Wir freuen uns über einen neuen, spannenden Text von Ika! Auch innerhalb einer bestimmten ‚Bubble‘ kann es zu hitzigen Diskussionen und Streit kommen – selbst wenn eigentlich gegen ein und dasselbe gekämpft wird, beispielsweise das Patriarchat. Ika schreibt über Konflikte und mangelnde Solidarität zwischen trans und inter Personen. Ein wichtiger Einblick!
Im letzten Text „Zur Frau wurden wir gemacht“ ging es sehr viel um Inter* in feministischen und/oder queeren Kontexten.
Diesmal geht es um Konflikte, die zum Teil zwischen Inter* und Trans* Aktivisten auftauchen.
Für mich war immer klar, dasss ich mich als beides sehe. Also dass ich irgendwie Inter* bin , weil mein Körper nie ein typisch weiblicher Körper war und auch nie ein typisch männlicher Körper sein wird, sondern irgendwo dazwischen ist.
Gleichzeitig sehe ich mich auch als Trans*, weil auch mein psychisches Geschlecht nicht männlich oder weiblich ist.
Vor allem habe ich die Erfahrung gemacht, lange Jahre als Frau angesehen zu werden und dann irgendwann als Mann.
Trotzdem muss ich zugeben, dass es zum Teil große Unterschiede gibt in den Erfahrungen von Inter* und Trans*. Während manche Inter* am liebsten nichts mehr von Pronomen hören wollen, weil sie diese mit falschen Zuschreibungen und Anpassungversuchen verbinden, sind sie vielen Trans* Personen sehr wichtig. Für manche sind sie ein Zeichen endlich im richtigen Geschlecht wahrgenommen zu werden.
Hier scheinen mir aber die Unterschiede zwischen nicht binären Inter und binären Inter zum Teil auch sehr groß. Mit binären Inter* meine ich Leute deren Körper zwar intergeschlechtlich ist, die sich aber als Frau oder Mann definieren. Nich-binäre Inter* haben einen intergeschlechtlichen Körper und definieren sich auch weder als Mann oder Frau. Genauso gibt es binäre und nicht binäre Trans*.
Vielleicht sollten wir also nicht immer so viel darauf gucken, wo wir geschlechtermäßig herkommen, sondern wo wir hinwollen beziehungsweise wo wir jetzt sind.
Darum finde ich es schade, wenn manche Inter* so tun als würden Trans* nicht auch sehr unter dem Zwei-Geschlechter-System leiden, sondern sich das Transsein aussuchen, weil der Körper ja binär ist.
Am Ende leiden wir alle in dieser Geschlechter-Matrix, die nur 0 oder 1 kennt. Nur männlich oder weiblich.
Wir sind die 2. Oder 3. Oder 4.
Oder was auch immer.
Aber mit Sicherheit nicht vorgesehen in diesem System.
Ich bin dann hin- und hergerissen.
Ich denke – reißt euch zusammen und arbeitet alle mal zusammen.
Dann denke ich aber – wenn Leute Mist bauen, darf auch das Inter- oder Transsein keine Entschuldigung dafür sein.
Ja, natürlich ist es ein Problem, wenn auf einer Tagung von und für Inter und Trans ein Arzt eingeladen wird, der ungefragte OPs an Inter Kindern durchführt.
Weil es der gleiche Arzt ist, der jungen trans Personen bei ihren OPs hilft.
Das ist einfach unsolidarisch. Und da fällt mir dann auch nichts mehr zu ein.
Aber bei anderen Punkten, über die sich geärgert wird, frage ich mich: warum sind wir Queers mit anderen Queers immer am strengsten? Ist das auch irgendwie Selbsthass?
Kleinere Fehler sollten kein Grund zum Draufhauen auf andere Queers. Ich würd mir dann wünschen, dass wir nicht so sehr diejenigen kritisieren, die uns eigentlich sehr nah sein könnten, sondern besser mal auf dieses Patriarchat zielen.
Das ist ja immer noch da und lacht sich ins Fäustchen – wenn wir Unterdrückten mit unserer Wut und Verletzung lieber aufeinander losgehen als auf den Unterdrücker.
Für mich ist das der Typ, der mich in der Bahn auslacht, weil ich ihm zu queer bin,
oder ein Arzt, der meint, dass es okay ist, mich direkt nach meinem Sexleben auszufragen,
weil er so etwas ‚Exotisches‘ wie mich ja vorher noch nie in live gesehen hat.
Anderen Queers verzeihe ich viel mehr.
Weil ich denke – i know your struggle.
Trotzdem sind zur Zeit Trans* sichtbarer als Inter*. Da ist es wichtig dass in der Zusammenarbeit nicht die größere oder lautere Gruppe den Ton angibt. Sondern wirklich gleichberechtigt zusammengearbeitet wird.
Aber immer wieder gibt es dann Menschen, meist weiße schwule cis Männer, die denken, von den Rechten akzeptiert zu werden wenn sie sich nur laut genug von diesem ganzen ‚Gender Gaga‘ – also im Klartext von allen trans und inter Personen, allen unangepassten Queers, distanzieren.
Genauso gibt es binäre trans Personen, die nichts mit diesen ‚komischen anderen‘ trans Personen zu tun haben wollen, die sich nicht für ein Geschlecht entscheiden. Die alles dafür tun, sich an eine männliche oder weibliche Norm anzupassen und über alle anderen lachen, die nicht mitmachen können oder wollen, und die dafür auf Applaus von der cis Welt hoffen.
Es gibt Inter die denken, wenn sie nur hetero und angepasst genug sind, dann werden sie zwar immer noch bemitleidet –
aber wenigstens nicht abgelehnt. Und so weiter.
Ich sage – schaut nach Ungarn. Schaut auf Trump. Schaut auf die AfD.
Wenn jetzt wie in Ungarn ein Gesetz erlassen wird, dass nur noch das bei Geburt festgelegte Geschlecht im Pass stehen darf, betrifft das alle Trans* und Inter*.
Letztlich auch alle Queers. Auch wenn es die Inter* und Trans* als erste abbekommen.
In Polen betreffen die LGBTQI-freien Zonen schon jetzt alle.
Ich wünsche mir darum nicht-binäre-binäre-trans-inter-schwule-lesbische-bisexuelle-tunten-Queers, die sich nicht voneinander abgrenzen, sondern sich laut und deutlich von dieser Gesamtscheiße distanzieren.
Mit Gesamtscheiße meine ich hier den von Rechten angestrebten Rollback zu Geschlechter- und Familienbildern des vorletzten Jahrhunderts.
Wer wenn nicht wir sollte der Welt zeigen, dass es anders und besser geht –
als in zu engen Rollenbildern stecken zu bleiben?
Dass Sex mehr sein kann als Penentration, dass Familie mehr ist als Mutter, Vater, Kind?
Was nicht heißt, das es jetzt ein neues Dogma werden sollte möglichst Poly zu leben. Und sich gegenseitig überbieten wer den krasseren Sex hat klingt für mich mehr nach Selbstoptimierung, als nach Freiheit.
Es geht darum in sich rein zu fühlen – welche Art zu leben wirklich zu mir passt.
Spoiler Alarm 1: Das ist für verschiedene Menschen sehr unterschiedlich.
Spoiler Alarm 2: Das kann sich durchaus auch ändern.
Ich will nicht mehr darüber jammern oder traurig sein, nicht reinzupassen in dieses Zwei-Geschlechter-Konzept, sondern endlich anerkennen und feiern, dass es auch anders geht.
Dass es auch eine Freiheit ist, in all diese Schubladen nicht hineinzupassen.
Andere gehen die Lebenswege ihrer Eltern nach ohne zu fragen warum.
Für mich – für uns
gab es keine Bilder und Vorbilder.
Das war manchmal hart und schwer.
Oder einsam.
Aber immerhin gab es auch keine ausgetretenen Pfade.
Sondern viel Neues zu entdecken und probieren.
Lasst uns das zusammen feiern.
Und den Fehler nicht doch immer wieder bei uns suchen –
sondern bei denen, die uns ausgrenzen und einschränken.
Stay Queer, stay rebel, stay pride.
Mehr dazu:
- Ika hat sich noch einen Link zu WRABEL:THE VILLAGE gewünscht – hört mal in den Song rein!
- Mehr Texte von Ika gibt’s hier.