I‘m gonna live until I die

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(c) Jacob Garcia:  Candles  (CC BY 2.0)

Ika schreibt heute über ein Thema, mit dem wir alle früher oder später konfrontiert werden – kein Weg führt daran vorbei: Es geht um Tod und Trauer. Jede*r geht anders damit um, und das ist auch absolut in Ordnung. Bloß verdrängen sollten wir es nicht unbedingt. Stattdessen lieber darüber reden oder, so wie Ika: darüber schreiben.

Heute hat diese Kolumne ein etwas anderes Thema. Es soll weniger um Inter* sein gehen. Achtung – nicht erschrecken. Aber heute geht es um das Thema Tod und Trauer. Viele haben Angst vor dem Tod. Oder verdrängen den Tod.

Wir scheinen in einer Zeit und Gegend zu leben, in der für starke Gefühle wenig Platz ist.

Ständig gibt es Nachrichten über die neuesten Corona-Zahlen.

Leute wissen Infektionsraten und R-Werte. Aber Menschen sind keine Zahlen.

Selten lese ich die Geschichten hinter den Zahlen.

Von der Angst vor Corona, von der Trauer um Angehörige.

Es scheint Manchen dann wichtiger, dass „die Wirtschaft“ läuft – als dass möglichst viele gesund bleiben.

Ich glaube sogar, dass auch die ganzen Maskenverweigerer unbewusst aus Angst vor dem Tod  handeln.

Manche Menschen haben ein so zerbrechliches Ego, dass sie nicht durch ein Stück Tuch an die eigene Sterblichkeit erinnert werden wollen.

Für mich ein Zeichen dafür, dass Verdrängung im Umgang mit dem Tod und der Trauer nicht unbedingt die beste Strategie ist.

Auch wenn ich selber Verdrängung kenne.

Ich glaube aber, dass wir eigentlich auch viel vom Tod lernen können.

In einem Interview mit einem Hospiz-Mitarbeiter wurde dieser gefragt, ob sein Job nicht sehr psychisch belastend wäre und wie er das schaffen würde.

Er hat sinngemäß geantwortet, dass es ihm gut tue, das Gefühl zu haben, etwas Wichtiges zu tun. Er meinte, dass viele seiner Patienten Humor hätten und sehr dankbar seien.

Dann hat er noch betont, dass ein Satz, den er bis jetzt noch nie von den Sterbenden gehört habe lautet: Ach, wär ich doch nur früher mal länger im Büro geblieben.

Auch der Satz – hätte ich doch nur besser mal auf einen glatten Lebenslauf geachtet – wird wohl eher selten am Sterbebett zu hören sein.

Ich denke dann an die Schulzeit zurück.

Im Poesiealbum haben alle noch geschrieben – Lebe jeden Tag als wäre er dein letzter.

Aber dann kam wohl irgendwie der Alltag dazwischen.

Leute fingen an Bäume zu pflanzen, Kinder zu kriegen, eine Karriere zu machen.

Bei mir war das irgendwie anders.

Das war glaub ich kein Zufall.

Mit drei Jahren ist mein Zwillingsbruder an Krebs gestorben.

Ich hatte eigentlich ziemliche Verlustängste.

Aber auch Angst ist manchmal ein krasser Motor.

Und während ich Angst hatte, andere zu verlieren – hatte ich um mich selber wenig Angst.

Manchmal eher eine Narrenfreiheit.

Wenn das Leben offensichtlich eh jederzeit vorbei sein könnte – kann ich auch jetzt ein bisschen geniessen, anstatt vernünftig an die Zukunft zu denken. No Future – wisst ihr?

Manche verpassen aus Angst vor dem Tod ihr Leben. Ich habe eher versucht für zwei zu leben.

Manchmal war das toll – manchmal ganz schön anstrengend.

Für ein live fast, die young – und den Rockstar-Tod mit 27 – bin ich mittlerweile zu alt.

Also gewöhn ich mich besser mal daran, noch etwas länger auf dieser blauen runden Kugel durch den Raum zu reisen.

Ich muss wohl doch ein bisschen – planen – an später denken – Geduld – lernen.

Aber wenn ich daran denke – wie andere ihr Glück auf nach der Rente oder einen angeblichen Himmel – nach dem Tod verschieben. Wenn ich daran denke, wie andere ihr Leben so wenig schätzen, dass sie nie an den Punkt kommen, mal zu fragen, was ihnen eigentlich wichtig ist.

Dann bin ich doch ein bisschen froh, dass da einiges anders gelaufen ist bei mir.

Ich will hier gar nichts schön reden. Trauer ist ein unangenehmes Gefühl. Tod macht Angst. Auch Corona macht Angst und ich würde lieber nicht in Zeiten einer Pandemie leben.

Aber vielleicht ist es ein guter Zeitpunkt, damit aufzuhören, Tod und Trauer zu verdrängen.

Wir sind alle sterblich. Auch wenn der Tod nicht für alle gleich ist. Weil es viel mit den Lebensbedingungen zu tun hat, wer welche Lebenserwartung hat.

Trotzdem hat jede*r nur ein Leben.

Das könnte und sollte doch eigentlich ein Ansporn sein. Das Beste daraus zu machen.

Mehr dazu:

Ich bin Ika Elvau. Weil ich selber keine Geschichten kannte von Leuten die so sind wie ich, nämlich Inter*, habe ich einfach angefangen welche zu schreiben. Ich freue mich hier auf meinTestgelände eine Plattform zu bekommen damit die Pubertät für andere, jüngere Inter* vielleicht nicht ganz so verwirrend und überfordernd wird wie für mich.