Wie Feuer und Flamme

2017_05_23
(c) Felipe Bastos:  Friendship  (CC BY-NC 2.0)

Gute Freund*innen sind ein großes Glück. Gerade in schwierigen Zeiten tut es gut, wenn einem*einer Menschen beistehen. Und selbst, wenn sich Freund*innen irgendwann auseinander leben, kann allein der Gedanke an die gemeinsame Zeit eine Hilfe sein. Darüber hat Ozan Beydogan für uns geschrieben.

Was redet die da? Habe ich das richtig verstanden? Hat sie wirklich ihren Namen genannt? Den Namen dieses Mädchens, das mir einmal so viel bedeutet hat? Und eigentlich immer noch bedeutet. Auch wenn wir in letzter Zeit keinen Kontakt mehr zueinander hatten. Warum redet die so schlecht über sie? Sind die beiden nicht befreundet? Redet man so über seine Freunde? Es tut mir weh, diese schlimmen Worte über sie zu hören. Und ich spüre, wie langsam die Wut in mir aufsteigt. Am liebsten würde ich sie zur Rede stellen, aber ich habe Angst, dass ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle bekomme. Und überhaupt: Wäre sie damit einverstanden, dass ich sie hier verteidige?

Eigentlich geht es mich ja auch gar nichts an. Sollen die beiden das doch untereinander ausmachen. Weil ich die Situation nicht länger aushalten kann, gehe ich nach draußen, um zu rauchen.Es fällt mir aber immer noch schwer, das, was ich gehört habe, zu vergessen. Soll ich ihr davon erzählen? Und wenn ja wie, wo wir doch praktisch nichts mehr miteinander zu tun hatten?

Irgendwann, vielleicht eine halbe Stunde später, kann ich nicht mehr anders. Ich melde mich bei Facebook an und frage sie, ob ich sie kurz anrufen darf. Die Antwort kommt schnell und ist so, wie ich es befürchtet habe: „Nein. Das hatten wir doch schon geklärt.“

Ich weiß, sie muss das falsch verstehen, nachdem was war. Weil ich keine Lust habe, ihr eine lange Nachricht zu schreiben, frage ich, ob ich ihr eine Voicemail schicken darf. Da ich ihr erkläre, dass es wichtig ist, antwortet sie mit ja. Sie ist sehr erfreut und überrascht, nicht über ihre „Freundin“, sondern darüber, dass ich sie davor gewarnt habe. Sie sieht es wohl als Zeichen wahrer Freundschaft. Ja, es gab eine Zeit, da waren wir wirklich sehr enge Freunde. Unzertrennlich wie Feuer und Flamme. Nichts konnte uns auseinander bringen, da war ich mir sicher.

Der Grund für unsere enge und intensive Freundschaft ist die schwere Zeit, die wir gemeinsam überstanden haben. Wie zum Beispiel der Verrat meiner Schwester an meiner Familie und ihr als allerbester Freundin. Ich fühle mich oft einsam, bin traurig, dennoch gebe ich nie auf! Es gab eine Zeit, da lebte ich mit Vater, Mutter und meinen älteren Geschwistern unter einem Dach. Doch nicht sie waren es, die mir das Gefühl von Wertschätzung und Zusammenhalt gaben, sondern meine beste Freundin.

Bevor ich sie traf, war ich ein Arsch. Ich war asozial und hatte keine Hemmungen, Gewalt anzuwenden, besonders Frauen gegenüber. Das Mädchen, welches es am meisten abbekam, war meine ältere Schwester. Ich bin nicht der schlechteste Bruder gewesen, ich war beispielsweise immer für sie da. Nur, wenn mir etwas nicht passte, unterdrückte ich sie durch Gewalt. So brachten es mir meine Freunde bei und mein Vater lebte es mir unbewusst vor. Er zog vor sieben Jahren aus, aber verändern tat es nichts, ich blieb der selbe. Vor zwei Jahren lernte ich sie dann kennen, die ehemalige beste Freundin meiner Schwester, meine beste Freundin. Das erste Mal sah ich sie, als sie bei uns schlief.

Anfangs redeten wir nicht wirklich, bis ich ihr schrieb, um ihr eine Nachricht meiner Schwester zu senden. Wir schrieben und telefonierten am Abend auch. Wir verstanden uns einwandfrei und so wurden wir zu einem super Team. Sie veränderte mich sofort, aber das war nur möglich, weil ich ihre Persönlichkeit so klasse fand. Ein Mensch, der nicht über andere urteilte, der immer ehrlich ist, einfach ein echter Freund!

Ich weiß, ich bin noch sehr jung, aber ich hatte viele falsche Freunde, die mein Vertrauen aufs Übelste missbrauchten. Sie und ich stützten einander. Zum Beispiel in der Zeit, als meine Schwester mit meiner Familie brach, um zu ihrem Mann zu ziehen. In dieser Zeit erfuhr ich, dass eine Person, die immer für einen da ist, einem schnell ans Herz wächst. Es schweißt einen zusammen aus demselben Grund. Dazu gehört für mich auch, gemeinsam zu weinen.

Es war kein Weltuntergang, meine Schwester so zu verlieren, denn Bahar, meine beste Freundin, war neben mir. Aber ich wurde dadurch trotzdem ziemlich gefühlskalt. Mein Bild von einer Familie wurde zerstört und mein großer Bruder, der sich nicht für mich interessierte, bestätige es mir immer wieder.

Bahar wurde zu meiner Familie und ich erfuhr, dass es nicht nur die leibliche Familie gibt, sondern auch eine, die man sich selbst aussuchen kann, seine Freunde. Sie ist mir deshalb sehr wichtig geworden und umso größer war der Schmerz, als wir uns auseinander lebten. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, mit ihr Kontakt abzubrechen und alleine durch diese Welt zu laufen. Wir haben uns also auseinander gelebt und es hat mich schlimmer getroffen als alles andere, also was tue ich? Ich war traurig und verzweifelt, über Wochen und Monate hinaus. Was sollte ich ohne Bahar machen, sie war doch die einzige Person, die an mich geglaubt hat. Sie hat mir beigebracht: Glaub immer an dich selbst. Menschen kommen und gehen, du darfst dein Ziel deshalb nicht verlieren.

Und als ich dann in meinem Zimmer lag, traurig war und schwer atmete, merkte ich: Bahar ist jetzt seit zwei Monaten weg und ich bin immer noch auf meinem Weg. Ich bin nicht tot oder von meinem Weg abgekommen! An diesem Punkt habe ich gemerkt, ich brauche niemand, um meine Ziele zu erreichen und wenn ich anfange nachzudenken und traurig zu sein, denke ich daran, dass ich eine Familie da draußen habe, die immer für mich da ist. Dann höre ich auf, so traurig zu sein. Ich schließe schließlich meine Augen und denke mir: Du schaffst alles, was du dir vornimmst, wenn du etwas dafür tust!

 

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