Andere Frauen

20220513_AndereFrauen (Womanizer Toys)

“Andere Frauen inspirieren mich. […] Andere Frauen machen mir Angst.” Mal schenken sie ihr Mut, mal verunsichern sie Kira. Kann es nur eine Frau in einer Gruppe geben? Muss Kira konkurrieren?

Andere Frauen** inspirieren mich. Sie schenken mir Mut und den Glauben an mich selbst, wenn sie etwas erschaffen oder erreichen. Wenn eine Frau das geschafft hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass ich selbst so etwas auch schaffen kann. Das denke ich zumindest, so oder so ähnlich ist es in meinem Kopf verankert. Wenn sie das schaffen kann, vielleicht schaffe ich es dann auch. Und das ist nicht abwertend gemeint oder liegt daran, dass ich die Kompetenzen weiblicher Personen geringer einschätzen würde als die der männlichen Konkurrenz. Das ist es nicht. Frauen sind mir näher, ich fühle mich mit ihnen verbunden und ich kann mich mit ihnen identifizieren. Sie sollten in ihrer Kindheit auch schön und süß statt laut und neugierig sein, und sie waren in ihrem Leben auch dem Sexismus ausgesetzt. Sie haben ähnliche Steine auf ihren Wegen liegen; und diese Steine, die sind sie umgangen, die haben sie beiseite geräumt und erklommen. Es ist also möglich, ich kann es auch.

Andere Frauen machen mir Angst. Sie verunsichern mich und geben mir das Gefühl, mich behaupten zu müssen. Ist eine von ihnen in einer Gruppe anwesend, fühlt es sich so an, als wäre der Platz, den ich einnehmen könnte, bereits belegt. Es kann nur mich oder sie geben. Das wurde mir so vorgelebt in Büchern und Filmen. In jeder Gruppe gibt es die eine Frau, das eine Mädchen. Kommt eine weitere dazu, sind sie nicht befreundet. Sie konkurrieren, meist um einen Mann oder um das Bestehen in dieser Gruppe. Kommt eine Neue dazu, habe ich das Gefühl, mich behaupten zu müssen, als müsste ich mein Revier markieren.

Genauso begannen die meisten Freundinnenschaften, die ich führe. Ich lerne sie kennen, ich mag sie nicht. Aber nicht aus dem Grund, dass sie mir unsympathisch oder sie unfreundlich zu mir wäre. Nein, meistens ist der Grund, dass sie so frei und selbstbewusst wirkt. So locker und freundlich auftritt. Dass sie wunderschön und inspirierend ist und in mir etwas auslöst. Etwas wie Neid und das oben beschriebene Konkurrenzdenken. Meine Gedanken kreisen dann darum, wie ich bloß gegen diese wundervolle Person ankommen soll; wie soll ich gegen sie bestehen und kann ich überhaupt etwas bieten was sie nicht hat? Meistens beginnen meine Freundinnenschaften damit, dass ich nach einer ersten Begegnung so etwas sage wie: „Die mag ich nicht.“ Ich vergleiche mich, bis ich so unsicher bin und nicht mehr an mich glauben kann – daran, dass ich stark und wundervoll bin.

Aber ich schrieb ja „genauso begannen die meisten Freundinnenschaften die ich führe“ es geht also meistens weiter, mit ihr und mir. Ich lerne die Person kennen, die echten Seiten dieser Frau. Die echten Seiten sind nicht weniger wundervoll oder weniger inspirierend, meist sind sie sogar noch viel stärker. Ich lerne auch die verletzlichen Seiten kennen, ihre Unsicherheiten und ihren Neid. Durch ihre Offenheit, durch die Einblicke in ihre Gedanken und Gefühle, die sie mir schenkt, dadurch kann ich ihr näherkommen. Und vor allem kann ich dadurch ihre Inspiration, ihre Kompetenzen, ihre Sichtweisen und ihre wundervolle Art an mich heranlassen. Ich kann sie in ihrer Echtheit spüren und in ihrer Zerbrechlichkeit. Ich kann mich von ihrer Stärke nähren und ihr von meiner etwas abgeben. Wir können zusammen stark und zusammen schwach sein.

Warum also konkurrieren? Ich muss nicht gegen sie bestehen, sondern mit ihr. Ich muss nicht die einzige sein, ich kann mit ihr sein. Ich muss nichts bieten können, was sie nicht bieten kann; wir können uns ergänzen und zusammen lernen. Ich muss nicht die einzige Frau in einer Gruppe sein, wir können zusammen eine Gruppe bereichern.

Andere Frauen inspirieren mich und andere Frauen machen mir Angst. Welchen dieser Aspekte ich an mich heran lasse, liegt allein in meinem Inneren, an meiner Haltung, in mir. Zusammen können wir wachsen, zusammen können wir Großes erreichen, wir können zusammen stark und schwach sein und wir können füreinander da sein, wenn ich die Angst vor ihnen abgelegt habe.

 

**Mit den anderen Frauen verbinde ich erstmal von mir als weiblich gelesene Personen oder die, die als solche sozialisiert wurden. Du identifizierst dich nicht als Frau, erkennst dich aber in meinem Text? Ja, dann spreche ich auch genau dich an.

Mein Name ist Kira (23). Ich bin in Hamburg aufgewachsen und schließlich für das Studium der Sozialen Arbeit nach Kiel gezogen. Besonders interessiere ich mich für feministische Themen und ergründe gerne alles rund um den Begriff der Weiblichkeit. Seit ich schreiben kann halte ich meine Gedanken auf dem Papier fest. Das Grübeln über Feminismus und die Vorstellungen von Weiblichkeit(en) versuche ich seit einiger Zeit mit dem Schreiben zu verknüpfen. Ich bin sehr glücklich darüber einen Ort in meinTestgelände gefunden zu haben, an dem ich meine Gedanken teilen darf.