Zur Frau wurden wir gemacht

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(c) mbtrama:  rainbow  (CC BY 2.0)

Wir freuen uns über einen neuen Text von Ika! Ika ist Inter* und berichtet uns von Erfahrungen und aus dem Alltag, von queeren Partys und von Veränderungen. Heute geht es um ein ziemlich heikles Thema: queer-feministische Räume und Bündnisse. Denn da herrscht bei Weitem nicht immer Einigkeit und Harmonie… es gibt auch innerhalb feministischer Kreise viele Streitpunkte und eine ganze Menge auszudiskutieren. Warum es dennoch ungeheuer wichtig ist, zusammenzuhalten, das lest ihr in Ikas Text.

Im Text „No choice, no voice, no body“ ging es darum dass Inter* noch immer ungefragt von Mediziner*innen Richtung Mann oder Frau operiert oder schlecht aufgeklärt mit Hormonen behandelt werden, um bessere Männer oder Frauen zu werden. Meistens wird dabei Richtung Frau operiert oder beraten. Ganz konkret meinte ein Arzt dazu: Es ist einfacher ein Loch zu graben als einen Stab aufzurichten.

Für das Patriarchat zählt nur ein möglichst langer, erigierbarer Penis. Alles andere ist „nicht Mann“. Weil sich das Patriarchat sowieso nicht für Vulven interessiert macht es dann ja auch keinen Unterschied, wenn da bei diesen komischen Inter hier und da was anders aussieht.
Jedenfalls sind das keine echten Männer, das ist jawohl klar – also — Frauen.

Das habe ich jetzt natürlich sehr plakativ formuliert, aber im Endeffekt hat es viel mit dem Patriarchat zu tun, wie Inter* behandelt werden. Denn wenn es keine sexistische Hierarchie zwischen Männern und Frauen gäbe – dann würden Menschen „dazwischen“ nicht so sehr als Bedrohung für diese starre Ordnung angesehen werden.
Darum war es für mich als Inter* immer klar, dass ich auch Feminist*in bin.

Neben Inter* sind auch Trans* oft diskriminiert vom Zwei-Geschlechter-System. Es klingt also total logisch das Inter* und Trans* zusammen gegen die männlich/weibliche Ordnung kämpfen sollten.
Am besten unterstützt von queeren und feministischen Gruppen.
Warum sieht die Realität dann oft so ganz anders aus?
Mir sind solche Bündnisse gerade auch in Zeiten von einem allgemeinen Rechtsruck sehr wichtig.
Trotzdem möchte ich erklären warum das alles nicht immer so einfach ist.
Dazu gehe ich in der Geschichte etwas zurück.

Der Sexualwissenschaftlicher John Money machte in den 70er Jahren ein „Experiment“, um zu beweisen das Geschlecht nur anerzogen sei. Bruce und Brian Reimer kommen als eineiige Zwillinge zur Welt. Bei einer missglückten OP verliert Bruce seinen Penis und wird auf Anraten von John Money mit 21 Monaten zu Brenda operiert. Und als Mädchen großgezogen. John Money veröffentlicht darüber ein in der Fachwelt gefeiertes Buch – verschweigt aber, dass Bruce/Brenda sich später David nennt und sich nicht wohlfühlt als Frau. Noch später nehmen beide Zwillinge sich das Leben.

Viele Feminist*innen und Queers haben John Money für diesen Menschenversuch gefeiert. Er galt als fortschrittlich. Weil er ja bewiesen habe, dass Geschlecht vor allem eine soziale Kategorie ist. Tatsächlich wird sein „Experiment“ sogar zur Grundlage für die Behandlung Intergeschlechtlicher. Ist es zum Teil noch heute.
Kritisiert wird Money vor allem von Rechten, die versuchen zu behaupten Geschlecht sei eine natürliche, biologisch eindeutige, nicht veränderbare Tatsache.
Als progressive*r Inter* und Trans* Aktivist*in fühle ich mich dann oftmals wieder zwischen den Stühlen.
Mir ist klar, dass in engen rechten Weltbildern von endo-cis-hetero Kleinfamilie nie ein Platz sein kann und wird – für mich als queerer Inter*.

Ich glaube auch nicht, dass Geschlecht nur von der Biologie abhängt, sondern viel komplexer ist.
Gleichzeitig glaube ich eben auch nicht, dass Geschlecht völlig unabhängig vom Körper betrachtet werden kann.Für mich persönlich ist es eher ein komplexes Zusammenspiel von Körper und sozialer Rolle – was meine Identität ausmacht.
Manchmal fehlt mir dann in queren Kreisen eine Auseinandersetzung darüber.

Da wird dann Inter* gerne als Beispiel genommen, wie absurd dieses Cis-Hetero-Zwei-Geschlechter-Modell ist, aber was es wirklich bedeutet mit einem Körper zu leben, der nicht dem entspricht, was als Mann oder Frau gilt, ist den meisten gar nicht klar.

Oft gibt es also nur wenige Überschneidungen zwischen Inter* und anderen Queers. Ich vermute dahinter verschiedene Gründe.
Viele schwule/queere Kreise, die Verbündete sein könnten, legen zu recht Wert darauf, sex-positiv zu sein, um der Tabuisierung queerer Sexualität was entgegenzusetzen.
Für viele Inter* aber sind sehr sexualisierte Räume oft nicht so leicht zugänglich. Wer Narben hat, die weh tun beim Sex, wer gelernt hat sich für seinen Körper zu schämen, hat vielleicht gar keinen Sex. Oder keinen schnellen, spontanen.
In der queeren Großstadt, in der ich mal gewohnt hab, gab es mehrere Saunen und Clubs mit Dark Rooms, aber kein einziges gemütliches queeres Café, kein queeres Wohnzimmer.

Ich finde die Saunen und Dark Rooms wichtig als Räume queerer Emanzipation, aber sie sind oft nur für endosexuelle (nicht–Inter) zugänglich. Ich finde es darum schade, wenn sie die einzigen queeren Räume sind.

In feministischen/queerfeministischen Gruppen ist das zum Glück anders. Körper spielen nicht eine so große Rolle, auch asexuell zu sein oder Scham zu haben ist hier viel eher ok.
Dafür gibt es oft leider andere Barrieren.

Die meisten Inter*, die ich kenne, haben sehr viel zum Thema Geschlecht zu sagen. Für viele von uns gilt die feministische Erkenntnis von Simone de Beauvoir: „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“ im doppelten Sinne.

Ich bin durch Hormone, andere durch OPs, auch körperlich an das Bild einer Frau angepasst worden. Dazu dann die Erfahrung einer „weiblichen Sozialisation“.
Eigentlich sollten also Inter* in der ersten Reihe stehen, wenn es gegen das Patriarchat geht.
Aber dafür braucht es feministische und queerfeministische Gruppen, die nicht nur irgendwo ein I im Namen haben, sondern Erfahrungen von Inter* ernst nehmen. Die über diverse Körper sprechen. Diese Körper lassen sich nicht wegtheoretisieren.
Es braucht Gruppen, die mit Inter* zusammenarbeiten, auch wenn die vielleicht nicht immer die richtigen Szenecodes kennen oder eine Sprache benutzen, die selber oft noch im zwei-Geschlechter-Denken hängt. Ich glaube trotzdem das jede queerfeministische Gruppe viel von Inter* lernen kann.
Vielleicht haben nicht alle immer die richtigen Bücher gelesen. Aber wir sind Alltagsexperten im Kampf mit dem Zwei-Geschlechter-System.
Für so eine Zusammenarbeit braucht es aber auch Inter* die mutig sind. Die nicht nur unter sich bleiben. Die genug haben von einer Welt in der für sie kein Platz sein soll. Die Platz fordern und Platz nehmen. Die Bündnisse eingehen und die ganze berechtigte Trauer und Wut nicht nur gegen sich selber richten oder verdrängen.
Vielleicht kann das ein oder andere queerfeministische Buch ja auch und gerade für Inter* dabei ermutigend sein.
Mir hat es jedenfalls Mut gemacht zu lesen, dass es da draußen einige gibt – die mit den jetzigen engen Rollenbildern und Körpernormen unzufrieden sind.

Speziell Inter* und Trans*-Bündnisse sind oft ein schwieriges Thema.
Manche Inter* sind enttäuscht, fälschlich als Trans* angesehen zu werden. Das kann ich verstehen.
Manche Inter* sagen: Wie sollen wir zusammen arbeiten – wir kämpfen gegen OPs am Geschlecht – die wollen welche.
Aber so einfach ist das nicht. Manche Trans* wollen keine OPs. Manche Inter* entscheiden sich vielleicht später im Leben noch für welche.
Auch sonst denke ich – das Wichtigste bei allem bleibt doch die Selbstbestimmung über den eigenen Körper.

Darum ist es ein Problem wenn Kinder ungefragt operiert werden nur weil sie Inter* sind. Aber darum ist es genauso eine tolle Errungenschaft wenn Trans* mit OPs, für die sie sich selbst entscheiden, ein besseres Gefühl zum eigenen Körper bekommen können. Wichtig ist das alle selbst entscheiden. Am besten in einer Welt, die irgendwann damit aufhört, Menschen nach ihren Geschlechtsteilen zu sortieren. Eine Welt in der unterschiedliche Geschlechtsteile irgendwann genauso entspannt zur Kenntnis genommen werden wie unterschiedliche Schuhgrößen.

Dafür lohnt es sich doch vielleicht zusammenzuhalten.

Ich bin Ika Elvau. Weil ich selber keine Geschichten kannte von Leuten die so sind wie ich, nämlich Inter*, habe ich einfach angefangen welche zu schreiben. Ich freue mich hier auf meinTestgelände eine Plattform zu bekommen damit die Pubertät für andere, jüngere Inter* vielleicht nicht ganz so verwirrend und überfordernd wird wie für mich.