Geschlechtskrankheiten -
Bei Waffeln und Sandwiches Scheiden basteln

20220210_Geschlechtskrankheiten (Reproductive Health Supplies Coalition_Unsplash
Reproductive Health Supplies Coalition via Unsplash

„Ich denke, hier müsste noch etwas mehr von dem Material hin“, sagt Elena, […] was das wird? Eine Vagina”. Liliths Lokalgruppe ist Teil von “Mit Sicherheit verliebt” und man findet sie meistens in Schulen um Workshops durchzuführen, bei denen Themen wie Verhütung und Geschlechtskrankheiten angesprochen werden, Themen die auch heute noch oft als Tabuthemen gelten. Doch sind Geschlechtskrankheiten nicht eh etwas aus dem letzten Jahrhundert? Und HIV haben ausschließlich Schwule? Dass das gar nicht so ist, sondern sich die Zahl der Erkrankten sogar erhöht, erklärt Lilith in ihrem Text.

„Ich denke, hier müsste noch etwas mehr von dem Material hin“, sagt Elena, die gerade den Karton festhält. „Ja stimmt – warte“ ich beiße noch einmal in mein veganes Sandwich, bevor ich mir ein Stück Knete abzupfe und es ihr reiche. Im Hintergrund ertönt Weihnachtsmusik – schließlich findet an diesem Montagabend unsere Lokalgruppenweihnachtsfeier statt. Und weil wir nicht nur Leckereien genießen, sondern auch etwas schaffen wollen, basteln wir nebenbei – was das wird? Eine Vagina.

Etwas seltsam muss das für die meisten klingen – auf einer Weihnachtsfeier das weibliche Geschlechtsorgan nachbauen. Aber – wir sind schließlich auch eine besondere Gruppe. Studierende aller Fachrichtungen kommen bei uns zusammen. Unsere Lokalgruppe ist Teil der Initiative „Mit Sicherheit verliebt“ der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd). Wenn wir nicht gerade dabei sind, Materialien vorzubereiten, sind wir dort anzutreffen, wo diese zum Einsatz kommen: In Schulen.

„Das klappt sehr gut. Hier ist dein Kondomführerschein!“ Ein wenig Gekicher gibt es auch beim 20. Schüler, dem wir das kleine Dokument austeilen noch. Aber nach einigen Stunden der Aufwärmung scheint einiges an Scham und Pein bereits abgefallen zu sein. Und dennoch – bei unseren Schulworkshops merken wir stets, dass die Themen, die wir ansprechen, immer noch zu den Tabuthemen zählen. Dabei sind sie so wichtig. Gerade wenn es um Verhütung und Geschlechtskrankheiten geht.

Let’s talk about SEX – and STIs

„Mmh. Ich finde es schon sehr schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Irgendwie ist das auch in jeder Partnerschaft anders.“ „Aber jetzt einmal ganz ehrlich – wie viele Partnerinnen hast du nach ihrem STI Status gefragt, bevor du mit ihnen ins Bett gegangen bist?“ Der Geräuschpegel auf der Coach in dem Raum, in dem wir alle zwei Wochen zusammensitzen, ist merklich angestiegen. Gerade haben wir gemeinsam den TED Talk von Evelin Dacker über die STAR Methode angeschaut. Die US-Amerikanerin, die sich selbst als Sexual Health Advocate bezeichnet, empfiehlt in ihrem Vortrag, vor dem Sex wichtige Dinge zu klären. Unter anderem empfiehlt sie ganz offen darüber zu reden, was einem gefällt und was einen besonders anturned, gleichzeitig aber auch, auf was man sich lieber nicht einlassen möchte. Ein für sie noch deutlich entscheidender Aspekt ist der Austausch über den STI-Status. STI steht für sexually transmitted infections, auf Deutsch sexuell übertragbare Krankheiten. Hat jemand eine Erkältung oder Magen-Darm-Probleme, ist es meist kein Problem, dies auf eine Entschuldigung an die Lehrkräfte zu schreiben, oder sich in WhatsApp-Gruppen mit dieser Begründung von einem Präsenztreffen abzumelden. Doch wann liest man davon, dass jemand eine Pilzerkrankung, Filzläuse, oder Gonnorhö auskurieren muss? Dabei sind STIs auch heutzutage noch ein großes Problem. Weltweit soll es laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ca. 340 Mio. Neuinfizierte jährlich geben. Im Allgemeinen Volksmund herrschen andere Meinungen: Syphilis ist doch etwas aus dem letzten Jahrhundert – das bekamen im Übrigen sowieso nur die Prostituierten. Und HIV haben ausschließlich Schwule.

Geschlechtskrankheiten – Mythen und Wahrheiten

Während die Geschlechtskrankheiten früher als „Strafe Gottes für irdische Sünden“ galten, scheint einem auch heute als Betroffener noch eine gewisse Schuld zugeschrieben zu werden und man erfährt von nicht wenigen Personen eine abwertende Reaktion. Auch ist es häufig, dass ein offener Umgang mit dieser Art von Krankheiten zu einer Weigerung sexueller Handlungen des Gegenübers führen – selbst wenn bei einigen der Krankheiten mit ausreichendem Schutz keinerlei Übertragungsgefahr besteht. Unwissenheit und Verwirrung sind häufig die Gründe für derartige Reaktionen. Auch ist es wichtig, wenn man selbst betroffen ist, sich nicht zu schämen oder gleich in Panik zu verfallen. Viele der STIs sind gut behandelbar, besonders bei einer frühen Diagnose. Umso wichtiger ist es, bei Anzeichen, wie z.B. Juckreiz, Rötungen oder Schwellungen nach dem Geschlechtsverkehr schnell zum Arzt zu gehen.

Eine Mini-Übersicht

Chlamydia trachomatis finden sich besonders gerne in den Geschlechtsorganen der Deutschen. Kein Wunder, denn die Bakterien lieben feuchte, warme Gebiete, in denen sie sich einnisten können. Falls die Bakterien auch bei dir herumwuseln, klagst du über Ausfluss, Jucken, Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen – ein endgültiger Nachweis kann über einen Urintest erfolgen und über Antibiotika behandelt werden.

Auch bei einer Erkrankung mit Syphilis- oder Gonorrhoeerregern erhältst du Antibiotikum zur Heilung. Feststellen lässt sich die erstgenannte Krankheit durch eine Blutuntersuchung. Falls du dunkle Flecken oder Geschwüre bei dir entdecken solltest, weist dies stark auf eine Erkrankung mit diesem Erreger hin. Bei Genorrhoe, auch als Tripper bekannt, beobachtest du Schmerzen beim Wasserlassen, sowie einen Juck- und Brennreiz.

Genitalherpes wird durch einen Virus hervorgerufen. Jucken, Brennen und Bläschen im Genitalbereich sowie Schmerzen beim Wasserlassen sind Anzeichen. Anstelle von Antibiotikum erhältst du zur Therapie Virostatika. (*Einmal dagewesen kann Herpes allerdings immer wieder ausbrechen.)

Filzläuse zählen wiederum zu einer anderen Kategorie. Sie sind Parasiten und lassen sich sogar mit einer Lupe erspähen. Die Bissstellen der kleinen Tierchen lösen einen Juckreiz aus und es kommt zu Hautausschlägen. Aber keine Sorge. Auch gegen sie kommst du mit Cremes oder Lösungen an.

Krank und nun?

Falls du selbst weißt, dass du von einer Geschlechtskrankheit betroffen bist und niemanden anstecken möchtest, oder du bei deinem Geschlechtspartner Vermutungen in diese Richtung hast, müsst ihr nicht zwingend auf Sex verzichten. Einen vollständigen Schutz vor HIV erhältst du bei einem korrekten Einsatz von Kondomen. Bei Gonorrhoe, Trichomonaden und Chlamydien können Kondome das Ansteckungsrisiko stark verringern, da der Schleimhautkontakt verhindert wird. Herpes, Syphilis und HPV betreffen jedoch andere Regionen – so z.B. die Vulva, den Damm, die Analregion und den Hodensack. Da ein Kondom den Kontakt mit diesen Gebieten nur verringert, aber nicht verhindert, bleibt eine Ansteckungsgefahr erhalten. Nur fair ist es in jedem Fall, dass dein/e Partner/in immer bescheid weiß, falls du von einer sexuell übertragbaren Krankheit betroffen bist.

Reden statt krank werden

Erschreckend ist, dass die Anzahl an von Geschlechtskrankheiten Betroffenen in Deutschland eher steigt als fällt. So hat sich z.B. die Anzahl der Erkrankten an Syphilis zwischen 2000 und 2013 mehr als verdoppelt. Wissen über ein angemessenes Schutzverhalten und ein offener Umgang, der eine direkte Therapie sowie die Eindämmung der Übertragung eindämmen kann, sind heutzutage somit wichtiger denn je.

Also:

  • Rede offen mit deinem Partner/deiner Partnerin über Verhütung und STIs
  • Tausche dich mit anderen Personen zu dem Thema aus. Welche Erfahrungen haben sie gemacht?
  • Verwende zum besseren Schutz immer Kondome
  • Mache den Safer-Sex-Check https://www.lovelife.ch/de/safer-sex-check/

1999 geboren in Heppenheim, aufgewachsen in Hessen und Baden-Württemberg und inzwischen wohnhaft in Dresden. Deutschland habe ich inzwischen durch viele Hobbies im Bereich Musik, Sport, Poetry Slam und Wissenschaft recht gut kennengelernt, doch noch spannender als die regionalen Reisen sind die vielen Begegnungen und Erlebnisse, die ich dabei gesammelt habe. Mein Testgelände ist eine super Sache, um festzuhalten, was mich auf meinen Reisen bewegt, einige der Personen mit ihren spannenden Geschichten vorzustellen und euch Teil von Recherchen werden zu lassen, die mich brennend interessieren. Hier kann sich jeder trauen, das zu schreiben, was ihn bedrückt. Und somit: Viel Spaß beim Lesen, Hören und Schreiben!