Das definiert uns?

2023-08-15_mT_Web_Beitragsbild_Johanna_GenZ

Johanna kritisiert die WDR-Doku „Wir, die Generation Z“, weil sie Vorurteile verfestige und einseitig darstelle. – Johanna plädiert stattdessen für eine Kritik der Aufmerksamkeits-ökonomie und die Zuwendung zum Nichts-Tun.

Die Generation Z.

Der WDR hat am 15.06.2021 begonnen, eine dreiteilige Dokumentation über die Generation Z auf YouTube hochzuladen. Unter der Leitfrage: ,,Die Generation Z, wie tickt sie und was macht sie aus?“ lassen sie Jugendliche im Alter von 15-17 Jahren sprechen und möchten damit einen Querschnitt unserer Generation ziehen, um mehr Verständnis zwischen den Generationen zu schaffen. Gelingt ihnen das? Meiner Meinung nach nicht. Und das insbesondere deshalb, weil es sich der WDR zur Aufgabe gemacht haben schien, in insgesamt ca. 70 Minuten Videomaterial die Pluralität unserer Generation darzustellen. Und dabei am Ziel vorbeigeschossen ist. Viel mehr festigt die Dokumentation einerseits Vorurteile, während auch fundamentale Problematiken der digitalen Generation über das ganze Video hinweg durscheinen. Letzteres ein klarer Pluspunkt.
Die Kommentarsektion füllte sich mit kritischen Kommentaren. Viele davon leider unsachlich. Gerade dann erschütternd, wenn man bedenkt, dass Jugendliche im Video auftreten, die sich trauen, vor einem Millionenpublikum zu sprechen und damit ihre Verletzlichkeit zur Schau stellen. Es hagelt also Aussagen wie: ,,Ich kann mich mit den Jugendlichen überhaupt nicht identifizieren“, ,,völlig unrealistisch“, andere schreiben, die Probleme seien damals wie heute die gleichen. Unrespektvolle Kommentare möchte ich hier nicht erwähnen, Interessierte können sich davon selbst ein Bild machen. Gelobt werden die Jugendlichen für ihren Mut dagegen kaum bis gar nicht. Das ist schade und unfair, wenn wir uns hinter Pseudonymen im Internet verstecken und die Kritiken verfassen, die anderen sehr wohl wehtun können.
Meine Kritik richtet sich keinesfalls an die Jugendlichen selbst. Sie richtet sich an die Automatismen, denen sich unsere Generation vermehrt unterzieht. Sie werden Opfer der Aufmerksamkeitsökonomie, was ihnen durchaus klar ist. Verschleiert bleibt aber, in welchem Maße die sozialen Medien ihr Leben beeinflussen, idealisieren, brechen, was ihnen genommen wird und welche Effekte unachtsamer Konsum auf ihre Beziehung zu Körper, Seele und den echten Zusammenkünften hat. Sind wir dabei, uns zu verlieren? Uns als Wesen mit Identität, die, ja, durch was eigentlich, gebildet und gefestigt wird? Jenny Odell bietet in ihrem Buch ,,Nichts tun“ neue Sichtweisen auf politische Aktionen und wie sie zustande kommen und schreibt von ihrer Liebe zur Vogelbeobachtung, bis hin zum Mammutbaum. Alles mit dem Ziel, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen und nachhaltig Veränderung herbeizuführen. Denn soziale Medien könnten zwar unterstützend wirken, um Kontakte aufzubauen, aber wahre Veränderung, wahre Freundschaften entstünden nur durch physikalische Zusammenkünfte.
Durch die Literatur und das Wissen, das ich mir bereits in jungen Jahren angeeignet habe, war es mir bereits früh möglich, differenziert auf meinen Medienkonsum zu blicken, auf soziale Medien, aber auch auf den Gruppendruck, den ich bei Alkoholkonsum immer wieder wahrnahm und der mir zuwider war. Gruppendynamiken, die sich wiederholen und Gruppenmitglieder, die alle eine bestimmte Rolle einnehmen.
Leider habe ich auch enorme Probleme mit der Videoreihe. Sie wirkt einseitig. Immerzu spielen Snapchat usw. usf. eine Rolle. Es wirkt als wäre eine Entsagung dieser sozialen Helferlein nicht in Sicht. Stattdessen sehe ich Einsamkeit die Gassen. Es ist sehr schade, welcher Einblick hier auf die Jugend gewährt anfüllen. Die Jugendlichen tragen ihr Handy beim Spaziergang immer bei sich, wenn sie reden, wenn sie interviewed werden. Viele Jugendliche im Video teilen den Wunsch, berühmt werden zu wollen und verbinden damit wenig Arbeit. Unsere Generation scheint Narzissmus, Unüberlegtheit, insbesondere viel Fantasie innezuhaben. Dass es damit nicht repräsentativ sein kann, ist logisch.
Viele Jugendliche sind sich ihrer eigenen Werte noch nicht bewusst, wiedersprechen sich in ihren Aussagen ständig. Das ist nicht schlimm, aber tiefergehende Gespräche sind nicht wirklich möglich. Einige Jungs reden im Video über die Oberflächlichkeit der Frauen, während sie die Pos vorbeilaufender Passantinnen filmen. Es ist ein bisschen wie der elephant in the room als über Sex und das erste Mal gesprochen wird. Die Jugendlichen antworten, indem sie das Wort umgehen. Irgendwie seltsam, wenn die meisten von ihnen Pornos schauen und auf Instagram & Co das perfekte Liebesleben sehen. In den Kommentaren habe ich auch einen Kommentar der Nutzerin ,,Itsdodid“ vorgefunden, die sich als Autorin des Films ausgibt. Sie schreibt unter Anderem: ,,[…] Es braucht extrem mutige und aufgeschlossene Jugendliche und genauso mutige und offene Eltern, die bereit sind, sich authentisch und ehrlich Millionen Menschen auszusetzen. Allein da wird die Auswahl nicht repräsentativ sein. Denn der schüchterne, ängstliche Jugendliche mit genauso zurückhaltenden Eltern wird ganz sicher nicht ja sagen. So wird eine Doku zu einem Thema nie repräsentativ sein, denn die Menschen, die sich bereit erklären mitzumachen, haben etwas gemeinsam, das den anderen fehlt. […] Eines würde ich heute anders machen: mich für einen anderen Titel einsetzen. Vielleicht: “Wir sind auch die Generation Z.” Denn natürlich ist es so, dass es so viele Persönlichkeiten, Interessen, Ansichten etc. gibt wie Jugendliche.“
Es wäre sicherlich nicht falsch gewesen, diesen Kommentar anzupinnen. Und die gewünschte Änderung vorzunehmen. Aber es ist und bleibt YouTube. Und wird daher nie reale Zusammenkünfte ersetzen und die gleiche Aufmerksamkeit und Wirkung generieren.
Ich vermute, Konsum spielt eine viel größere Rolle, als wir ihm bisher zugestanden haben. Konsum prägt unsere Geschlechter und Normen. Definiert unser Verständnis von Ansehen, Geliebt werden und Status. Während meiner Recherche bin ich auf ein Video von Lisa Eckert gestoßen. In dem Video ,,Ist das lustig?“ von Sternstunde Philosophie (SRF) lässt Sie sich nicht zuletzt über das Gendern und Siezen aus.
Was ist Sprache und was sollte sie sein?
Ästhetischer Ausdruck? Lange nicht mehr, meint Lisa Eckert. Wir verlieren das Gefühl für Sprache. Durch die Relevanz der Pronomen, die wir vor einem Gesprächen festlegen wollen, bezögen wir alles darauf Gesagte direkt auf uns. Wären ohne Umschweife beleidigt und gekränkt und erzögen eine hypersensible ,,Schneeflockengesellschaft“, so die Schriftstellerein und Kabarettistin. Vereinfacht gesagt, verlangt sie von ihrem Gegenüber gesiezt zu werden. Die Freude sei größer, wenn man nach längerem Kennenlernen vom Du zum Sie wechsle. Die Ebene eine ganz andere, auch von Respekt und Autorität geprägt. Bei ihren Auftritten sei sie für das Publikum einer Domina gleich. Nicht immer werde gelacht, was sie aber nicht als mindere Unterhaltung ihrer Audienz wahrnimmt. Auch die Nachdenklichkeit des Publikums über Teile ihres strikt auswendig gelernten Programms seien nicht schlecht zu bewerten. Die Menschen würden über die Pointen nachdenken und sich eben jene eingangs erwähnte Frage stellen: Ist das lustig? Lisa Eckerts Ansichten sind provokativ, aber genau das benötigen wir nach wie vor. Fragen und Ansichten, die in uns etwas bewegen und ermitteln, wo es wehtut, wo etwas noch nicht stimmt, wo sich unsere Gesellschaft noch nicht Richtung Konsens bewegt.
Und auch hier schließt sich ein Kreis, wenn wir daran denken, welche Zugang zu Sprache uns Memes, Shorts auf YouTube und Instagramreels verschaffen. Es wird in nunce vermittelt, sodass es einer Entfremdung gleichkommt zwischen dem Jetzt und dem Dort.
In der Konklusion ist es deshalb wichtig, wenn wir uns etwas Zeit im Alltag einräumen. Zuletzt las ich, dass man, wenn man von etwas überzeugt ist, die Gegenthese bilden soll. Schafft man es nicht, sie faktisch zu entkräften, könnte das ein Zeichen sein, seinen eigenen Standpunkt zu überdenken.
Lasst uns etwas Abstand von ,,denen da draußen“ nehmen und mal in uns gehen. Da ist so viel Potenzial in uns. Und das kann auch im Nichtstun lauern. Und mit nichts tun, meine ich nichts. Nix, absolut nix. Vielleicht kann das schon bewirken, dass Du, liebe*r Leser*in nun deinen Bildschirm erlischen lässt und dich der Kunst des Ruhens und des inneren Friedens öffnest.

Hi, mein Name ist Johanna-Maria und ich habe ein Faible für Bücher und Literatur. In meiner Freizeit lese und tanze ich gern, auch der Kraftsport hat es mir angetan. Ich liebe es, meine Gedanken auf Papier zu bringen und hoffe, dass ich mit meinen Texten ein wenig Inspiration geben und zum Nachdenken anregen kann. Das Schaffen einer gerechteren Gesellschaft genießt für mich höchste Priorität; deshalb bin ich hier.