Die Diskussion um gendergerechte Sprache bringt regelmäßig Kommentarspalten in Sozialen Medien zum Explodieren. Mare hat sich zu dem Thema ein paar Gedanken gemacht. Habt ihr auch welche?
Ein paar Gedanken zum Gendern: Was mich stört und was ich mal gesagt haben wollte
Wer kennt sie nicht? Social Media-Kommentarspalten, die einem Kopfschmerzen bereiten. Besonders beliebt für Diskussionen, bei denen sich Menschen schnell an die virtuelle Gurgel springen, ist jeder Beitrag, der etwas mit der Nutzung von gendersensibler Sprache, dem sogenannten Gendern, zu tun hat. Egal ob ein Artikel mit einem polemischen Titel wie „Gender-Gaga!“ schon dazu einlädt, oder die Tagesschau versucht, neutraler zu berichten, die Kommentarspalten sind immer aufgeheizt.
Oft habe ich den Eindruck, dass es dabei auf beiden Seiten schon lange gar nicht mehr um gendergerechte Sprache an sich geht. Dass die Sternchen und Doppelpunkte gar nicht das sind, was die Emotionen so hochschaukeln. „Gender-Gaga“ steht in vielen Fällen nicht nur für „die Art, wie ihr Sprache benutzt, ist verrückt“, sondern auch für „eure Identitäten und eure politischen Forderungen sind verrückt“. Auf der anderen Seite sieht es aber genauso aus. Hinter „Wir sollten alle gendern“ steht auch „Akzeptiert uns und unsere politischen Forderungen.“
Gendern ist auf viele Weise eine symbolische Debatte geworden und ich schließe mich da selber nicht aus. Oft genug habe ich mit Bekannten diskutiert und das Gendern verteidigt, während ich das Gefühl hatte, eigentlich geht es hier um etwas noch Fundamentaleres. Genau diese symbolische Rolle macht es aber auch schwierig, kritisch die Art zu diskutieren, wie wir Gendern und wie wir über Gendern sprechen. Mein Eindruck ist, dass wir es so gewohnt sind, dass es bei diesen Diskussionen unausgesprochen um viel mehr geht, als das was gesagt wird, und dass unser Gegenüber grundsätzlich nicht wohlwollend (queer)feministischen Ideen gesonnen ist, sodass wir direkt in eine Abwehrhaltung gehen, sobald Kritik am Gendern geübt wird.
Das ist auch nicht gut, denn eine kritische Auseinandersetzung ist immer bei allem wichtig. Deshalb möchte im Folgenden ein paar Punkte darstellen, die ich selber an der Art, wie wir gendern und über das Gendern sprechen, kritisch sehe. Dabei möchte ich nicht verallgemeinern. Ich will nicht sagen „alle Feminist:innen denken so“ sondern „mir ist das häufiger aufgefallen, aber ich kenne natürlich auch Leute, die etwas anderes sagen“. Außerdem vertrete ich prinzipiell die Position, dass die Nutzung einer gendersensiblen Sprache wünschenswert ist. Ich möchte lediglich kritisieren, wie wir das häufig tun.
1. Gendern kann einem schwer fallen. Das sollten wir akzeptieren.
Mir ist in Debatten oft aufgefallen, dass die Aussage „Wir müssen das Gendern auch barrierefreier gestalten“ in den meisten Fällen auf großen Zuspruch stößt. Wenn man die Aussage allerdings umformuliert zu „Es gibt einige Menschen, denen fällt das Gendern schwer“, habe ich es schon häufiger erlebt, dass als Antwort kam „die sollen sich nicht so anstellen“ oder „die wollen doch nur eine Ausrede haben, nicht zu gendern“. Ich glaube, mit solchen Aussagen gaukeln wir uns was vor und vergraulen gleichzeitig Leute, die gute Absichten haben.
Ich hätte es auch gerne, dass es einfach wäre, gendersensible Sprache zu benutzen. Und dabei bringe ich schon sehr gute Voraussetzungen mit: Ich schreibe gerne, sprachliche Themen lagen mir schon immer und ich hatte inzwischen sehr viele Jahre Zeit, mich daran zu gewöhnen, weil ich mit dem Thema schon relativ früh konfrontiert wurde. Und trotzdem. Wenn ich auf der Arbeit einen großen Berg an Texten Korrekturlesen muss mit der Bitte „Check das mal aufs Gendern und korrigier es“, dann gibt es mehr als genug Momente, wo ich leise vor mich hin fluche, denn es ist nicht immer einfach, den Lesefluss beizubehalten und gleichzeitig einen Text gendersensibel umzugestalten.
„Du stellst dich doch nur an, ich habe keine Probleme damit“, höre ich gerade gedanklich mein fiktives Gegenüber sagen. Darauf kann ich nur antworten, dass es einfach meine ehrliche Meinung basierend auf jahrelanger Erfahrung ist und ich das Ganze ja trotzdem für sinnvoll halte. Und bei alldem dürfen wir nicht vergessen, dass es genug Menschen gibt, die aus sonstigen Gründen Probleme mit der deutschen Sprache und/oder dem Lesen und Schreiben im Allgemeinen haben. Ich würde mir wünschen, dass wir häufiger Verständnis dafür hätten und öfter annehmen, dass solche Kritik nicht automatisch bedeutet, dass sich jemand als anti-feministisch sieht.
2. Es ist nicht nur wichtig, wie etwas gesagt wird, sondern mit welchen Absichten.
Ah ja. Hier ist sie. Die altbekannte Kritik a la „Ich hab das Gefühl, es geht gar nicht mehr darum, was gesagt wird, sondern wie man es sagt“. Das haben viele von uns schon öfter auf verschiedenste Weise gehört. Von „diese Feministen, die wollen einem das Denken verbieten“ über „Das N-Wort werde ich ja noch wohl sagen dürfen, das macht mich nicht zum Rassisten“ bis hin zu nuancierterer Kritik, an der ich mich hier versuchen will.
Natürlich kann die Art, wie wir Sprache benutzen, verletzend und diskriminierend sein, und ich finde, wir müssen auch als Gesellschaft ständig neu Grenzen aushandeln, die nicht überschritten werden dürfen. Gleichzeitig dürfen wir auch nicht vergessen, dass es ein Privileg ist, ständig auf dem neusten Stand sein zu können, was wie bezeichnet wird. In aktivistischen Kreisen, in denen man sich sehr intensiv mit solchen Themen beschäftigt, ist es einfach, ein Gefühl dafür zu verlieren, wie viel Kontakt andere Menschen (die teilweise z.B. auch selber queer sind!) mit diesen Themen haben. Das meine ich nicht herablassend-vorwurfsvoll. Ich schließe mich da selbst nicht aus.
Gleichzeitig haben nicht binäre Personen, die ich kenne, auch schon ihren Frust geäußert, dass zwar immer mehr Menschen mit Sternchen oder Doppelpunkt gendern, diesen Personen aber oft nicht einmal bewusst ist, dass es nicht binäre und inter Personen gibt. Wir sollten also nicht nur im Blick behalten, dass wir uns nicht nur für die Nutzung gendersensibler Sprache einsetzen sollten, sondern auch für die Vermittlung dahinter warum und für wen und uns generell für Aufklärung einsetzen, um einen positiven gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.
3. Es gibt auch noch andere politische Ziele, und wir sollten Betroffenen zuhören, wenn sie sich wünschen, dass diese mehr Gehör finden.
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass cis Menschen im Internet denken, mein einziges Problem sei, dass ich in der Sprache oft nicht mitgemeint bin“, hat mir vor einer Weile eine befreundete Person gesagt, die nicht-binär ist. Dieses Stimmungsbild habe ich schon öfter mitgekriegt. Trans und nicht binäre Menschen, die von der Debatte müde sind und die sich wünschen, dass Allies stattdessen mehr Energie z.B. in die Forderung nach Gesetzesänderungen investieren. Gleichzeitig darf man aber auch nicht so tun, als würden sich nur cis Menschen für gendergerechte Sprache einsetzen und ich bin auch der Meinung, dass Aktivist:innen sich selber aussuchen sollten, wo sie ihre Energie reinstecken. Wir sollten diese Diskussion also als einen Austausch sehen, einen fortwährenden Prozess, an dem wir arbeiten, um gemeinsam weiter voranzukommen.
Im Endeffekt Gendern wir, weil wir ein gemeinsames Ziel haben: Eine gerechtere Gesellschaft. Und um diese zu erreichen, müssen wir uns austauschen, uns gegenseitig zuhören und kritisch mit uns und unserer Bewegung sein. Die Punkte, die ich genannt habe, sind keine konkreten Lösungen. Das würde ich mir nicht anmaßen wollen. Es sind Dinge, von denen ich mir wünschen würde, dass sie in Debatten öfter im Hinterkopf behalten werden. Ich weiß, dass abseits von Social Media-Kommentarspalten schon häufig kritische Diskussionen geschehen, und ich möchte mit diesem Artikel meinen kleinen Beitrag dazu beitragen, zur Reflexion anzuregen.