Queere Bücher - meine Empfehlungen und die persönlichen Geschichten dahinter

20220502_QueereBücher (ThoughtCatalog)
Thought Catalog

Nach Zeiten des Lockdowns und Ferien hat Amelie die Liebe für Bücher wiedergefunden. Für uns hat Amelie fünf Empfehlungen und persönliche Geschichten zu queeren Büchern geschrieben. Vielleicht ist auch für euch etwas dabei?

Lockdown, Ferien und mein Englischlehrer. Die drei Faktoren, welche mich in den letzten Monaten dazu brachten nach langer Zeit freiwillig ein Buch in die Hand zu nehmen.
Über Jahre hinweg verlor ich immer mehr meine anfängliche Liebe zu Büchern. Aus “Bücherwurm” wurde “Lesemuffel“ und ich verlor das Interesse. Doch das sollte sich ändern.

„Girl Woman Other“ von Bernadine Evaristo (she/her)
Eines Tages lasen wir im Englischunterricht die Kurzgeschichte Megan/Morgen als Teil des Buches “Girl Woman Other”. Die Prämisse der Handlung: ein Blick in das Leben von 11 Schwarzen Frauen und einer nicht-binären Person (Morgen) zu verschiedenen Zeiten in England.
Der Erzählstil weckte mein Interesse und ich wollte auch die anderen Geschichten lesen. Ich kaufte mir also das Buch und die Reise begann.
An “Girl Woman Other”, von dem es mittlerweile auch eine deutsche Übersetzung (Mädchen, Frau, Etc.) gibt, begeisterte mich vor allem die Multiperspektivität. Dabei macht die Autorin einen sehr guten Job, die jeweiligen Lebenssituationen zu beschreiben, gerade auch bezogen auf die Sexualitäten, Beziehungen und Geschlechterrollen.
Es ist zu beobachten, wie die einzelnen Geschichten aufeinander aufbauen und zum Schluss wie Puzzleteile ein Gesamtbild erzeugen.

„Ich bin Linus“ von Linus Giese (er/ihm)
Um “Girl, Woman, Other” zu kaufen, besuchte ich einen ganz besonderen Buchladen. „She said books“ in Berlin Neukölln hat es sich zur Aufgabe gemacht, nur Bücher von Frauen oder queeren Autor*innen zu verkaufen. Lustigerweise kommt auch diese Empfehlung aus meinem Englischunterricht.
Ich hatte ein sehr schönes Kauferlebnis und hab mich selten an einem Ort so wohl gefühlt. Linus ist selbst Buchhändler in diesem Geschäft und als ich via Insta mitbekam, dass er ein Buch veröffentlicht hatte, konnte ich nicht anders, als es zu kaufen.
„Ich bin Linus“ ist eine Biografie, in welcher Linus uns seine Erlebnisse und Entwicklungen im Bezug auf das Trans-sein in Deutschland schildert. Oder wie er es selbst beschreiben würde, es geht darum, wie er der Mann wurde, der er schon immer war. Beim Durchleben der guten aber auch schlechten Ereignisse, lernen wir ihn auf sehr persönliche Art und Weise kennen. „Ich bin Linus“ zeigt in schönem Schreibstil das Leben von trans Personen in Deutschland und auch dessen Hindernisse. So wird zum Beispiel das immer noch aktive Transsexuellengesetz zu Recht kritisiert und versteckte Transphobie aufgedeckt.

„I Wish You All The Best“ von Mason Deaver (they/them)
Ich konnte „she said“ an diesem ersten Besuch nicht verlassen, ohne vorher nicht noch impulsiv ein weiteres Buch zu kaufen. Die auf dem Buch vermerkten Hinweise des Personals leiteten mich schließlich zu „I Wish You All The Best“. Dass ich an der Kasse prompt für meinen guten Geschmack gelobt wurde, bestätigte mich in meiner Entscheidung.
„I Wish You All The Best“ ist das erste Buch, mit nicht binärer Hauptfigur, auf das ich stieß. Dies alleine war eigentlich schon Kaufargument genug und ich wurde nicht enttäuscht. In dem Young Adult Roman begleiten wir Ben, welcher nach deren Outing als nicht binär von deren Eltern aus dem Haus geschmissen wird. Ben sucht Zuflucht bei deren älterer Schwester, mit welcher they viele Jahre keinen Kontakt hatte. Ben lernt langsam mit der neuen Situation und auch deren Angststörung zurechtzukommen. Gleichzeitig trifft they auf Nathan, welcher Ben unter die Arme greift und zusammen sieht die Zukunft gar nicht mal so grau aus. Der Mix aus ernsten Themen aber auch leichteren fröhlichen Szenen und Humor sorgt für ein schönes Gesamtbild.

„Felix Ever After“ von Kacen Callender (they/them)
Ausgelöst durch „I Wish You All The Best“ fand ich mein Gefallen an queeren Young Adult Büchern und wollte unbedingt mehr davon lesen. Als ich also eines Nachmittags durch meinen lokalen Buchladen wanderte, fiel mein Blick auf „Felix Ever After“. Gerade die sichtbaren top-surgery Narben auf dem Cover bewegten mich dazu, den Klappentext zu lesen. Sofort fand ich Interesse daran und für die nächsten paar Wochen hielt es mich trotz beginnender Schule bei Laune.
Mit fesselndem Schreibstil und einer Menge Fingerspitzengefühl wird das Leben des 17 jährigen Felix Love beschrieben. Eigentlich möchte er nur die Zeit mit seinem besten Freund verbringen, doch dann hängt im Flur seiner Schule plötzlich eine Ausstellung mit Fotos aus seiner Kindheit und dead name. Zusätzlich wird er von anonymer Person via Textnachrichten transphob beschimpft. Felix tut das einzig „logische“ und erstellt ein fake Profil um dem vermeintlichen Täter auf die Spur zu kommen. Dabei wird das eigentliche Vorhaben immer mehr von einem anderen Gefühl überschattet – ob das Liebe ist?
Neben den diversen Charakteren hat mir besonders der sehr stilvolle Umgang mit Felix gender Identität gefallen. So wird zwar über seinen dead name gesprochen, jedoch nie selbst im Buch erwähnt. Außerdem wird gezeigt, dass nichts endgültig sein muss und auch trans Menschen ihr gender weiter überdenken dürfen. Mittlerweile ist das Buch auch unter gleichem Namen in Deutsch verfügbar.

„Mona – Und täglich grüßt der Erzdämon“ von I. B. Zimmermann (sie/ ihr)
Ich muss zugeben, das letzte Buch auf dieser Liste passt nicht so zu den anderen. Aber trotzdem hat es seinen Platz verdient. Zur Abwechslung handelt es sich bei „Mona- Und täglich grüß der Erzdämon“ nicht um einen Buchhandlungsfund. Stattdessen hat die Autorin höchstpersönlich mein Interesse geweckt. Isabel auch bekannt unter den Künstlernamen „Honeyball“ und „Kritzelpixel“ ist Contentcreatorin, Künstlerin und vor allem ein sehr kreativer Kopf. Schon seit einigen Jahren verfolge ich ihre verschiedenen Projekte mit viel Freude und konnte auch dieses Buch kaum erwarten. Passend zu Halloween kam der Lesestoff handelnd von Hexen und Magie bei mir an.
Das Urban Fantasy Buch liest sich ein wenig wie eine Sitcom und spielt in unserer Welt. Mit nur einem „kleinen“ Unterschied. Die magische Welt ist schon längst geoutet und niemanden interessiert es. Diese magische und doch manchmal sehr unperfekte Welt dürfen wir durch die Augen von Mona erleben. Sie ist Bewährungshexe und wacht nachts in einem Museum über magische Artefakte. Doch für sie ist das Zaubern vor allem eine Last, denn meist geht alles schief. Bester Beweis dafür ist der Erzdämon, den sie eigentlich nur einmalig beschwören wollte. Stattdessen taucht selbiger jedes Mal auf, wenn Mona sich unsicher fühlt und das ist nicht selten. Konflikte sind da vorprogrammiert. Wenn sich doch nicht noch andere Gefühle untermischen würden.
Von dem heterosexuell wirkenden Hauptplot darf man sich dabei nicht täuschen lassen. Ob queere Vampire oder trans Skelette, das gesamte Buch strotzt nur so von Regenbögen. Zwar wird die Sexualität von Mona nie explizit erwähnt, zwischen den Zeilen lässt sich jedoch eine starke Tendenz zur Demisexualität bzw. dem Ace-Spektrum heraus lesen. Außerdem ist immer wieder das Konzept sehr fluider Geschlechter zu erkennen, welches auch stark von der ebenso genderfluiden Autorin beeinflusst ist.

All diese Werke haben mich dazu gebracht, dass mein Regal mittlerweile wieder prall gefüllt mit jeder Menge Bücher ist. Diese Bücher zeigen wie wichtig Repräsentation ist und wie divers der Büchermarkt sein könnte, wenn sich mehr Autor*innen daran ein Beispiel nehmen würden. Also schreibt mehr queere Bücher, damit ich sie lesen kann.

Hey, ich bin Amelie [they/them] und möchte vor allem hier um meine Gedanken zum Queersein, der Welt und eigentlich allem anderen teilen. Seit dem Tag an dem ich das Schreiben gelernt habe, nutze ich dieses Mittel um meine Gedanken auszudrücken. Manchmal kommt etwas Brauchbares dabei raus, das könnt ihr dann hier lesen :)