Dominik ist neuer Autor auf meinTestgelaende.de und legt gleich los mit seinem ersten Text. Auch Dominiks Autorenprofil ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Lest rein!
Man stelle sich folgendes Szenario vor:
Max: „Ich lebe nun schon seit ganzen drei Wochen vegan und gutes Essen ist mir sehr wichtig, aber jetzt brauche ich einfach erstmal eine Schnitzel von dieser Imbissbude da drüben. Kuck mal, kostet auch nur 1,80€! Voll gut!“
Würde ein solches Gespräch tatsächlich stattfinden, könnte man Max den Vorwurf machen, dass seinen Taten nicht mit seinen Meinungen nicht übereinstimmen („You don’t practice what you preach!“), was eine schwerwiegende, jedoch berechtigte Anschuldigung darstellen würde.
Max wird also vorgeworfen, dass sein Handeln nicht mit dem vereinbar sind, was er von anderen erwartet und nach außen hin vertritt.
Ein weiteres Beispiel, in dem ein derartiger Vorwurf Berechtigung findet, ist folgende Situation:
Vater/Mutter:
„Kind, du solltest nicht rauchen!“
[Währenddessen steckt er/sie sich selbst eine Zigarette an.]
Hier wäre zu fragen, wie der Elternteil glaubt seine Forderung rechtfertigen zu können, wo er ihr doch selbst nicht entspricht?
Sieht man sich mit dem Wissen um diesen argumentativen Fehler einmal die Ansichten und Handlungen von Menschen an, die ein stark konservatives, bis extremes Weltbild vertreten, wird dieser Fehler schnell und in vielerlei Ausführungen erkennbar.
Wie z.B. kann man ernstlich vertreten, dass Ausländern dem eigenen Land fern bleiben sollen, zugleich jedoch selbst Produkte aus eben diesen anderen Ländern konsumieren?
Wie kann man sich als national-rechtsradikale Gruppierung mit scheinbar Gleichgesinnten zu einem europaweiten Kongress treffen?
Wie kann man eine Kultur gegen äußere Einflüsse verteidigen wollen, obgleich auch diese überhaupt erst durch Einfluss so vieler äußerer Faktoren zu dem wurde, was sie ist?
All das sind Denkmuster, die ich nicht verstehe.
Für mich sehen diese Strukturen aus, als würden Menschen, die einer derartiger Auffassungen anhängen, den Fehler im rechten Bild einfach nicht sehen und partout nicht davon abweichen wollen, oder können. Ich möchte mich selbst keinesfalls als vorurteilsfreien Menschen bezeichnen, und dennoch glaube ich in den meisten relevanten Themengebieten zu erkennen, wenn die Giraffe rechts nur ein Ohr hat. Andere tun sich damit offenkundig schwerer. Für sie scheint in eigentlich unvereinbaren Positionen keine Unvereinbarkeit zu liegen.
Was also tun? In den Supermarkt gehen und auf alle Produkte, deren Inhaltsstoffe nicht zu 100% aus Deutschland kommen und die nicht in Gänze hier gefertigt wurden einen Warnhinweis kleben?
„Achtung! Ausländische Ware. Alle Mitbürger mit rechter Gesinnung bitte ganz hinter ans braune Regal. Dort gibt es noch Kartoffeln.“
Ist das die Lösung? Vermutlich nicht. Wie so oft, ist auch hier der Dialog und Bildung ein guter Ansatz, wie ich glaube.
Die Position Rechtsgesinnter ist falsch, doch muss man ihnen das in ihrer Sprache erklären. Die Positionen von Menschen mit rechtem Weltbild scheinen für diese genauso unumstößlich richtig, wie jene eines weltoffenen Bürgers. Ich glaube, dass hier tiefe Sozialisierungsprozesse eine Rolle spielen und man an diese nur mit einer gewissen Art von Verständnis herankommt.
In der Argumentationstheorie gibt es zu diesem Thema noch einen weiteren wichtigen Grundsatz: ob man eine Geschichte glaubt, oder nicht, hängt nicht von ihrer Vollständigkeit ab, sondern von ihrer inneren Stimmigkeit. Da man nun ein Weltbild mit wenigen Elementen schneller und zu einer scheinbar stimmigeren Geschichte formen kann, als eine umfassendere, wesentlich richtigere, liegt auf der Hand (ein Puzzle mit drei sehr großen und dicken Teilen ist robuster und schneller zusammengebaut, als ein 1000-Teile-Zeitvertreib). Daraus folgt, dass wer sich seine Welt ausschließlich durch wenige Vorurteile erklärt, scheinbar eine gute und sehr feste Erklärung von allem hat, obwohl dies nicht der Wirklichkeit entspricht und eine breiter aufgestellte Wissensgrundlagen die Widersprüche sofort entlarven würde.
Und deshalb, mehr miteinander reden! Auch wenn es schwer ist und obwohl die Mauern in den Köpfen gegenüber aussehen, als würden sie hoch und fest stehen.
Mehr diskutieren, offener werden und im Bestfall alle einsehen, dass eine Giraffe mit einem Ohr nicht gut hört.