Frau sein für einen Tag

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(c) Lydia:  Female  (CC BY 2.0)

Mehdi Ramadan hat sich die Frage aller Fragen gestellt: Wie wäre es, für einen Tag eine Frau zu sein? Ein Gedankenspiel, aus dem wir alle etwas lernen können.

Wie wäre es eine Frau zu sein? Das haben sich bestimmt 90% aller Männer, die ich kennen gelernt habe, gefragt. Das habe ich mich natürlich auch schon gefragt: Ich wäre wunderschön oder würde alle Männer um den Finger wickeln, denken sich die meisten. Doch wie sieht die Realität aus? Wie sieht so der Alltag einer Frau aus?

Es ist ein typischer Dienstagmorgen. Ich stehe um 6:30 Uhr auf um mich für die Arbeit fertig zu machen. Duschen um keine fettigen Haare zu haben, weil das von meiner Gesellschaft erwartet wird. 7 Uhr eine Banane und ein Kaffee; auch, wenn ich Zuhause bin, pass ich auf, wie ich die Banane esse und verzichte auf Milch und Zucker, ich muss nämlich auf meine Linie achten, sagt zumindest mein Freund. Ich schaue aus dem Fenster… es sind milde 20 Grad. Es wird also nachmittags warm werden, ich schaue also in meinen Schrank und nehme das schönste Sommerkleid raus, was meine Augen erblicken und bemerke erst die lüsternen Blicke meines Nachbarn aus dem Haus gegenüber. Schminken um dem von mir erwarteten Schönheitsbild gerecht zu werden.  8 Uhr, der Bus kommt in 5 Minuten und ich verlasse meine Wohnung um zur Arbeit zu fahren. Die Pfiffe der Bauarbeiter an der Straße sind kaum zu überhören und die Sprüche schwer zu ignorieren „Zeig doch mal, was du unter deinem Kleid hast“ oder „ey, Baby, soll ich mal bei dir ein Rohr verlegen?“ An der Bushaltestelle ist wieder der Nachbar, der seine Augen nicht von mir lassen kann, dieses unangenehme Starren, was einem das Gefühl gibt, nackt zu sein. Wir steigen alle in den Bus 512 Richtung Stadtmitte. Wie gewöhnlich pressen sich die Menschen in den Bus um rechtzeitig zum gewünschten Ort zu kommen. Überall diese unangenehmen Gerüche und natürlich versehentlichen Berührungen, die bei der Busfahrt zu ertragen sind. Um 9 Uhr beginnt die Arbeit. Die Frauen im Büro schauen mich an und fangen an zu flüstern, ein unangenehmes Gefühl kommt hoch und ich gehe zu meinem Platz. Ich bin Abteilungsleiterin in einer großen Firma für Baubedarf. Ich habe mir meinen Posten hart erarbeiten müssen und wurde dann trotzdem nur befördert, weil mein Vorgänger zurecht der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde. Weil es Mangel an Beweisen gab, wurde er dennoch freigesprochen und ist nun Personalchef in einer anderen Abteilung. Es ist 13 Uhr und somit Mittagspause. Ich gehe zum McDonalds und hole mir einen Salat. Den Blicken der gierigen alten Männern ausgesetzt, setze ich mich draußen hin, um ein wenig Sonne zu tanken. Nach der Pause überweise ich die Löhne meiner Kollegen und Kolleginnen und bemerke den Lohnunterschied, der, wie es aussieht, geschlechterbedingt ausfällt. Im Durchschnitt verdienen die Kollegen 30% mehr als die Kolleginnen. Angeblich haben die Männer zusätzliche Arbeitsbereiche, die die Frauen nicht haben. Um 18 Uhr ist Feierabend und ich beeile mich, um nicht in den selben Bus einzusteigen wie mein unangenehmer Nachbar. Leider ist der Bus auch voll und das „versehentliche“ Berühren während der Fahrt beginnt schon wieder. Der Fernseher läuft, während ich mich abschminke und wie immer läuft sexistische Werbung: ich meine, was hat eine Pizza mit einer halb nackten Frau zu tun? Und wieder mal merke ich, wie wir Frauen im Fernsehen unterrepräsentiert sind. Abgesehen von Frauen wie die aus Germany Next Top Model oder Frauentausch. Ich meine, wieso gibt es nicht sowas wie Europas next Marie Curie oder Stark wie Sophie? Das wären Sendungen, die ich gucken würde. Mein Handy klingelt und ich sehe eine News Nachricht. Frau in Indien mit Säure attackiert und der Mann bekommt recht, weil sie ja nicht willig war. Da haben wir es in Deutschland besser, nicht wahr? Wieso will dann eine AfD die Frauen noch mehr diskriminieren als sowieso schon? 21 Uhr, ich mache mich bettfertig und lese die Zeitschriften Lidl, Aldi und Real: wieso kostet ein Rasierer nur, weil er pink ist, 1 Euro mehr? Voller Ärger und Diskriminierung schläft es sich schwer, jedoch ist es ein normaler Tag in der Haut einer Frau… Nachdem ich diese Gedanken hatte, wurde mir klar, dass wir Frauen, die in solchen Alltagssituationen Gewalt und Abwertung erleben, zur Seite stehen müssen.

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