Buntes Disney ist nicht gleich „Regenbogen“-Bunt

20220523_Disney (Capricorn song)

Disneyhelden sind oft Vorbilder, an denen sich Kinder orientieren und die sie nachahmen. Dabei versucht Disney, Werte wie Treue und Mut zu vermitteln, doch mit Themen wie sexuelle Orientierung und Identitäten scheint sich der Konzern wenig zu beschäftigen. Was sie dazu im Programm haben und welche Charaktere mit queeren Persönlichkeiten auftreten, untersucht Ann Katrin.

Wer mit Disney-Filmen oder Serien aufgewachsen ist erinnert sich vielleicht noch gut an die kindgerechte Vermittlung von gesellschaftlichen Werten durch Handlungen der Hauptfiguren. Die Helden und Bösewichte im Disney-Entertainment sollen den oftmals kindlichen Zuschauern bestimmte Charakterzüge als positiv oder negativ darstellen und gleichzeitig erklären. Denn wie lernen Kinder und auch noch junge Erwachsene anders, wenn nicht durch Vorbilder und das Nachahmen von Werten oder Handlungen. Disney beweist fast von Beginn an eine umfangreiche Kreativität sowie sehr gutes Einfühlungsvermögen darin, Probleme, Konflikte aber auch teilweise Krankheiten die in der Gesellschaft vorkommen auf einfache, witzige und tiefsinnige Art in ihren Produkten einzubauen.

Kinder können in den unterschiedlichen Figuren Merkmale erkennen, die sie vielleicht auch im echten Leben mitbekommen und sich dann an den Handlungen ihrer Helden orientieren. In fast allen Filmen beruhen die Heldenfiguren auf den moralischen Werten wie Treue, Wahrheit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, Mut, aber auch Trauer und Verlust. Die Bösewichte hingegen erhalten unmoralische Charakterzüge wie List, Egoismus, Großmut, Verachtung oder Bösartigkeit. Wir alle kennen die Geschichten; die Helden gewinnen gegen die Bösewichte und haben ein glückliches Leben. Nichts falsch daran! Was aber seit einigen Jahren auffällt oder vermehrt angesprochen wird, ist das Disney sich sehr wenig mit Charakterzügen beschäftigt die Kinder oder älteren Zuschauern sexuelle Orientierung und Identitäten, also das persönliche Selbstbild des eigenen Geschlechts aufzeigt.

Nicht ganz; wer sich die Mühe macht die Reihe der klassischen Disney-Filme durchzuschauen bemerkt vielleicht ein auffälliges Detail in der Darstellung der Bösewichte und Helden: Die Helden aus den früheren Filmen, seien sie männlich oder weiblich, fühlen sich immer zum jeweils anderen Geschlecht hingezogen, beweisen eindeutige Charakterzüge und haben oft ein straightes Selbstbild, dass nur zwischenzeitlich in ihrer Entwicklungsgeschichte erschüttert wird. Die Antihelden hingegen, seien sie von den negativen Zügen gezeichnet, zeigen oft die Attribute die heutzutage mit den Selbstwahrnehmungen von (manchmal) homosexuellen, bisexuellen, a-sexuellen oder weiteren queeren Personenzügen übereinstimmen. Außerdem können bei einigen Bösewichten psychische Krankheiten oder zumindest die Symptome von solchen erkannt werden. Bei Helden sind diese ebenso zu erkennen, aber mit wenigen Ausnahmen überwinden diese die Symptome oder Krankheiten durch ein persönliches Wachstum. Disney vermittelt hierdurch, dass der offene Umgang mit den Problemen oder traumatischen Einschnitten im Leben zum Überwinden von Krankheiten führen kann, aber auch, dass Bösewichte in ihren charakterlichen Zügen eher fließend und weniger gestärkt sind. Einige Beispiele von Antagonisten mit Zügen von queeren Persönlichkeiten sind:
Ursula die Züge einer Drag Queen aufweist, mit dem extravaganten Make-Up, dramatischen Auftritten und Verhalten, sowie ihrem Bewusstsein ihrer Kurven würden übereinstimmen.

Scar könnte als homosexuell identifiziert werden, durch ein feines Körperbewusstsein, die Änderung der Stimmlage und einiger Ironie gegenüber seinem Bruder und dessen männlichen Verhalten (obwohl dies auch auf Geschwisterfeindlichkeit und der Rivalität unter Löwen-Alphas beruhen kann).

Hades fällt nicht direkt in die Kategorie von homosexualität, zeigt aber auch eine fließende Darstellung im Umgang mit den jeweiligen Geschlechtern und seinem eigenen Verhalten.

Auch viele weitere Charaktere die Nebenrollen innehaben werden durch ihre Züge und Handlungen als homosexuell oder queer dargestellt. Diese Funktionen nennt sich Queer-Coding, Figuren werden durch ihr Verhalten und auch die Kleidung in manchen Fällen als queer impliziert obwohl es nicht explizit ausgesprochen wird. Mittlerweile wurde der Zusammenhang erkannt, dass homosexuelle, a-sexuelle oder weitere Merkmale von LGBTQ+ Personen im Verhalten der Antagonisten für Kinder als negativ und unmoralisch vermittelt werden sollen.

Ob Disney mittlerweile neue Figuren erfindet, die sich als eindeutig queer zeigen bleibt noch abzuwarten. Der Entertainment-Riese erhält jedenfalls auch in diesem Thema viel Aufmerksamkeit. Bei der Suche auf Disney+ schließt das Programm jedoch schlecht ab. Denn mit der Suche nach „LGBTQ+“ wird kein einziger Film oder Serie angezeigt. Auch unter den Genres bei den Filmen oder Serien-Auswahl wird kein Hinweis auf ein mögliches Programm gegeben. Hat Disney also nichts im Angebot? Dieselbe Suche bei den Konkurrenten Netflix und Amazon Prime führt mit wenigen Einbußen zu einer soliden Auswahl rund um Filme oder Serien die sich mit queeren Charakteren verbinden. Die neusten Disney-Filme hingegen fallen mit einer großen Neutralität der Hauptfiguren auf. Die Definition ob die Figuren wirklich queere Züge haben oder nicht, wird immer schwerer. Netflix und Amazon hingegen setzen auf mehr Deutlichkeit. Die Streaming-Portale verfügen über Angebote die von Unterhaltung bis zu Aufklärung über das Leben von queeren Personen führen. Obwohl auch hier noch auf Stereotypen zurückgegriffen wird, können Zuschauer sich dem Programm hingeben und sitzen vor deutlichen Darstellungen der jeweiligen Charakterzüge.

Wie geht Disney in Zukunft mit der Möglichkeit auf explizite queere Figuren um? Seit neustem arbeitet der Streaming-Anbieter and er Aufarbeitung und Aufklärung kultureller Stereotypen mit dem Programm StoriesMatter. Kommen anschließend auch Experten der LGBTQ+ Szene und erklären, wie sowohl Helden als auch Bösewichte ohne die negativen Darstellungen von Stereotypen mit queeren Attributen in den Disney-Produkten Anklang finden können?
Ein Anfang mit einer geringen Auswahl an LGBTQ+ freundlichen Shows existiert bereits, abgesehen von den unterschwelligen Figuren. Der Kurzfilm „Out“ handelt über die sexuelle Orientierung von Greg und wie er lernt seine bisher geheim gehaltene Orientierung mit seiner Familie und Freunde zu teilen. Über den Star-Kanal auf Disney+ ist das Angebot LGBTQ+-freundlicher und auch viel umfangreicher. In vielen Serien und Filmen wird das Thema offen aufgegriffen. Reines Entertainment aus dem Hause Disney sind diese Shows jedoch nicht, was weiterhin dazu führt, dass der Streaming-Dienst den Ruf als LGBTQ+ feindlich oder abblockend so schnell wohl nicht loswird.

 

 

Als geborene Hamburgerin habe ich schon etwas von der Welt gesehen und auch einiges erlebt. Bei MeinTestgelände kann ich über diese Erlebnisse und Unterschiede in den verschiedenen Kulturen berichten und auf Ungerechtigkeiten aufmerksam machen. Besonders die Gleichberechtigung diverser Geschlechter liegt mir am Herzen, nicht nur in der Berufswelt, sondern besonders im Alltag.