Männlich sein

Rugby

Wir freuen uns über Tobi`s ersten Text auf meinTestgelände. Darin schreibt er über sich, der als weißer CIS Mann seine Männlichkeit reflektiert und dabei feststellt, dass alles Unmännliche an ihm genau das ist, was ihn als Menschen ausmacht.

Männlichkeit. Ein Wort das in meinem Kopf nie so eine starke Rolle gespielt hat. Aber dennoch einen großen Teil meines bisherigen Lebens beeinflusst hat. Bis heute fällt es mir schwer mich als den Mann zu sehen, den ich von außen wahrnehmen kann. Ein weißer CIS Mann. Oft werde ich von vielen Menschen so bezeichnet. Klar ich fühle mich wohl in meiner eigenen Haut, fühle mich meinem Geschlecht zugeordnet und von außen betrachtet habe ich einen Körper, der sehr athletisch aussieht und als sehr „männlich“ wahrgenommen wird.
Schon während meiner Schulzeit wurde mir von meinen Mitschülern gesagt, ich sehe so stark und männlich aus und solle doch Model werden und ich werde niemals Probleme mit Frauen haben und diese würden mir nur so hinterherlaufen. Aber ich habe mich schon immer in diesen Momenten total unwohl gefühlt und kann mich selbst gar nicht mit der Bezeichnung CIS Mann identifizieren. In diesen Momenten weiß ich aber auch gar nicht, was ich sagen soll, denn rein von der Bezeichnung trifft es ja auf mich zu. Aber mich stört einfach daran, dass ich in diesem Moment nur auf mein Äußeres runter gebrochen werde. Und meine inneren Werte, Gefühle, Emotionen und all die Dinge, die einen Menschen wirklich ausmachen, außen vor gelassen werden. Dabei kann ich jetzt auch nicht definieren, welche davon männlich oder weiblich sind. Aber ich stelle mir auch immer wieder die Frage, ob ich das eigentlich wirklich muss. Denn für mich spielt das überhaupt keine Rolle.
Ich finde es auch echt schade, dass sich diese ganzen Rollenbilder entwickelt haben und so viele Menschen negativ dadurch beeinflusst werden. Selbst ich bin davon betroffen, obwohl ich eigentlich nie wirklich Diskriminierung erfahren habe auf Grund meines äußerlichen Erscheinungsbildes. Sondern viel mehr Probleme habe, mich als den Mann zu definieren, als der ich gesehen werde und mit den Erwartungen der Gesellschaft weniger gut zurechtkomme. Ich verdiene nicht viel Geld, bin beruflich nicht wirklich erfolgreich, fahre kein schickes Auto, bin eher ein ruhiger Typ auf Partys, trinke nicht wirklich gerne Alkohol und bin auch nicht an sportlichen Wettbewerben interessiert.
Aber ich meine was heißt es denn überhaupt, männlich oder weiblich auszusehen und zu sein? Die Vorstellungen, die wir in unseren Köpfen haben, sind so stark von den Dingen beeinflusst, denen wir im täglichen Leben ausgesetzt sind, den sozialen Medien, Filmen etc. und vielen von uns wird schon von klein auf ein klares Bild in den Kopf gesetzt. Ich bin natürlich auch nicht komplett befreit von diesen Einflüssen und bin dem ganzen zum Opfer gefallen. Vor allem, wenn es zu dem Thema toxischer Männlichkeit kommt, vor allem, wenn es um Pornografie geht. Ich bin schon viel zu früh als kleiner Junge damit in Kontakt gekommen. Ein Teil von mir ist sehr erregt von den ganzen Bildern, aber gleichzeitig fühle ich mich total unwohl bei dem Gedanken, selbst in dieser Rolle des Mannes zu sein und auf diese Arten und Weisen Sex zu haben. Mir fehlt dabei einfach das Romantische, Intime und der Mann steht dabei viel zu sehr im Vordergrund. Ich könnte niemals meine „Männlichkeit“ ausnutzen, nur, um jemanden ins Bett zu kriegen und würde niemals meinen Partner betrügen oder schlecht behandeln. Aber auch wenn es um den Druck der Gesellschaft geht, der mir als Mann aufgelegt wurde, einen gut bezahlten Job zu haben, eine schöne Frau an meiner Seite und dabei noch sportlichen Erfolg zu haben. Mir ist es lange Zeit erstaunlich schwer gefallen, auf Frauen zuzugehen und ich war sehr schüchtern während meiner Jugend. Als kleiner Junge habe ich damals mit meinem besten Freund die ersten sexuellen Erfahrungen gemacht, aber damals wussten wir noch gar nicht, was wir da machen und waren und habe es als spielen wahrgenommen. Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht, was die Gesellschaft eigentlich darüber denkt und waren noch komplett frei von den negativen Einflüssen. Mit 23 habe ich dann zum ersten Mal mit einer Frau geschlafen. Dabei wurde es mir auch nicht leicht gemacht, mir wurde gesagt ich sei zu nett und würde lieber nur mit mir befreunden sein. Was mir so gut wie immer während der Zeit nach der Schule erzählt wurde.
Also eigentlich entspreche ich nur äußerlich den von der Gesellschaft auferlegten Erwartungen an den Mann. Dabei mache ich viel weniger Sport, um mein Ego zu puschen und muskulöser auszusehen, sondern viel mehr, um meinen Körper und die Psyche gesund zu halten. Ich möchte auch nicht an Wettbewerben teilnehmen und es geht mir auch nicht ums Gewinnen. Sondern viel mehr um das Spielerische, Spaß daran zu haben sich zu bewegen, auch mal blöd auszusehen und aus seinen Fehlern zu lernen.
Zwischen all den Einflüssen versuche ich mein bestes mich davor zu schützen und jeden Menschen ob männlich, weiblich oder welchem anderen Geschlecht man sich zugehörig fühlt, immer ohne Wertung gegenüber zu treten und mit Respekt und Mitgefühl zu behandeln.
Dabei bin ich grade noch komplett am Anfang in meinem neuen Lebensabschnitt, mich in all dem Chaos zurecht zu finden. Mir ist bewusst geworden, dass die Charakterzüge in mir, die ich immer als Schwächen wahrgenommen habe, in Wirklichkeit meine Stärken sind. Mit seinen Emotionen in Kontakt zu sein, Menschen zuzuhören, nicht dem Ego zu folgen, sondern seinem Herzen. Auf meiner Reise möchte ich mehr mit meiner männlichen sowie weiblichen Seite in Kontakt treten und herausfinden, was es wirklich heißt, ein Mann in dieser Gesellschaft zu sein. Mich weniger von den negativen Einflüssen runterziehen zu lassen und mehr für die Menschen, denen es auf Grund von den Einflüssen und Diskriminierung wirklich schwer fällt, da zu sein.
Ich möchte meine Männlichkeit neu definieren.

Ich bin Tobias Wendorf, komme ursprünglich aus Hamburg und wohne zurzeit in Leipzig. Gerne würde ich mit euch meine Gedanken als CIS Mann in unserer Gesellschaft teilen. Wie es mein Leben beeinflusst, auf welche Probleme ich dabei stoße.