projektausschluss führt? Weil mit diesen Ereignissen fast immer ein Ausstieg aus der Schule einhergeht, und die Patenschaftsförderung eben nun einmal auf die Bildungsfinanzierung fokussiert ist. Frauen müssen also je nachdem wo sie in Burkina Faso aufwachsen, immer noch mit einer Hochzeit und/oder Schwangerschaft im Alter zwischen 13-17 rechnen. Mit einem Mann, den sie zuvor kaum kennengelernt haben.

Häusliche Gewalt

Diese musste ich zum Glück während meines gesamten Monats Aufenthalt in Afrika nicht mit eigenen Augen ansehen. Was mir aber sehr viele Mädchen und junge Frauen berichten: sie sind eindeutig glücklich darüber, Single zu sein, weil die Männer oft doch sowieso nur zuschlagen würden – so ihre einheitliche Aussage. Ob dies aufgrund eines von vorneherein hohen Aggressionspotentials geschieht, oder nach einem erhöhten Dolokonsum spielt dann auch keine Rolle mehr. Sie äußern mir gegenüber durchweg das Bild des ungerechten Ehemannes, der im schlimmsten Fall bei Streitereien auch noch das Bestimmungsrecht über die Kinder behält. Selbst männliche Mitschüler der Abitursklasse, die ich mehrmals besuche, beschreiben mir gegenüber dieses Bild des Durchschnittsburkinabé. Besonders auf dem Land werden die Frauen auch tatsächlich zu Hause noch stark unterdrückt und wissen sich nicht zur Wehr zu setzen.

Beschneidung

Auch hier gilt: in der Stadt werden Mädchen heutzutage kaum mehr beschnitten. Auch viele der Jugendlichen, mit denen ich über das Thema spreche, sind der Überzeugung, dass Beschneidung veraltet sei und keine Rolle mehr in ihrem Land spiele. Betrachtet man jedoch das gesamte Land, so stellt man fest, dass doch noch viele weibliche Burkinabé diesen schrecklichen Eingriff in ihrer Kindheit über sich ergehen lassen müssen. Das Stadt-Land gefällte, bei dem in Regionen, die letzterem zugehörig sind, deutlich traditioneller gelebt und geglaubt wird, muss um dies zu verändern noch eindeutig einiges an Arbeit geleistet werden.

Beachten muss man gerade im direkten Gespräch auch, dass viele Menschen über dieses Thema schlichtweg nicht reden möchten. So ist es nicht weiter verwunderlich, wenn sie möglichst schnell und etwas für ihr Gegenüber befriedigend Erscheinendes antworten, um diesen seltsamen Hellhäutigen möglichst schnell loszuwerden.

Medien

Was mich sehr überrascht, ist der offene Umgang mit nackter Haut und Emanzipation im Fernsehen. Immer und überall läuft dieses Gerät heutzutage, was mich meist nur nervt, manchmal ist aber doch etwas Interessantes dabei. Eines Sonntagnachmittags z.B. läuft im Haus des Gastgebers nebenher eine Serie, in der die Mutter und der Bruder einer Frau Ende 20 als Folge ihres Verdachts mit dieser darüber reden, ob sie von ihrem Mann geschlagen wird. Sie setzen sich enorm für diese junge Frau ein und verurteilen ihren gewalttätigen Ehemann. Vor einigen Jahrzehnten wäre ein solcher Handlungsverlauf überhaupt nicht möglich gewesen. Damals war das Schlagen noch weit verbreitet und zählte nicht nur zu den Befugnissen, sondern sogar Pflichten eines jeden Mannes, um Kinder und Frau „zu erziehen“. Auch über Werbespots und Musikvideos zeige ich mich erstaunt. Dort wird massenhaft Körper in kurzer, enganliegender Kleidung gezeigt, bauchfreie Mädchen tanzen auf dem Bildschirm umher – in einem Land, in dem jede Frau auf den Straßen auch heute noch darauf achtet, mindestens bis hin zu den Knien verdeckt zu sein!

Informationsstand und Aufklärung

Einige der bereits oben genannten Frauengruppen setzen ihr mit den eigenen Produkten erwirtschaftetes Geld nicht dafür ein, ihre Familie zu ernähren, sondern um Informationsveranstaltungen zu finanzieren. Sie bieten Alphabetisierungskurse für erwachsene Frauen an, ziehen mit Informationsplakaten in umliegende Ortschaften und informieren vor Ort über die Rechte, die jede Frau innehat, über Geschlechtskrankheiten und Verhütungsmethoden, sowie Gefahren während der Schwangerschaft und bei der Geburt. Dies ist bereits ein erster Ansatz, macht aber auch offensichtlich, dass die eigenen Anstrengungen der Regierung bei weitem nicht ausreichen. Diese unternimmt nämlich gerade im Bereich der sexuellen Bildung kaum etwas – außer neben jedes Ortsschild ein Plakat aufzustellen, auf dem die Vorbeifahrenden an das Verbot der Mädchenbeschneidung erinnert werden. Informationsmangel herrscht auch hier wiederum sehr stark auf dem Land. In den Städten, besonders an den Universitäten in der Hauptstadt Ouagadougou findet man daher auch die deutlich selbstbewussteren Frauen, die sich nicht so leicht unterdrücken lassen und an der Universität den Jungen zum Mann wählen, der ihnen gefällt.

Festzuhalten bleibt, dass mich die Lage der Frauen tatsächlich eher positiv überrascht hat. Dennoch muss erwähnt bleiben, dass sich viele Menschen in Burkina Faso in großer Armut und in einer sehr schwierigen Lage befinden. Besonders betrifft dies auch heute noch Frauen, speziell in den ländlichen Regionen, sodass in Zukunft noch viele Anstrengungen unternommen werden müssen, um diese Lage zu verbessern und diese ungerechten Verhältnisse aus dem Weg zu schaffen. Dabei muss stets ein Mittelweg gefunden werden. Denn viele Einheimische verurteilen es, wenn die aus dem Westen kommenden, ihre angeblichen Weisheiten, ihre Gleichberechtigung und ihr „besseres“ soziales System ihnen künstlich aufstülpen wollen.

 

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1999 geboren in Heppenheim, aufgewachsen in Hessen und Baden-Württemberg und inzwischen wohnhaft in Dresden. Deutschland habe ich inzwischen durch viele Hobbies im Bereich Musik, Sport, Poetry Slam und Wissenschaft recht gut kennengelernt, doch noch spannender als die regionalen Reisen sind die vielen Begegnungen und Erlebnisse, die ich dabei gesammelt habe. Mein Testgelände ist eine super Sache, um festzuhalten, was mich auf meinen Reisen bewegt, einige der Personen mit ihren spannenden Geschichten vorzustellen und euch Teil von Recherchen werden zu lassen, die mich brennend interessieren. Hier kann sich jeder trauen, das zu schreiben, was ihn bedrückt. Und somit: Viel Spaß beim Lesen, Hören und Schreiben!