Endlich wütend sein

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Romy hat in ihrem Umfeld oft wahrgenommen, dass Frauen sich selbst die Schuld an Dingen geben, „die man(n) ihnen angetan hat“. In ihrem ersten Text versucht sie zu verstehen, warum dass so ist und fordert, als Frau, endlich wütend zu sein.

„Vielleicht hätte er mich ja nicht betrogen, wenn ich blond wäre oder große Brüste hätte… vielleicht wäre dann alles anders ausgegangen…“
„Ich traue mich nicht ihm zu sagen, dass ich kein Interesse mehr an ihm habe. Ich möchte nicht die Böse sein.“
„Ich werde ihm jetzt aber nicht sagen, dass mich das verletzt hat… wir streitenunsdann nur und er denkt bestimmt, ich würde total überreagieren.“
„Ich wurde in der Stadt die ganze Zeit wegen meinem kurzen Rock angemacht, ich hätte ihn lieber einfach nicht tragen sollen…“

Das sind reale Sätze, die ich von weiblich sozialisierten Personen aus meinem Umfeld und auch von mir selbst erschreckend oftgehört habe. Warum aber neigen wir Frauen dazu uns so häufig selbst die Schuld für Situationen geben, in denen man(n)uns verletzt hat und wir selbst keine Schuld tragen? Das liegt daran, dass uns Frauen oft eingeredet wird, dass wir keine Wut haben dürfen. Wir seien dafür da, andere zu umsorgen und gut fühlen zu lassen, selbst, wenn diese Person uns schlecht behandelt hat – das ist zumindest das Bild, welches uns seit Beginn unserer Kindheit vermittelt wird. Egal ob durch romantische Komödien, Disneyfilme oder Märchen – die Frau nimmt in den meisten Filmen die Rolle der liebevollen, friedlichen und umsorgenden Dame an. In dieses Bild passt nun mal keine weiblich gelesene Person hinein, die Wut nach außen zeigt, denn die Gesellschaft stellt eine wütende Frau nur als „hysterisch“ da, oder gerne mal als „überempfindlich“. Und wer möchte so schon gesehen werden? So kommt es also, dass die Frau sehr oft dazu tendiert, es allen um sich herum Recht machen zu wollen. Man möchte ja nicht als eine Person gesehen werden, die total „überreagiert“ und „aufbrausend“ ist. Man sucht die Schuld also nur bei sich, um keine möglichen Diskussionen anzufangen, die man doch auch durch die eigene Schuldaufnahme umgehen kann. Mir ist schon immer sehr aufgefallen, dass eine Frau leider oft, beispielsweise bei einem Betrug, den Fehler bei sich sucht. Man war nicht blond genug, nicht kurvig genug, nicht hübsch genug… und dadurch wird der Part des Partners, der einen verletzt hat, komplett verdrängt.

Irgendwann merkt aber jede weibliche Person, dass es schlichtweg nicht möglich ist, es allen recht zu machen, und dass man mit der Zeit daran kaputt geht. Eine Frau sollte sich trauen dürfen, den Fehler bei den jenigenzu suchen, die ihn auch begangen haben. Eine Frau sollte endlich mal etwas sein dürfen, was von jeder Ecke der Gesellschaft abgelehnt wird: wütend

Ich bin Romy Hölzel, 17 Jahre alt und mache dieses Jahr mein Abitur in München. Seit ich sechs Jahre alt bin schreibe ich Geschichten und Gedichte. Ich habe auch schon für die Schülerzeitung geschrieben, und ein Gedicht von mir wurde in einem feministischen Online-Magazinveröffentlicht. Seit meinem 14. Lebensjahr setze ich mich für intersektionalen Feminismus ein und schreibe Artikel und Gedichte, die sich mit dem Thema der Frauenrechtsbewegung beschäftigen.