Die blutige Wahrheit - Warum Menstruationshygieneartikel kostenfrei sein sollten

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Natracare / Unsplash

Ob nun Binden, Tampons, Menstruationstassen oder -schwämmchen: Menstruationsprodukte kosten Geld. Und zwar gar nicht mal so wenig. Das ist ein Problem, insbesondere für von Armut betroffene Menschen. In Schottland sorgt inzwischen ein Gesetz dafür, dass Hygieneprodukte kostenfrei erhältlich sind. Die Reaktionen auf diese Entscheidung und vor allem die erboste Kritik daran – zumeist von cis Männern – in den sozialen Medien hat unsere Autorin Amelie in ihrem neuen Text für euch auseinander genommen. 

Das Gesetz

Am 24. November 2020 hat das schottische Parlament ein Gesetz erlassen, welches in Zukunft kostenfreie Binden und Tampons bereitstellt. „Ich bin stolz darauf, für diese bahnbrechende Gesetzgebung gestimmt zu haben, die Schottland zum ersten Land der Welt macht, das kostenlose Menstruationsprodukte allen zur Verfügung stellt, die sie brauchen.“ Das äußerte die schottische Ministerpräsident Nicola Sturgeon, am Tag der Abstimmung. Das Gesetz sieht in Zukunft vor, dass an öffentlichen Orten wie etwa Gemeindezentren, Jugendclubs oder Apotheken Tampons und Binden kostenlos erhältlich sein sollen. Ein solches Gesetz ist bisher einmalig auf der Welt.

“Also ich bin der Meinung”

Vor allem davon ausgelöst, wurde in den sozialen Medien ein ausgiebiger Diskurs über kostenfreie Menstruationshygieneartikel freigetreten. Ob Facebook-Posts, Tweets oder Instagram-Kommentare, die vorherrschenden Gedanken schienen überall gleich und die Bildung von zwei Fronten war zu beobachten: Unterstützer*innen und Gegner*innen gerieten aneinander. In der zweiten Gruppierung ist dabei eine erstaunlich hohe Anzahl an cis-Männern zu finden, welche Kommentare wie „Wenn Frauen jetzt das kriegen, möchten wir als Männer aber auch kostenfreie Rasierer und Taschentücher.“, “Also ich finde irgendwo ist auch mal Schluss. Es kann nicht alles kostenlos geben. Was kommt als nächstes, kostenloses Toilettenpapier?“ oder „Das ist doch nur so ne feministische Scheiße, gebt lieber obdachlosen Menschen Essen. Das brauchen nämlich alle.“ hinterlassen haben.

Periodenarmut

Scheinbar ist diesen Menschen trotz mehrfacher Belehrung nicht bewusst, welch großes Problem Periodenarmut (eng. period poverty) ist. Aufgrund der teuren Monatshygiene, aber auch Nebenkosten wie Schmerztabletten und Unterwäsche müssen viele menstruierenden Menschen weltweit am Existenzminimum leben. Deshalb wurde in Schottland nach dem Motto: „Niemand sollte sich Sorgen machen, woher die nächsten Tampons kommen.”, gehandelt. Zuvor gab jede fünfte Frau in einer Studie aus 2018 an, dass sie ein Problem hätten für Hygieneartikel aufzukommen. Neben dem physischen Aspekt, dass Ersatzprodukte wie Socken, Stoffreste oder Wattebäusche viel unpraktischer und unsicherer sind, kommt aber auch die psychische Belastung dazu. Einerseits der Scham sich die “richtigen” Produkte nicht leisten zu können; andererseits die Angst etwas könnte “undicht” sein oder auslaufen. Das alles kann letztendlich dazu führen, dass Menschen während der Menstruation nicht oder nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Es scheint nun auf der Hand zu liegen, weshalb sich in Schottland so entschieden hat.

Kommentare des Grauens

Um nun nochmal auf die oben genannten Kommentare einzugehen.

“Also ich finde irgendwo ist auch mal Schluss. Es kann nicht alles kostenlos geben. Was kommt als nächstes kostenloses Toilettenpapier?

In dem Beschluss geht es vor allem um kostenfreie Hygieneartikel an öffentlichen Plätzen und auf öffentlichen Toiletten. Somit ist es gut mit Toilettenpapier zu vergleichen, welches schon längst überall in genüge vorhanden ist und als Standard angesehen wird.

„Wenn Frauen jetzt das kriegen, möchten wir als Männer aber auch kostenfreie Rasierer und Taschentücher.“

Da diesen Menschen scheinbar nicht bewusst ist, was der Unterschied zwischen Bartwuchs und einer Menstruation ist, werde ich sie hier noch einmal auflisten. Eine charakteristische Abweichung ist wohl, dass man(n) aus einem Bart nicht blutet. Zusätzlich fehlen natürlich auch Bauchkrämpfe gepaart mit anderen Symptomen wie Rückenschmerzen, Übelkeit, Appetitsverlust, Stimmungsschwankungen oder Kopfschmerzen. Um hier einen kleinen Teil genannt zu haben. Abgesehen davon gibt es auch kein strukturelles Problem im Zusammenhang mit Bartpflege, wie es in der Perioden Armut zu finden ist.

„Das ist doch nur so ne feministische Scheiße, gebt lieber obdachlosen Menschen essen. Das brauchen nämlich alle.“

Zum einen trieft das Kommentar nur so von whataboutism, bei dem auf einen anderen Missstand hingewiesen wird, um die eigentliche Aktion zu entkräften. Abgesehen davon scheint mir der kommentierende Menschen ein wenig voreingenommen dem Feminismus gegenüber. Insgesamt fand ich es bei meinem Recherche interessant zu beobachten, wie schnell sich einige cis-Männer benachteiligt fühlten. Es wird etwas entschieden und plötzlich hört man „Wir werden diskriminiert!!!!!“- Schreie aus ihren Reihen. Und das in einer Gesellschaft in der gerade sie profitieren.

Es ist Gegenteiltag

Aber ich würde sogar noch weitergehen und behaupte; wenn in der heutigen patriarchalischen Gesellschaft, Rollen getauscht werden würden (heißt Menschen mit männlichen Geschlechtsorganen menstruieren), gäbe es diese Probleme nicht. Anstatt zu tabuisieren würde es gefeiert werden, wenn man(n) seine erste Periode bekommen würde. Es wäre ein Symbol der Stärke jeden Monat die Krämpfe aushalten zu müssen. Anstelle der aktuell häufig damit verbundenen Ekelreaktion, würde offen davon gesprochen werden. Und möglicherweise wären Tampons, Binden und co. schon längst kostenlos und überall verfügbar. Dies ist jedoch nicht der Fall und deshalb möchte ich schlussendlich festhalten „no uterus no opinion“. Meinetwegen sollen sich alle Menschen die sich beschwert haben, später auch an den Tampons oder Binden ihrer Wahl bedienen. Falls in Deutschland überhaupt in den nächsten Jahren ein solches Gesetz verabschiedet wird, denn bis jetzt ändert sich für uns rein gar nichts.

Mehr dazu:

Hey, ich bin Amelie [they/them] und möchte vor allem hier um meine Gedanken zum Queersein, der Welt und eigentlich allem anderen teilen. Seit dem Tag an dem ich das Schreiben gelernt habe, nutze ich dieses Mittel um meine Gedanken auszudrücken. Manchmal kommt etwas Brauchbares dabei raus, das könnt ihr dann hier lesen :)