Haszcara im Interview // Teil 1

Haszcara
Malte Doerge  80A5095-1-300x200.jpg

Wir haben Haszcara an einem schönen Herbsttag in einem Café in Berlin getroffen. In entspannter Atmosphäre haben wir mit der Rapperin über ihre Anfänge als Rapperin, ihre Teilnahme am VBT (Video Battle Turnier), Youtube Hate, Sexismus und Feminismus unterhalten. Und nebenbei auch noch über ihre Musik und ihr erstes Soloalbum gesprochen. Heute gibt es den ersten Teil des Interviews.

Hallo Haszcara, schön dass es mit dem Treffen geklappt hat. Erzähl doch zum Einstieg mal von deinen Anfängen als Rapperin.

Das ist ein bisschen schwierig, weil es nicht den einen Moment gab. Ich hab schon in der Grundschule Raptexte geschrieben oder irgendwo mitgerappt, dann aber auch lange Zeit nichts mehr gemacht. Aber es gab den Moment, wo ich als Haszcara angefangen hab und auch etwas ernster genommen hab, auch mich als Rapperin ernst genommen hab. Das war so Ende 2014, als ich mitbekommen hab, dass es eine neue Runde des VBT gibt. Da habe ich dann Anfang 2015 die Quali eingereicht und mir auch den Künstlerinnennamen überlegt, ich hatte vorher nur einen als Singer/Songwriterin.

Wie lief die Quali dann ab? Beats und Video, hast du das alles selbst gemacht?

Voll, voll. Ich hab über Facebook gefragt, ob ich irgendwo aufnehmen kann. Da gab es dann Kontakt zu meiner alten Metalband. Einer davon hatte ein Mic im Kinderzimmer, ganz oldschool mit Kleiderbügel und Strumpfhose. Ein anderer aus der Band hat dann noch einen Beat gehabt und ich hab aufgenommen. Für das Video habe ich dann wieder über Facebook gefragt, da wurde jemand verlinkt, den kannte ich selbst nicht. Der hatte Bock und dann haben wir das Video gedreht. Ich bin so dankbar, dass Leute sich einfach dazu entschieden haben, mir zu helfen, selbst wenn sie mich nur flüchtig kannten. Die weiteren Runden durfte ich dann bei Disscut im Studio aufnehmen. 

Im Jahr darauf hast du dann einen Diss gegen das VBT geschrieben?

Nee, also ja. Eigentlich war das eine Qualifikation, ich wollte schon mitmachen. Denn was mich am Battle fasziniert hat, ist, wie Beleidigungen funktionieren. Und da wollte ich die Grenzen testen und hab deswegen das geschrieben, was ich geschrieben habe. Ich wollte mitmachen, aber eben anders. In dem Jahr war das dann nicht mehr so, dass alle mitmachen konnten, sondern es eine Vorauswahl gab und ich wurde abgelehnt. Die Begründung war „bisschen zu viel Politik und zu wenig Battle.“ Und dann habe ich es eben selber hochgeladen.

Und auf die Frage, wie Beleidigungen im Rap funktionieren, hast du da eine Antwort drauf gefunden?

Jein. Ich hab sogar mal eine Hausarbeit darüber geschrieben, weils mich so interessiert hat. Da habe ich das Battle zwischen Karate Andi und Main Moe bei Rap am Mittwoch analysiert. Ich hab viel gelesen dazu, bspw. „20 Jahre Hip Hop in Deutschland“, von Hannes Loh und Murat Güngür oder „Fear of a kanak planet“. Die haben schon vor Jahren analysiert, dass das Dissen im Battlerap anhand von gesellschaftlich benachteiligten Eigenschaften geschieht Und dort wurde festgestellt, dass das Schlechtmachen sich dadurch vollzieht, dass Vergleiche zu Menschen, die gesellschaftlich schlechter dastehen (z.B. Frauen, Homosexuelle) genutzt werden und das Selbsterhöhende über Referenzen zu bspw. Diktatoren abläuft. Dort wurde auch beschrieben, dass sich die Tabubrüche, mit denen im Rap gearbeitet wird, immer weiter steigern und immer krasser werden. Das Battle, was ich analysiert habe, war zum Teil eine Ausnahme und das war mega spannend. Die Art und Weise, wie Karate Andy sich darstellt, als Hartz4 Empfänger, Drogenjunkie usw., da ist irgendwie noch mehr als diese einfache Dichotomie von „Ich bin besser als du.“ Bei ihm merkt man auch, dass er das Publikum im Griff hat, also sympathisch rüber kommt und er sich selbst nicht so ernst nimmt. Was ich dann gemerkt habe ist, dass zu einem Battle noch mehr gehört, als den Gegenüber schlecht zu machen. Wortwitz, Kreativität und Spontanität sind da ganz wichtige Aspekte. Ich konnte mir die Frage also nicht zu 100 % beantworten, aber ich bin der Frage schon näher gekommen.

Und wie konntest du das auf deine Battles übertragen?

Ich habe da gemerkt, dass meine Battles nicht als genug punchend wahrgenommen wurden, weil ich nicht so harte Worte benutzt habe, oder ich einfach anders gebattlet habe. Ich wurde oft als die Streichelbattlerapperin bezeichnet. Aber ich habe schon erreichen können, und das ist eigentlich, was ich wollte, dass die Leute sich fragen, wieso ist „Du bist schwul“ eine Punchline und „Du bist homophob“ nicht? Was ist das Punchende? Und das hat mit gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun, aber auch mit dem politischen Bewusstsein der Leute. Ein Beispiel von einem Battle, da hat jemand eine antisemitische Aussage gemacht und wurde dafür heftig ausgebuht. Es gibt also schon irgendwo eine Grenze. Ich finde das Thema super spannend und ich finde es auch sehr spannend, sich in einem selbstgewählten und geschützten Rahmen zu beleidigen. Es ist eben schon was anderes, wenn ich einen expliziten Gegner habe, den ich für das dissen kann, was ich sehe, als wenn ich auf Albumlänge wahllos Frauen und Schwule beleidige.

Was wären denn für dich Grenzen im Battle Rap?

Gute Frage. Ich für meinen Teil bin sehr tolerant für eine Feministin. Was mir einfach wichtig ist, ist, dass die Leute peilen, was sie sagen. Also wissen, was das auch wirklich heißt und nicht wahllos Mütter beleidigen, obwohl sie 16 sind. Das finde ich dann nicht nur scheiße, sondern auch whack – einfach aus der Rapperspektive. Wenn man Witz mitbringt, kreativ ist, wenn man Punchlines mitbringt, wenn man unvorhersehbare Sachen sagt – von mir aus beleidige meine Mutter, ist mir egal. Da ist es echt schwer zu greifen, was die Grenze ist. Und an der Stelle, um auf den Erfolg von Punchlines zurück zu kommen, geht es auch darum, wer etwas sagt und wie er oder sie das sagt. Da gibt es Leute, die finde ich einfach nur schlecht und Leute, die finde ich geil, obwohl die beide im Endeffekt das gleiche sagen. Es kommt eben ganz oft darauf an, wie ist die Person sonst so drauf, was vermittelt sie, wie verhält sie sich? Ich hatte das auch auf dem Track „Hanna Montana“ vom neuen Album, da habe ich die Zeile „Abi machen ist gar nicht so schwer wie sie sagen / du musst nur manchmal deiner Lehrkraft einen blasen.“ Und Leute, die Rap hören, peilen das, auf der anderen Seite habe ich Nachrichten bekommen, in denen Leute meinten „Oh Gott, musstest du wirklich deinem Lehrer einen blasen?“ Für mich ging es einfach um den Reim und ein Synonym dafür, jemandem in den Arsch zu kriechen, so, wie jeden Tag einen Apfel mitbringen.

Da geht es dann ja auch viel um Sprache. Ist das für dich wichtig, auch als Hörerin von Rap Musik, aber auch als Artist, dass die Sprache provokant ist?

Nö, das nicht. Aber es ist wichtig, dass es sich natürlich anhört. Dass die Leute eben so rappen wie sie reden. Nicht so geschwollen oder künstlich Straße. Eben authentisch, das mag ich auch bei anderen. Aber manchmal wird es mir einfach zu dumm, wenn es dann zu sexistisch ist. Dann mach ich es halt einfach aus. Da kommt es eben auch wieder sehr auf die Künstlerin, den Künstler an.

Gibt es so ein Guilty Pleasure für dich im Rap?

Auf jeden Fall 187 Straßenbande, zum Beispiel.

Hast du eine Idee, warum das bei denen so funktioniert? Das sie irgendwie anziehend wirken, die Texte teilweise aber schon zweifelhaft sind?

Ja, weil sie so unverkrampft sind und jeder der ne schlechte Zeit durchgemacht hat, egal, ob schwierige Familienverhältnisse oder ne Zeit im Gefängnis, der wird die Texte fühlen. Zumindest ist das bei mir so. Und die repräsentieren einfach Erfolg, Style und diese Scheißegal-Haltung. Ich glaube, dem eifern viele nach.

187 Straßenbande ist ein gutes Beispiel; Bist du der Meinung, dass mit dem Erfolg auch eine gewisse Verantwortung für die Künster_innen einher geht?

Schon, auf jeden Fall. Es ist ja auch eine Chance. Wenn ich erfolgreich bin, hören mir junge Menschen zu und nehmen mich ernst. Dann finde ich es schon sinnvoll, eine gute Message zu verbreiten oder was cooles auf die Beine zu stellen . Den neuen Track von Eko (Aber) hab ich zum Beispiel sehr gefeiert, oder so Aktionen von Nura, die AfD Plakate abgerissen hat oder auch das Benefitzkonzert in Chemnitz. Man muss sich positionieren.

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Moin! Ich bin Haszcara aus Göttingen und arbeite bei meinTestgelände mit, weil ich es wichtig finde, eine Plattform zu unterstützen, die sich für Geschlechtervielfalt und Gerechtigkeit einsetzt. Außerdem liegt es mir am Herzen, emanzipatorische Inhalte zu verbreiten.