Gegen die Hand an meinem Körper

akira-hojo-pLJ97CLuYcU-unsplash

TW sexualisierte Gewalt:

Ein alltäglicher Übergriff – der Mann im Bus, betatscht mich, warum wehre ich mich nicht, warum sieht das niemand? Die Folgen, die lang und schmerzhaft sind und dann doch die Erfahrung, dass es Menschen gibt, die dich stützen und lieben. Ein Text, der weh tut aber auch zeigt: du bist nicht alleine.

Gegen die Hand an meinem Körper (Poetry Slam)
Im See meiner Selbst gefangen kam er angeschlichen, hat mit großen Pinselstrichen die Zone um
meinen Mund rot bemalt und gesagt:

„Das ist Liebe.“

Mit Kuchen erst versüßt, hat er die dicken Schichten später abgeschliffen. Draufgebissen,
weggeschmissen. Zuvor sich selbst beschissen. Nur mit Alkohol hatte er den Mut, mich zu
begrabschen. Nur bekifft wirklich zu leben und ignorant nach mehr, immer mehr Konsum und
Mensch und nackter, feuchter Haut zu streben.

Nach dem Vorfall war ich gebrochen und das ,,davor“ nur ein Gedanke. Indessen lief ich weiter, über
jedes rote Licht, antwortete auf jedes ,,Geht´s dir gut?“ mit „Ja!“ – und nachdenklich – „…danke.“

Für mich war er anders, für sich blieb er gleich.

An mir blieb über: angefasstes Fleisch.

Dabei alles weggenommen, was der Würde des Menschen inne liegt. Jedes seiner beschämenden
Worte sorgte für mehr Farbe in meinem Gesicht. Verletzt, er hatte die Grenzen überschritten. Nicht
verworfen den Gedanken, die Stimmung könnte kippen, habe ich mich in den Schein von
Gemütlichkeit in seiner Anwesenheit geschmissen. Angst vor Reaktionen:

Denn der Busfahrer lugte schon und dachte scheinbar laut: „Richtig kann das nicht sein.“, als er mir
unter das Kleid griff.

Geistiges Wirren im Tumult der Stimmen, während Körper einander fest umschlingen. Und meine
Hände, die nach Luft, mehr Raum und Hilfe ringen…

Zuhause dann die Kreise der Uhr nachgefahren, mit leerem Stift und tristen Farben – Zeiger kurz vor
12. An mir – entstehen Narben. Kurz vor einem Kollaps in den eigenen vier Wänden.

Mit Fingern, die Papier rau und schwer beschreiben. Und einer jungen Frau, der Schreiben mit Tinte
auf Papier die Welt bedeuten. Schlaflose Nächte und zu langes Sinnieren. Die Haut am Kinn und der
Wange vom Denken abgerieben. Und der erste Absturz, heulend in seinen Armen. Keine Fragen, nur
Namen. Nur Gedanken und Flaschen, die an dem Abend alles Denken neu erschaffen.

Die rote Farbe längst abgeblättert, darunter tiefes Grau. Ziellos lief ich umher, ich weiß es noch
genau, traf ich den Jungen, der mich veränderte.

Du verzerrtest, was man mir einst das ,,Lieben“ lehrte. „Du hast das nicht verdient“, meintest Du.
Darauf schluckte ich schwer, sah neue Werte.

,,Warum fühle ich mich leer?“, frage ich an mich selbst gerichtet.
Du erwidertest, als hättest Du den Gedanken eben erst selbst erdichtet: „Weil dir bewusst wird, was
er dir angetan hat und was da in dir schlummert. Unsicherheit über Wärme, Liebe, Geborgenheit.
Und das, worüber andere längst verfügen, hast du dir selbst nicht zugesprochen, weil Mobbing es dir
verwehrte; dir das Ersuchen nach Respekt das Selbstvertrauen erschwerte. Lass los. Und lass einen
Teil deiner Last bei mir.“

Da war keine Gier.
Du erschufst mein neues Verständnis für ein WIR.

Und ich liebe dich dafür.

Noch nie empfand ich Liebe wie in solch einem Moment. Es war, als hättest Du den Kosmos
durchtrennt, der mich im hoffnungslosen Umherwanken ließ. Der das Herz und seinen tiefen
Schmerz nicht losließ. Du verstandst, dass mich Anerkennung auf social media zu nichts brachte, dass
es meine sozialen Kontakte abflachte und ich das Leben darauf nicht ertrug.

Und neue Energie mit dir an meiner Seite erschuf. Im realen Leben.

Denn:

jeder zweite Post mit Werbung deklariert, drum herum junge Menschen, die um ihre Identität
tänzeln. Dazu Oberflächlichkeit, die Stunden der Konsumenten* abdeckt, mich zutiefst
abschreckt…

Erschaffen wir uns selbst durch Posts oder haben wir uns bereits endgültig verloren, wenn wir so um
Aufmerksamkeit buhlen?

Ich dachte, es träfe mich beim besten Willen nicht. Das Schlagwort der Vergewaltigung. Das sitzt. Ich
dachte, es wäre weit weg von mir, sexuelle Belästigung im Zug – doch es war folgenschwer.

Ich dachte, ich könnte nicht mehr.

Auf die Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft von Passanten lässt sich Vieles verwetten. Meine
Gesundheit musste ich selbst retten, aber wenn Du den Menschen für Dich findest, der Du für mich
bist. Ist da keine Angst, kein Zögern, nichts. Dann bist Du für mich da. Und ich ein besserer Mensch.
Weil Du es schaffst, dass ich mehr für mich kämpf`. Und im Zug laut sage: „Stopp, hören Sie auf mich
anzufassen.“ Und die Menschen betroffen schauen und wir gemeinsam Umdenken bewirken. Wenn
wir wichtigen Themen Aufmerksamkeit schenken und nicht mehr länger nur an uns selbst denken.

Nicht davon ausgehen, da wird schon jemand sein…

Aus uns raus nach draußen schreien:

Ich lass Dich nicht allein.

Für den nächsten Absturz bin ich gewappnet, trotz Wut, Respekt, Angst. Ist da doch eins:
Liebe und Akzeptanz.

Hi, mein Name ist Johanna-Maria und ich habe ein Faible für Bücher und Literatur. In meiner Freizeit lese und tanze ich gern, auch der Kraftsport hat es mir angetan. Ich liebe es, meine Gedanken auf Papier zu bringen und hoffe, dass ich mit meinen Texten ein wenig Inspiration geben und zum Nachdenken anregen kann. Das Schaffen einer gerechteren Gesellschaft genießt für mich höchste Priorität; deshalb bin ich hier.