Lass‘ mal übers Überwinden reden

shane-zhong-zG2XdrqE5ZQ-unsplash
Shane Zhong

Wir freuen uns, mit Anna Beda eine neue Autorin auf meinTesgelände zu haben. In ihrem ersten Text möchte sie über`s Überwinden reden. Über das Überwinden von eingeübten Geschlechterrollen, um dadurch eigene Bedürfnisse besser zu erkennen.

Ich finde es scheiße, wie du mich anguckst, aber vermutlich darf ich das nicht sagen. Ich finde es scheiße, dass du mich anguckst. Und mich stört, dass meine Gedanken ganz schlimm rasen, sobald du das tust.

Zu oft hast du mir gesagt, dass ich mich zu laut beschwere. Zu oft hast du mir gesagt, dass ich zu sensibel bin. Du hast gefragt, warum eigentlich immer nur ich von diesen Dingen rede und mich angeguckt, als sei ich verrückt. Diese Dinge, wie neulich, als mir der alte Mann an der Haltestelle anbietet ihm einen zu blasen. Als sei ich verrückt. Oder zumindest hysterisch. Frau halt.

Und obwohl ich das nicht will, hast du zu viel Macht über mich. Du hast Macht über mich, allein das ist zu viel. Ich frage mich, ob ich überreagiere. Ob ich hysterisch bin. Frau halt.

Und es stimmt nicht. Meine Gedanken sind legitim! Trotzdem verunsichert mich dein Blick. Und dein Blick trieft voll Hohn und Hass und ich bin mir nicht sicher, wem er gilt. Und ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt trieft, also dein Blick.

Du störst dich an meinen Haaren. Also du sagst es zwar nicht so direkt, aber du fragst, ob ich sie wieder lang wachsen lasse. Du störst dich an meinen kurzen Haaren und daran, dass ich eine Frau bin. Du störst dich an mir, weil ich eine Frau bin und dann auch noch so eine, die meint, sie dürfe sagen, was sie denkt. Frech, dass ich sage was ich denke. Fast so frech wie du, der spricht wie er will, ganz ohne zu denken. So, wie du es immer schon getan hast.

Und vielleicht scheitern wir beide an diesem „immer schon“. Für dich bedeutet das, dass du alles darfst, während es mir verbietet zu sein. Für dich ist es ganz geil, weil es bequem ist und bekannt und du nichts tun musst, als das, was du immer schon getan hast. Und mir bereitet es Bauchschmerzen. Es ist unangenehm und lästig und es schränkt mich ein.

Und es zwingt mich auch dazu, zu überlegen, was ich will. Und während ich mir erkämpfen muss, was ich will, weißt du noch nicht Mal was das ist.

Weil während ich hier sitze und versuche all diesen Wörtern ihren eigentlichen Sinn zu geben, hoffe ich ein bisschen, dass du aus meiner Wut herauslesen kannst, dass es mir leid tut, dass es uns so geht und dass du verstehst.

Dass du merkst, dass uns nicht meine kurzen Haare, sondern andere Dinge trennen. Und dass diese Dinge schon viel älter sind als wir. Auch wenn ich hasse, wie du mich anschaust, kannst nicht nur du was dafür. Das hier ist also ein Versuch, etwas zu überwinden, dass viel größer ist als du und ich.

Ich bin Anna und ich bin wütend. Ich habe keine Lust mich andauernd ohnmächtig zu fühlen, deswegen schreibe ich und ich hoffe, dass du mich siehst.