Zwei Menschen, eine Nacht im Club, ein Weg nach Hause und der Tag danach. – Anna Beda über sehr unterschiedliche Erfahrungen.
Ich sitze dir gegenüber. Eigentlich sitzt du eher neben mir. Auf meiner Fensterbank. Ich glaube, du sitz mir zu nah, aber es ist auch kein Platz für mehr Raum.
Und du bist mir zu nah, aber trotzdem höre ich nicht was du sagst. Du hast mich verloren, als du von gestern Abend erzählt hast.
Du hast laut gelacht. Zu laut. Du hast laut gelacht und erzählt von gestern Abend und der Nacht.
Was ein Club, hast du gesagt und ach so viele schöne Menschen. Wie die Musik gewummert hat, hast du gesagt. Du hast sie sogar noch auf dem Weg nach Hause über Kopfhörer gehört, um nicht zu vergessen, wie schön es gestern Abend war. Ach wie schön, hast du gesagt. Und dann hast du mich verloren, weil du schon längst von was anderem erzählst, während ich wieder im Club hänge. So wie gestern Abend.
Obwohl wir uns doch kennen, haben wir uns gar nicht gesehen. Aber ich hab auch alles dafür getan nicht gesehen zu werden. In meiner Clubhose und meinem Clubshirt, beides sehr weit und sehr lang, hab ich in der hintersten Ecke getanzt. Mehr gewippt, weil Tanzen wäre viel zu riskant. Die ganze Zeit habe ich auf meinen Becher gestarrt, um niemanden in die Augen gucken zu müssen und auch, um mich sicher zu fühlen, während ich aus dem Becher genippt habe.
Ich war mit Leuten da und trotzdem wurde ich angeguckt. Ich war mit Leuten da und trotzdem wurde ich angesprochen.
Ich bin viel früher gegangen als du und ich hab auch gar nicht hingehört. Also gar nicht hingehört, zu welcher Musik ich gewippt habe. Habe mich ständig vergewissert.
Du hast gefeiert und getanzt und gelacht und so viele schöne Menschen gesehen und ich wollte eigentlich nur nach Hause.
Und auf dem Weg nach Hause habe ich meinen Schlüssel in der Faust gehalten. Meine Knöchel spannen noch jetzt. Ich bin schnell gegangen und habe nicht daran gedacht, wie der Abend war. Ich habe auf die Straße geguckt und krampfhaft jedes Geräusch wahrgenommen. Mein Kopf packt das eigentlich nicht, dieses zuverlässig zuhören, aber alleine, auf der Straße, höre ich alles.
Ich hatte Angst. Du nicht. Und dann ist eine Gruppe Frauen kichernd an mir vorbei Richtung Zuhause und sie sahen so unfassbar nett aus. Und trotzdem bin ich schneller gelaufen, als ich sie das erste Mal gehört habe.
Auch jetzt, einen Tag später, mit dir auf der Fensterbank, fängt mein Bauch wieder fürchterlich zu kribbeln an. Ich sitze im Schneidersitz.
Ich habe die Straßenseite gewechselt und bin eine Straße zu früh abgebogen, um dem Mann auszuweichen, der den gleichen Weg hatte wie ich. Ich habe mein Herz klopfen hören und vor meiner Haustür nach links und rechts geguckt. Ich habe gezittert, als ich sie aufgeschlossen und dann schnell wieder zugeknallt habe. Dann habe ich meiner Freundin geschrieben, dass ich jetzt Zuhause bin.
Mein Herz hat gar nicht mehr aufgehört zu schnell zu klopfen und ich habe mein Kopf eingezogen, als ich im Bett lag und dann habe ich heute Morgen entschlossen, dass ich lieber nicht mehr in Clubs gehen will. Und jetzt kommst du und erzählst ganz benebelt von deinem Abend im Club und ich bin neidisch.
Vielleicht bin ich auch wütend, weil du mir erzählst, wie schön doch alles ist und für mich absolut nichts schön war. Vielleicht bin ich wütend vor Neid, weil ich auch das fühlen will, was du fühlst. Und du nicht fühlen kannst, was ich fühle. Und irgendwie weiß ich nicht weiter.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich finde es gemein ehrlich zu dir zu sein, weil du doch so glücklich bist. Aber du hast schon so viel Raum eingenommen, mehr als die Hälfte meiner Fensterbank und auch wenn ich mir heimlich mehr Platz zu erschleichen versuche, dominierst du uns.
Du kannst gar nicht verstehen, dass du mir gerade zu nah bist. Ich habe auch nichts dazu gesagt. Und ich gönn dir nicht, dass du mit Kopfhörern auf, nur deine eignen Probleme hörst. Also unterbreche ich dich und erzähle dir von gestern Abend.