Part 2: Things are getting better

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(c) Peter Harrison:  sky  (CC BY 2.0)

Sven Schwarz schreibt über eine wichtige Zeit in seinem Leben. Darüber, wie unendlich wichtig es ist, dass Freund*innen und Familie zu einer*einem halten. Darüber, wie wichtig es ist, dass „Toleranz“ nicht nur Phrase ist, sondern auch gelebt wird. Und darüber, wie man sich oft jahrelang das Schlimmste ausmalt – und dann werden durch ein einfaches „Na und?“ alle Ängste weggepustet. Aber lest selbst:

Nach zwei Jahren ist es Zeit, eine weitere Bilanz zu ziehen.
Was habe ich erreicht? Wie geht es mir seither? Ist es schon besser geworden?
Wenn ich mir den Text durchlese, habe ich viele negative Gedanken. Gedanken, die jetzt nicht mehr negativ sind. Glücklicherweise.
Es fühlt sich so an, als würde ich meinem jüngeren Ich auf den Kopf tätscheln, so wie das Erwachsene eben lehrhaft tun. Von oben herab, mit neu gewonnener Weisheit.

Die Gedanken, die ich damals pflegte, sind anscheinend noch da. Dennoch höre ich sie wesentlich seltener. Neue Gedanken schwelgen umher und verbrauchen viel Platz. Was gut ist.
Viel negatives, was durch Unsicherheit geplagt war, fällt weg. Warum? Kann ich nicht sagen.

In zwei Jahren ist viel passiert. Das meiste an mir selbst. Ich habe mich definitiv verändert. Zum Guten, wie ich finde. Ich kann mich vollends akzeptieren und weiß, wer ich bin. Ein äußerst wichtiges Gut.

Ich konnte mich vielen Menschen öffnen. Viele Menschen, die mir halfen, helfen und helfen werden. Darüber bin ich unendlich dankbar. Was ich ohne diese machen würde? Kein Plan!

„Toleranz“ ist DAS Wort in der Gesellschaft. Jeder gibt vor, es zu haben. Nach außen, versteht sich.
Wenn ich meine „Time-line“ auf Facebook durchgehe, sehe ich viele Bilder/Videos, in denen mir eigentlich Mut zugeteilt werden sollte. Tut es aber nicht.
Mut wofür?
Brauche ich den Support von Menschen, die ich gar nicht kenne?
Schafft man den „letzten Schritt“ ohne fremde Hilfe?
Irgendwann ist man auf sich gestellt und es geht einzig und allein darum, dass es MIR gut geht.
Das ist mir in den zwei Jahren bewusst geworden.
Es MUSS mir egal sein, was andere (darüber) denken.

Ich machte mir jahrelang sorgen, was Familienmitglieder wohl zu meiner „Verkündung“ (mir fiel wirklich kein besseres Wort ein) sagen würden. Ablehnung? Desinteresse? Unverständnis? Akzeptanz? Offenheit?
Man denkt sich tausend Szenarien aus, was passieren könnte, wenn…
Ja, wenn…
Vordergründig sind natürlich negative Gedanken. Schlimme Szenarien, die meine Angst füttern und immer größer werden lassen.

Vor genau drei Tagen dann der erste Schritt. Ein wichtiger Schritt, der das Ganze wie ein Dominostein zum Anstoß verleitete.
Ein Familienmitglied weiß Bescheid.
Die Resonanz: Die schönste Antwort, die ich mir je ausdenken konnte! „Na und?“
Zwei kleine Worte, welche im Nachhinein für mich die Welt bedeuten. „Na und?“ so wie „Und das ist alles?“ …
Es wird als normal angesehen.
Na klar, das tue ich ja auch.
Trotzdem.

Ich konnte mir niemals ausmalen, wie es mir danach gehen sollte. Ich fühle mich großartig und bereit, es allen zu sagen. Es braucht seine Zeit. Dennoch bin ich gewillt.
Gewillt nun so zu leben, wie ich bin.
Lebe ich dann anders?
Ich denke, offener und lebensfroher.
Die wenigsten werden das merken.
Die einzige Person, welche dies am extremsten spürt, bin Ich. Und genau darum geht es doch.

Alles nimmt seinen Lauf. Das merke ich.
Gegen das Schicksal hat man nichts in der Hand. Man ist unbewaffnet und muss sich dem fügen, was kommt.
Ich freue mich auf das, was kommt. Ich bin bereit dafür.
Bereit neue Dinge anzugehen, die lange geschlossen und abgekapselt gewesen sind.

Rückblickend fühle ich mich reifer und bereit, mein Leben so zu leben, wie es sein soll. Unverändert und unverfälscht.

Alles unsichere wird sicher. Alles ängstliche wird stark. Alles verschwommene wird klar und deutlich. Alles verschlossene wird transparent. Alles ängstliche wird motivierend.
Alles ändert sich zum Guten. Klingt sehr euphorisch.

Der alte Text noch eher paradox und negativ, wirkt dieser schon eher euphorisch und positiv.
Zum Glück.

Ich bin glücklich darüber, Menschen zu kennen, die mit dafür verantwortlich sind.
Ich bin glücklich darüber, mich akzeptieren zu können.

Meine Gedanken dieses Mal aufzulisten fällt mir leichter. Wesentlich.

Wenn ich daran denke, dass es da draußen tausend Menschen gibt, die in einer ähnlichen Situation sind/bleiben und darin verharren, weil ihnen niemand hilft oder weil sie sich selbst scheußlich finden (da musste auch ich durch), dann wird mir ganz unwohl. Ich würde am liebsten jedem helfen.
Mir ist klar, dass jeder seinen eigenen Weg gehen muss.

Meinen habe ich gefunden. Zum Glück!
Dies zu finden hat lange genug gedauert. Geprägt aus Trauer und Freude.

Es ist gewiss kein einfacher Weg, welcher bestimmt noch die ein oder andere Ablehnung mit sich bringt. Doch erlebt die nicht jeder?

Der kleine Anteil an Freude ist gewachsen. Sehr sogar.
Ich freue mich auf meinen weiteren Weg und bin überglücklich, meine Freunde und meine Familie zu haben.

Mehr dazu:

Hallo ihr, mein Name ist Sven. Ich bin 28 Jahre alt und komme aus dem kleinen Saarland. Meine Texte beschreiben meinen Lebensweg im Alter von circa 20 bis zum 26. Lebensjahr. Diese Zeit war, wie in den Texten zu erkennen, geprägt von meinem Outing. Dies zu schreiben und zu verfassen hat mir enorm geholfen, dieses Kapitel zu bewältigen. Auch den Schritt zu gehen, meine in Wort gefassten Gedanken mit euch zu teilen und zu veröffentlichen, ist ein Teil der Bewältigung. Ich erhoffe mir damit, den ein oder anderen zu erreichen, und vielleicht sogar, im allerbesten Fall, jemandem damit zu helfen.