“Drei einzelne Barthaare am Kinn. […] Der ganze Körper verändert sich”. Fluff erzählt von hormonellen Veränderungen und dass solche Transition nicht ausschließlich glücklich macht – aber das findet Fluff in Ordnung.
Haare. Überall neue Haare.
Ich schneide meinem Gesicht im Spiegel eine Grimasse. Gleichzeitig sieht es lustig aus, wie diese drei Barthaare dabei zittern.
Drei einzelne Barthaare am Kinn. Ein dünner Oberlippenflaum. Und ein ganzer Wald an dicken, borstigen Haaren am Bauch, an der Hüfte, der Innenseite der Oberschenkel, den Brüsten.
Ich nehme mir eine Pinzette und zupfe die drei langen, einzelnen Haare am Kinn. Ansonsten hat das so etwas Koi-Karpfen-mäßiges. Blubb.
Griff zur Creme. Testosteron trocknet die Haut aus (naja, streng genommen nicht das Testo, sondern die 98% Alkohol, die das Testo umgeben und einmal täglich auf die Haut geschmiert werden). „Reichhaltige Bodylotion. 48h Feuchtigkeit!“ verspricht die Packung. Bei mir sind es eher 12 Stunden, aber meine Haut ist da ohnehin eher so wüstenartig. Wüstenartig mit neuen Haaren. Gibt’s dafür bereits den passenden, geologischen Vergleich?
Anziehen. Die nächste Hose sitzt wieder locker. Der ganze Körper verändert sich. Gleichzeitig hat er zum ersten Mal Grenzen. Ich spüre, wo ich aufhöre und der Rest der Welt anfängt. Es ist ein „ich“ und ein „da draußen“ – und beides ist eindeutig voneinander abgrenzbar.
Ganz neues Gefühl, deutlich besser als vorher. Würde jederzeit wiederempfehlen, selbst mit lästigen Koi-Karpfen-Haar-Antennen. (Memo an mich: Googlen, wie diese Koi-Karpfen-Barthaare heißen.)
Socken und Schuhe. Meine Füße sind größer geworden, den Großteil meiner alten Schuhe musste ich verkaufen. Eine Leidenschaft für High-Heels und wachsende Füße lehren Abschiedsschmerz. (Und Blasen. Und ganz neu: wie sich passende Schuhe anfühlen.)
Angezogen. Ausgehfertig. Diese Welt dort draußen, mit all ihrer (unbeabsichtigten, banalen) Feindlichkeit. Die Welt hier drinnen, in der ich genießen und abwarten darf. Ausprobieren, welche Veränderungen mir gut tun. Meckern, wenn ich irgendeine Veränderung nicht mag. (Es ist erlaubt, nicht alles zu mögen. Es ist in Ordnung, wenn hormonelle Transition nicht ausschließlich glücklich macht.) Ein Ort der Zwischentöne.
Ich schließe die Tür hinter mir. Die Welt scheint schwarz-weiß. Die Zwischentöne, Pastellfarben, Grauvarianten lasse ich hinter mir. Meine Schritte hallen auf den alten Treppenstufen. Die Maske drückt vor dem Gesicht. Die Luft ist kalt, irgendwer hat schon wieder die Fenster im Treppenhaus offen gelassen. Der Packer schmiegt sich von innen an meinen Körper und bildet von außen eine zarte Beule.
Die Koi-Karpfen-Barthaare heißen übrigens Barteln.