AMS fragt sich, wie ein Leben in der Zukunft aussehen könnte, wenn AMS nicht in einer romantischen Beziehung lebt, sondern andere Formen des Zusammenlebens sucht.
Meine Oma fragt mich, ob ich an Weihnachten meinen Freund mitbringe. Oder an Ostern. Oder zum Geburtstag meiner Mutter. Immer. Wenn wir telefonieren, fragt sie mich wie es meinem Freund geht. Wenn sie mir schreibt, fragt sie, ob mein Freund bei mir ist. Oder ob ich einen neuen Freund habe.
Meine Tante heiratet im Sommer und meine Oma fragt, ob mein Freund mitkommt. Ich sage, ich weiß es noch nicht, denn meine Beziehung ist gerade etwas kompliziert. Ich sage, dass ich vielleicht einfach eine Freundin mitbringe, denn Freund*innenschaften sind genauso wichtig. Aus eigener Erfahrung ist auf sie auch mehr Verlass, sie halten länger, das sage ich aber nicht. Meine Oma sagt: Nein. Nur dein Partner ist eingeladen.
Meine Oma lebt seit 40 Jahren allein. Ich wohne seit 10 Jahren mit Freund*innen zusammen und kann mir nicht vorstellen, mit einem Partner zusammen zu ziehen. Oder Partner*innen, davon mal ganz abgesehen. Während meine Oma ein Leben als selbstbestimmte Frau geführt hat, hat sie gleichzeitig die Abzweigung zum feministischen Lebensentwurf um 180 Grad hinter sich gelassen hat, denn sie fordert von mir in jedem Kontakt die Einhaltung des konservativen Lebensstils. Ich habe immer so getan, als würde mich das kalt lassen. Bis die Einladung zur Hochzeit meiner Tante ins Haus geflattert kam, zu der ich noch nie viel Kontakt hatte. Meine Tante heiratet mit über 60 Jahren und als ich mir das Bild der beiden nicht mehr ganz so jungen Menschen auf der Hochzeitseinladung ansah, habe ich eine kleine Träne verdrückt. Wieso?
Mit Mitteendezwanzig habe ich realisiert, dass der Druck, den ältere Generationen dieser Gesellschaft auf mich aufgebaut haben nicht ganz an mir vorbei gegangen zu sein scheint. Mir fehlt es an weiblichen und oder queeren Vorbildern, die ihr Leben außerhalb dieser Erwartungshaltung führen. Ich wünsche mir eine Alternative aber kannte bis dato niemanden, der das verkörperte.
Kann es ein Leben für weiblich gelesene, nicht-binäre Menschen jenseits der 30 geben? Gibt es beispielsweise im beruflichen Kontext eine Perspektive, in der nicht die eigene Identität geleugnet werden muss? Wie kann Wohnen und Leben aussehen, wenn irgendwann die meisten Freund*innen um einen herum mit ihren romantischen Beziehungen zusammenziehen? Ist mir doch das Schicksal der komischen einsamen Katzenperson zugeteilt? Muss ich für immer in irgendwelchen Hausprojekten leben, mit denen ich mich doch nicht identifizieren kann, nur um nicht im Großstadtjungel komplett zu vereinsamen?
Das Bild der beiden nimmt mir den Druck. Den Druck, dass ich bis Mitteendezwanzig jetzt mal endlich den Partner fürs Leben gefunden haben muss und meine Beziehungen funktionieren müssen und es gab mir gleichzeitig die Hoffnung, dass jenseits der 30 noch so einiges auf mich wartet, von dem ich jetzt nicht mal die leiseste Ahnung habe. Zumindest für den Moment. Wir brauchen Vorbilder, um Alternativen denken zu können und den Mut zu haben, in sie zu vertrauen.
Eine gute befreundete Person hat vorgeschlagen ein Zukunftsplenum abzuhalten. Wieso sich nicht einfach für Freund*innen als Lebenspartner*innen entscheiden?