Hohe Geschwindigkeiten und Adrenalin – nur etwas für Männer?

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(c) Sherwood411:  DSC_0151  (CC BY-NC 2.0)

Sebastian Vettel, Michael Schumacher, Nico Rosberg …. Es ist ähnlich wie im Fußball. Wenn die Männer spielen bzw. fahren, sitzt die halbe Nation vorm Bildschirm – und von den Frauen hört man fast überhaupt nichts, obwohl sie teilweise erfolgreicher sind. Versucht euch einen Moment lang daran zu erinnern, wann ihr das letzte Mal eine Radio- oder Fernsehnachricht über den Erfolg einer MotorrennsportlerIN gehört habt… Wie häufig aber habt ihr hingegen innerhalb der letzten Jahre Nachrichten über den aktuellen Zustand des verunglückten Schumachers erhalten?

Im Alltag wird deutlich – es sind immer die Frauen, die daran schuld sind, dass der Mann sich anstelle des Sportwagens schon wieder einen praktischen Combi hat kaufen müssen. „Die Koffer müssen reinpassen, zu viel Sprit darf der Wagen auch nicht verbrauchen und die Farbe ist natürlich wichtig!“ sind die einzigen Aspekte, auf die sich eine Frau beim Autokauf angeblich bezieht. „So schnell wie möglich! Und natürlich sportlich aussehend!“ sei das einzige, was für den Ehepartner zählen würde.

Geschichte

Angefangen hat es für die Frauen doch eigentlich ganz gut. Die selbstbewusste Berta Benz lieh sich einfach mal ohne zu fragen 1888 den Wagen ihres Mannes und bewältigte die Strecke Mannheim-Pforzheim problemlos. Frauen am Steuer blieben bis auf diese Ausnahme jedoch noch Jahrzehnte danach eine absolute Seltenheit. Denn bis in das Jahr 1958 durften deutsche Frauen ohne die Erlaubnis des Ehemannes oder Vaters noch nicht einmal eine Führerscheinprüfung ablegen.

Und heute? Gibt es wirklich keinen weiblichen Champion wenn es darum geht in einem Fahrzeug in Höchsttempo eine kurvige Strecke zu überwinden?

ChampionInnen am Steuer

„Den Frauen fehlt das Testosteron. Sie sind vorsichtiger, haben stärkere Bedenken und trauen sich nicht so viel.“ Dass das ganz sicher nicht auf jede weibliche Person zutrifft, bestätigen folgende Frauen:

In Großbritannien wuchs eine der größten weiblichen Motorrennfahrerinen auf: Pat Moss. Sie folgte ihrem berühmten Bruder, dem 16-maligen Grand Prix-Gewinner Stirling Moss. Auch sie hat inzwischen einige Trophäen und Medaillen nach Hause bringen können: drei Siege internationaler Rallyes, zwei vierte Plätze, jeweils eines beim RAC Rally sowie eines in der Liège-Rome-Liège Rally. Da diese Erfolge bereits in den 1950ern stattfanden, kann sie als eine der ersten erfolgreichen Frauen dieser Domäne in die Geschichtsbücher eingehen.

Die US-Amerikanerin Danica Patrick tritt einige Jahrzehnte später ins Rampenlicht. Seit 2005 ist ihre Karriere geprägt von Erfolgen. Ein Höhepunkt lässt sich sicher im Sieg in Japan 300 im Jahr 2008 sehen, durch den sie zur ersten und bislang noch einzigen Frau gekürt wurde, die ein Rennen der Indy Car-Sparte für sich entscheiden konnte.

Keiko Ihara kommt aus dem Land, in dem für Danica Patrick ein Traum in Erfüllung ging. Sie musste sich nicht wenigen Vorurteilen entgegenstellen und sich beweisen, bis sie es schließlich an die Spitze geschafft hat. Erfolgreiche Teilnahmen am europäischen Formel-Renault sowie am 24-Stunden Rennen von le Mans zeigen, dass sie hier nicht fehl am Platz ist.

Jutta Kleinschmidt ist an ihrem Namen als Deutsche identifizierbar. In der Paris-Dakar Rallye durchquerte die Athletin 2001 Frankreich, Spanien, Marokko, Mauretanien und Mali, bis hin in den Senegal und – holte sich den Gesamtsieg. Ihre Karriere begann sie 29 Jahre zuvor auf dem Motorrad und kurz nach ihrem Umstieg auf das stabilere Gefährt errang sie schon 1997 einen Etappenerfolg. Mit ihrem Gesamtsieg aber hat sie endgültig bewiesen, dass Frauen auch für lange Strecken ausreichend Ausdauer und Durchhaltevermögen aufweisen können.

Direkt aus der an Deutschland angrenzenden Schweiz kommt Simona De Silvestro. Im deutschsprachigen Raum blieb sie aber nicht lange, denn schon bald zog es sie nach Amerika in die IndyCar-Series. Inzwischen ist sie im australischen Profisport aktiv.

Harte Arbeit – Frauenbehauptung im männerdominierten Betrieb

Chancen haben die Frauen gegen männliche Gegner trotz ihrer körperlichen Nachteile. Zwar sind Frauen von Natur aus um 30% an Muskelmasse ärmer als Männer, im Autorennen kommt es aber mehr auf die Kraft im Verhältnis zur Größe an und der Unterschied zwischen trainierten Männern und Frauen liege in Bezug auf die Kraft, die sie aufbringen können nur noch bei 5%. Auch im technischen Hintergrund, bei Reperaturen und ingenieurswissenschaftlichen Optimierungsideen sowie auf Sponsorenseite beginnen allmählich Frauen auf die Bühne zu treten. Es befindet sich also etwas im Wandel.

Und dennoch: besonders auf deutschem Boden fallen den meisten fast ausschließlich erfolgreiche Männer ein, wenn die Wahl des Gesprächsthemas auf den Motorennsport fällt. Auch als junges Mädchen kommt man kaum mit dieser Sportart in Kontakt. Man kann sich als junge Sportlerin noch nicht einmal Ziele wie „Ich möchte der nächste Lewis Hamilton werden“ stecken. Trotz der vorgestellten erfolgreichen Rennsportlerinnen fehlt es an Idolen und Vorbildern. Besonders in der Nachwuchsförderung muss sich also noch vieles ändern.

Frauen auf vier Rädern

Im normalen Straßenverkehr sind Frauen tatsächlich ruhiger und vorsichtiger. Unfallstatistiken des Statistischen Bundesamtes bestätigen, dass 54 Prozent der Leicht-, 61 Prozent der Schwerverletzten und 74 Prozent der Getöteten männlich sind. Eine deutliche Mehrheit besonders wenn man beachtet, dass die Bevölkerung in Deutschland ziemlich exakt weiblich ist. Unfälle bezogen sich dabei auf jede Art der Verkehrsteilnahme, vom Fußgänger über den Fahrradfahrer bis hin zum PKW-Nutzer.

Dass das nun daran liegt, dass die chaotisch fahrenden Frauen stets Unfälle bauen, an denen dann die Männer sterben, ist nicht der Fall, denn Männer tragen mit 57% aller PKW-Unfälle häufiger die Hauptschuld an den Opfern. Auch ist es nicht so, als würden die Männer nur durch das Schnellfahren und ihre Risikobereitschaft häufiger auf den Straßen zu Schaden kämen. Bei Manövern wie „Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren“ die nicht selten in Frauenwitzen vorkommen, werden Männern genauso viele Fehler vorgeworfen wie Frauen.

In der „Nichtbeachtung der Vorfahrt bzw. des Vorrangs“ schneiden die Frauen mit 125 Fällen je 1.000 Unfälle tatsächlich minimal schlechter ab als die Männer (115). Dafür aber haben die Männer bei den Punkten „zu geringer Abstand, nicht angepasste Geschwindigkeit sowie Alkoholeinfluss“ wieder die Nase vorn.

Ein besonders großer Unterschied ergibt sich bei den jungen Fahrern: innerhalb der Altersgruppe 18-24 haben junge Männer ein wesentlich höheres Risiko, im Straßenverkehr zu sterben als junge Frauen: Im Jahr 2016 wurden 30 junge Frauen je eine Million Einwohner ihrer Altersgruppe getötet, bei den jungen Männern lag dieser Wert mit 103 mehr als dreimal so hoch.

Dennoch: genauso wie es falsch ist der Überzeugung zu sein, alle Frauen können nicht richtig einparken und würden regelmäßig rechts und links miteinander verwechseln, ist es ebenfalls nicht der richtige Ansatz, alle Männer pauschal als aggressive oft alkoholisierte Raser darzustellen.

Im Motorennsport sollte man den Frauen in jedem Fall eine Tür offen halten – und auch mit Automodellen spielende Mädchen sollte man nicht unbedingt zum Puppenpflegen zwingen.

Mehr dazu:

  • In diesem Text von Florian geht es um Claudia Neumann, Fußball-Kommentatorin beim ZDF, und um den Shitstorm, der ihr während der WM entgegen kam.
  • Und in diesem Text von Lilith gibt es ein Portrait der Männerfußballtrainerin Melanie Fink.

1999 geboren in Heppenheim, aufgewachsen in Hessen und Baden-Württemberg und inzwischen wohnhaft in Dresden. Deutschland habe ich inzwischen durch viele Hobbies im Bereich Musik, Sport, Poetry Slam und Wissenschaft recht gut kennengelernt, doch noch spannender als die regionalen Reisen sind die vielen Begegnungen und Erlebnisse, die ich dabei gesammelt habe. Mein Testgelände ist eine super Sache, um festzuhalten, was mich auf meinen Reisen bewegt, einige der Personen mit ihren spannenden Geschichten vorzustellen und euch Teil von Recherchen werden zu lassen, die mich brennend interessieren. Hier kann sich jeder trauen, das zu schreiben, was ihn bedrückt. Und somit: Viel Spaß beim Lesen, Hören und Schreiben!