Wir freuen uns, euch heute einen weiteren Text aus den Einsendungen zum Jungen*-Schreibwettbewerb zu präsentieren. Ismail Rahals Beitrag „Erleben Jungen Sexismus?“ hat uns total überzeugt, räumt er darin doch mit so manchen Vorurteilen auf und hat außerdem noch Lösungsvorschläge parat. Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen!
Sexismus ist eine Art von Diskriminierung auf Basis des Geschlechts. In der heutigen Gesellschaft werden größtenteils Frauen, jedoch auch ein gewisser Prozentsatz an Männern Opfer dieser Form von Diskriminierung. Es gibt beispielsweise soziale (Grundschullehrer, Kindergärtner) oder kosmetische (Make-up-artist) Berufe, in denen Männer unterrepräsentiert sind. Aussagen wie „Männer können doch gar nicht mit Kindern umgehen.“ oder „Für Männer gehört es sich nicht, sich mit kosmetischen Themen zu beschäftigen!“ zeigen, dass Sexismus auch Männer trifft.
Ich persönlich habe schon mehrmals Situationen erlebt, die von Sexismus geprägt sind. In meiner Kindheit wurde oft zu mir gesagt, dass ein Junge nicht weinen soll, wenn er sich verletzt hat, weil er ein Junge ist und stark sein muss. In meiner Jugend habe ich einmal beim Filmschauen mit meinen Freunden bei einer traurigen Szene geweint. Daraufhin haben mich meine Freunde ausgelacht und meinten, dass ich ein Mädchen sei, wenn ich weine. Ich habe mich durch diese Situationen immer unter Druck gesetzt gefühlt, Dinge zu unterlassen, nur weil ich ein Junge bin. In ähnlichen Situationen habe ich deshalb gezwungenermaßen meine Gefühle unterdrückt und versucht nicht zu weinen, damit ich als stark wahrgenommen und nicht ausgelacht wurde.
Auch in der Kommunikation mit meinem eher konservativ denkenden Vater habe ich öfter zu hören bekommen, dass ich einer Frau meine Gefühle nicht zeigen soll. Dies begründete er damit, dass sonst die Gefahr besteht, dass die Frau die Kontrolle über den Mann gewinnt und ihn ausnutzen könnte. Durch meine jetzige Beziehung habe ich jedoch gelernt, dass es sehr wichtig ist, seiner Partnerin Emotionen zu zeigen, weil man ohne diese viele schöne Gefühle verpasst.
Nun möchte ich eine letzte Erfahrung schildern, und zwar, welche Rolle ich in dem Leben meiner Familie einnehmen soll: Weil ich der Junge/große Bruder bin, wurde ich durch die Art der Erziehung indirekt von meinen Eltern gezwungen, mich um meine Schwester zu kümmern und sie zu beschützen. Zudem sollte ich der „Boss“ sein und Dinge wie beispielsweise den Kleidungsstil oder den Freundinnenkreis meiner Schwester für sie entscheiden.
Da Sexismus in der heutigen Gesellschaft ein großes Problem darstellt, stellt sich die Frage, wie eine sexismusfreie Gesellschaft erreicht werden kann. Ich denke, dass man dafür vor allem die jüngeren Generationen in Betracht ziehen muss. Schon im Kindergarten können stereotype Geschlechterrollen vermieden werden. Beispielsweise sollte thematisiert werden, dass Jungen und Mädchen mit jedem Spielzeug spielen können, da so die Entwicklung von Geschlechterrollen, die die Basis für Sexismus darstellen, unterbrochen werden kann. Social media hat heutzutage einen großen Einfluss auf die Gesellschaft, sodass man diesen Vorteil nutzen kann, um mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Beispielsweise könnten Kampagnen, die Geschlechterrollen bewusst aufbrechen, als Werbung auf Instagram geschaltet werden, sodass alle Nutzer*innen erreicht werden.
Zudem helfen in den Schulen Projektwochen oder Werbung für außerschulische Projekte, um die Schüler*innen an das Thema Sexismus heranzuführen. Beispielsweise habe ich mich durch das Projekt „Heroes“ viel mehr und intensiver mit Sexismus auseinandergesetzt.
Insgesamt kann ich also aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass auch Männer von Sexismus betroffen sind. Häufig wurde von mir erwartet, dass ich mich beispielsweise nicht verletzlich, sondern stark zeige, weil ich ein Mann bin. Um eine sexismusfreie Gesellschaft zu erreichen, dauert es sicher noch einige Zeit, da es noch vieler Veränderungen bedarf. Jedoch könnte man den Prozess hin zu einer sexismusfreien Gesellschaft starten, indem man zunächst jüngere Generationen an das kritische Hinterfragen von Geschlechterrollen mithilfe von Kampagnen und Projekten heranführt. Diese Adressatengruppe bildet nämlich die zukünftige Gesellschaft.
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- Der Gewinner-Text des Wettbewerbs stammt aus der Feder von Nico Herrmann und trägt den Titel „Verzerrte Sicht“.