Haszcara im Interview // Teil 2

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(c): Audiolith

Bereits im vergangenen Jahr – kurz nach ihrer Album-Release – haben wir Haszcara in Berlin zum Interview getroffen. Im zweiten Teil spricht sie über die Arbeit an ihrem aktuellen Album, ihren Umzug nach Berlin und ihr Verständnis von Feminismus – wie sieht’s beispielsweise damit in der Rap-Landschaft aus? Und lassen sich gesellschaftliche Strukturen durch Musik verändern? Lest selbst!

Du hast 2016 die Roter-Riese-EP rausgebracht, dein erstes Release nach dem VBT. Was ist seitdem passiert?

Nach Roter Riese habe ich meinen Bachelor fertig gemacht. Dann bin ich nach Berlin gezogen, habe ich eine Wohnung gesucht und ultraviele Leute kennengelernt. Ich war megaviel auf Cyphers unterwegs, habe viele Studios kennengelernt. Und dann auch den richtigen Produzenten. Ich habe Freund*innen gefunden, mich hier eingelebt und das Album gemacht, natürlich.

Wie lange hat es gedauert, das Album zu machen? Was war das für ein Prozess?

Ich habe den Produzenten kennengelernt und vom ersten Moment an im Studio haben wir eigentlich angefangen, das Album zu machen. Das war nicht sofort an unser Plan, aber wir waren gleich auf einer Wellenlänge. Ich wusste, er weiß das zu schätzen, er gibt mir Raum, auch, um mich weiterzuentwickeln. Das war im Dezember 2017. Und ja, jetzt im September (2018), wie eine Schwangerschaft, neun Monate später, ist das Album dann rausgekommen. Und die Songs waren zum Teil schon fertig. Ab dann habe ich mir quasi immer mehr explizit Gedanken darum gemacht, was soll auf das Album, was will ich da für eine Struktur, wie soll das alles aussehen. Habe Arrangements fertig gemacht, neue Texte geschrieben, Texte überarbeitet und Beats gemacht.

Und wie kam das dann zur Audiolith-Zusammenarbeit?

Die kannte ich schon ein bisschen länger, und ich bin ein paar Mal mit deren Künstler*innen aufgetreten. Dann haben die mich einfach angeschrieben und gefragt, ob ich gerade an einem Album arbeite und wenn ja, dass ich ihnen gerne etwas schicken kann. Das habe ich dann gemacht, die hatten Bock und dann ging‘s los.

Wie ist das Gefühl, jetzt, wo das Album draußen ist?

Krass. Ich bin erleichtert, dass es vorbei ist, sage ich mal. Aber irgendwie ist es nicht vorbei, weil ich ja immer noch Interviews habe und Tour und Sachen machen muss. Aber wenn man so eng damit arbeitet und so viel selbst macht, verliert man irgendwann ein bisschen den Bezug dazu. Man sieht das Album vor lauter Tracks nicht. Und ich hatte das ja auch schon ein paar Monate vorher in der Hand. Schwer zu glauben, dass man das gemacht hat. Also ich bin auf jeden Fall stolz und froh, aber irgendwie wusste ich ja schon immer, dass ich das mal mache. Deswegen fühlt es sich irgendwie auch natürlich an.

Und nach Berlin zu gehen, wo essehr viele Menschen gibt, die Musik machen: Würdest du sagen, dass das cool ist, weil man Möglichkeiten hat, zu connecten, oder dass es auch stressig ist?

Megacool! Endlich hat man Leute, die so denken wie man selbst. Oder mit denen man die ganze Zeit Wortwitze machen kann oder Freestylen oder sich gegenseitig unterstützen kann. Bisher habe ich megacoole Leute hier kennengelernt, die Mucke machen.

Und was ist der Vorteil daran, so eine Community zu haben?

Es ist einfach schön und man kann die Kreativität ausleben. Ich habe gar nicht genug Zeit, alle zu treffen, die ich treffen will. In Göttingen gibt es zwar auch eine kleine Rap-Szene. Kurz bevor ich weggezogen bin, habe ich mich da mal mit ein paar Rappern getroffen und einen Track gemacht, den wir leider nie fertig gemacht haben. Aber ja, es gibt ganz viel Kraft und Selbstbewusstsein. Egal welche Songs man hat, es ist einfach schön, eine Leidenschaft zu teilen. Ich habe auch viele Mädels kennengelernt oder lerne sie besser kennen. Ich habe Freundinnen die rappen. Und es ist das Geilste, wenn ich auf einer Cypher mit noch zwei Mädels alles zerreiße.

Sind Frauen im Rap in Berlin präsenter als anderswo in Deutschland?

Vermutlich. Ich kenne auf jeden Fall viele, aber ich habe halt auch mit vielen zu tun. Es ist ja auch immer ein Ding der Sichtbarkeit. Wer traut sich raus? Und ich glaube, es ist in einer Stadt wie Berlin einfacher, an Kontakte zu kommen, sogar Frauen, die dann sagen: „Ey, komm doch mal mit“, die sich gegenseitig unterstützen. Oder wenn man sieht, ach krass, da rappen schon zwei Frauen, dann traue ich mich jetzt auch. Ist natürlich etwas anderes als wenn du die Einzige bist und das zum ersten Mal machst.

Hast du Erfahrungen gemacht, dass der Support von Frauen stärker ist als der von Männern? So innerhalb der Szene?

Nein, aber anders. Ich habe neulich eine Nachricht bekommen von einer anderen Rapperin, die diesen positiven Sexismus kritisch hinterfragt. Es ist natürlich irgendwie positiv, aber trotzdem sexistisch, wenn du, weil du eine Frau bist und ans Mic gehst, bevor du überhaupt gerappt hast, Applaus kriegst. Es kann irgendwie cool sein, aber es kann auch verunsichern. Und ja, von den meisten Jungs habe ich auch schon Support bekommen. Manche flirten einen dann halt an beim Rappen. Ist halt für manche cooler, für andere weniger cool. Aber für mich, muss ich sagen, ist es schon das Schönste, mit meinen Mädels irgendwie da zu sein. Und dass wir uns gegenseitig unterstützen. Sich gegenseitig zu pushen, wenn die eine einen Auftritt hat, nimmt sie die andere mit, lässt sie mit auftreten oder so.

Hast du Ziele mit der Musik – persönlich, politisch, gesellschaftlich?

Jein. Auf der einen Seite Nein, weil Musik für mich schon immer Therapie war und ich schon immer Musik gemacht habe, egal, ob ich damit erfolgreich war oder nicht. Und es hat mir schon immer durch schwere Zeiten geholfen, oder dokumentiert diese auch. Auf der anderen Seite Ja, weil ich sehe, dass ich das Potenzial hätte, zumindest wird mir das oft gesagt, in den Mainstream zu kommen. Und selbst wenn nicht, für mich bin ich schon erfolgreich. Also, hallo, ich habe ein Album herausgebracht, ich gebe regelmäßig Konzerte. Leute schreiben mir jeden Tag. Natürlich habe ich keine Millionen Klicks, aber ich kann irgendwie halbwegs davon leben. Also, plus Workshops. Aber genau, politisch habe ich schon den Anspruch und die Lust, was zu bewegen in der Welt, doch. Weil ich auch schon durch Musik bewegt wurde. Egal in welcher Hinsicht, ob jetzt politisch oder psychisch, sage ich mal, war Musik immer Teil davon. Und wenn ich das kann und wenn ich anderen so gut tun könnte, wie andere mir mit ihrer Musik gutgetan haben, dann möchte ich das gerne tun, ja. Davon zu leben wäre geil, und vielleicht auch gut zu leben, ein bisschen für den Urlaub sparen zu können. Weil ich so vermutlich immer noch am meisten Zeit für Mucke habe, mehr als wenn ich einen Nine-to-Five-Job hätte. Manchmal wünsche ich mir das wieder, so zur Inspiration und um ein bisschen den Kopf frei zu kriegen. Muss man halt immer ein bisschen aufpassen.

Das wäre jetzt auch meine Frage, inwieweit sich Themen, über die du rappst, irgendwie dadurch verändern, dass du Vollzeit-Rapperin bist. 

Ich frage mich, wie andere Künstler*innen das machen, dass sich irgendwie auch die Themen wiederholen. Wenn es mir jetzt so manchmal geht, wie ist das denn bei Leuten, die wirklich nur das machen. Musik oder Kunst wird ja beeinflusst durch äußere Umstände, die im Inneren etwas bewegen. Und wenn das immer gleich bleibt, was sollst du dann schreiben? Da muss man gucken, hat man damit ein Problem oder ist es einfach auch mal okay. Jeder zweite 187-Song geht darüber, dass sie es geschafft haben. Und es funktioniert trotzdem, weißt du. Deswegen würde ich es jetzt per se nicht als Problem bezeichnen. Aber natürlich muss man gucken, was man will. Das ist nicht nur für die Musik, sondern einfach generell für den Seelenfrieden gut. Routine ist wichtig. Es ist aber auch wichtig, sich weiterzuentwickeln. Und ich glaube, wenn man selbst einen Lerneffekt oder Emotionen hat oder so, dann wird man auch weiter Mucke machen. Das ist, was für mich Musik interessant macht. Es gibt natürlich auch eine Menge von diesen kalkulierten Songs, die, glaube ich, sehr wenig Emotionen haben und sehr wenig Geschichte.

Vielleicht nochmal zum Albumsound: Hast du dir das im Vorfeld überlegt oder einfach gemacht?

Ich wollte, dass es besser klingt als Roter Riese (lacht). Und das ist auch mein Anspruch für das nächste Album, dass es einfach besser klingt. Nein, ich habe geguckt, was habe ich, was passt zusammen, was ist mir wichtig, was finde ich cool. Und ja, habe megaviel gelernt über Sound. Bin mir deswegen auch sicher, dass das nächste Album besser wird. Und dass es einfach immer besser wird, weil man sich erstmal trauen muss, überhaupt etwas zu machen. Und nur so dann halt lernt. Wie klinge ich am besten, welche Stimmlage, welche Emotionen. Auch beat-technisch, natürlich. Es gibt ultrageile Plug-Ins. Das wusste ich nicht bis vor ein paar Monaten. Wo ich auch sagen muss, das habe ich erst seit Berlin. Langsam verstehe ich, wie Musik-Business läuft. Und dass da zum Teil echt viel Business ist und wenig Kreativität. Oder dass auch ganz viel damit zusammenhängt, wie etwas gemischt ist. Ein bisschen muss ich schon überlegen, was kommt gut an, aber das bin halt immer noch ich. Also so, weißt du, man ist ja immer einfach beeinflusst von dem, was um einen herum passiert.

Und der Albumtitel, Polaris, was steckt dahinter?

Mehrere Sachen. Einmal dass ich eh schon dieses Galaxy-Thema hatte mit Roter Riese, und da irgendwie drinbleiben wollte. Und es immer wieder in meinen Texten vorkommt, irgendetwas was mit Weltall. Dann steckt da ja polar drin, also zwei Pole, polarisierend. Irgendwie war ich schon immer polarisierend, ob ich es wollte oder nicht. Dann der Polarstern, der gilt als Orientierung. Und im Gegensatz zu Roter Riese, wo es um recht tiefe Abgründe geht, habe ich bei Polaris schon mehr gefunden, wer bin ich, wohin ich will. Ich habe auch mehr Ruhe gefunden.

Krass, so etwas in Berlin zu finden.

Ich glaube, das hat auch gar nicht so viel mit Berlin zu tun, sondern mit mir selber.

Ich kenne auch einfach Leute, die in einer ähnlichen Phase waren, dann hier gelandet sind und das dann einfach too much war. Aber du hattest natürlich auch ein anderes Ziel.

Genau. Also, Berlin ist natürlich eine Stadt, in der man sich verlieren kann. Aber da ich zum Beispiel keine Drogen mehr nehme und nicht mehr gerne feiern gehe, steht das eh außer Frage. Und ich genieße das sehr, hier unterzugehen. Ein Gefühl, das mich ganz lange begleitet hat, ist aufzufallen und im Mittelpunkt zu stehen, anders zu sein. Und dass alle einen kennen. Und das genieße ich sehr, dass es hier nicht so ist. Das hat nichts mit Berlin zu tun. Damit meine ich, dass ich eh schon in Göttingen ganz viel Vorarbeit geleistet habe. Ich habe mich da sehr intensiv mit meinem Innenleben auseinandergesetzt.

Du hast Feminismus angesprochen, teilweise auch Widerspruch. Was bedeutet Feminismus für dich so? Und was ist dann der Widerspruch?

Zu Rap, quasi?

Oder wo du für dich Widersprüche findest.

Feminismus bezeichnet für mich die Idee davon, dass Menschen unabhängig von Geschlecht den gleichen Wert haben sollten und sich frei entfalten können. Von mir aus kann man es auch Humanismus nennen oder Emanzipation. Das ist mir relativ egal. Weißt du, ich habe keine Angst vor dem Begriff Feminismus. Viele, die selber wahrscheinlich eigentlich feministisch denken, lehnen den Begriff ab, weil sie denken, dass sie dann für Alice Schwarzer gehalten werden. Wo ich auch sagen muss, das ist nicht mein Feminismus. Für mich gehört das alles auch zusammen. Ich bin nicht nur Feministin, sondern setze mich auch für Antirassismus ein oder betrachte die Welt als ein sehr komplexes System, indem man nicht alleine Frauen betrachten kann oder Ethnizität oder Klasse oder Nationalität oder so. Und insofern könnte man es als Widerspruch bezeichnen. Es ist eine coole Frage, eine richtig gute Frage. Weil es für mich eben kein Widerspruch ist oder es mir wichtig ist, auch Widersprüche auszuhalten. Weil was mich megakrass nervt, ist so eine Abschottung einer Szene vom Rest der Gesellschaft. Ich kann es verstehen aus Selbstschutz, aber sich dann nur noch darin zu bewegen und alles was außerhalb passiert, ist scheiße – so einfach ist das leider nicht. Ich glaube, dass es superwichtig ist, alle Menschen erstmal als Individuen wahrzunehmen. Die wenigsten sagen von sich: „Eh, ich bin ein Sexist.“ Das war ja auch mit diesem Typen so, dass der sich gleich angepisst gefühlt hat, weil ich ihn kritisiert habe, aber ihn als Person nicht angreifen wollte. Ich habe gelernt, dass wenn Menschen sich persönlich wertgeschätzt fühlen, sie dir dann viel eher zuhören, als wenn du gleich sagst: „Du bist voll der Bauer, du bist voll der Macker.“ Und dann gibt es wieder zwei Fronten, die Feminist*innen und die Rapper, zum Beispiel. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dadurch wie ich bin, irgendwie offen und sympathisch, wertschätzend, aber natürlich schon konsequent, dass ich dadurch viele Leute erreichen kann. Auch Leute, die vielleicht sonst erstmal denken würden, was will die Olle denn?  Ich habe mich zum Beispiel viel mit Body Positivity beschäftigt. Und mir hat Feminismus und das Abhängen in den Kreisen ultrakrass geholfen als Jugendliche. Wo ich aber sagen muss, dass ich da auch nicht alles cool fand und sich irgendwie in mir die Idee festgesetzt hat, ok, Sport ist komplett scheiße. Und Salat auch. Und es ist voll rebellisch, wenn ich jetzt nur noch Fastfood esse und so, weißt du. Ich habe den Eindruck, dass es manchmal so verstanden wird, als dürfte man nicht auch etwas für den Körper tun, oder so. Ich weiß nicht, ob es mein persönliches Missverständnis war. Ich habe auf jeden Fall lange gebraucht um zu verstehen, ich kann Feministin sein und Sport machen. Das ist kein Widerspruch. Oder ich halte ihn aus und gucke dann weiter. Aber die Welt ist halt nicht schwarz-weiß, auch nicht glatt.

Hast du das Gefühl, dass die Musik, die du machst, Musik für eine Community ist oder eine Musik für alle?

Du stellst echt gute Fragen, muss ich sagen! Für alle, die sich einer Community zugehörig fühlen, ob bewusst oder nicht. Aber ich muss sagen, ich stelle schon fest, dass ein rein weißes bürgerliches Publikum, das nicht viel mit Rap am Hut hat, anders auf meine Texte reagiert als Leute, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich. Oder Ahnung von Rap haben. Ich finde, das ist ein cooler Schnittpunkt bei mir, weil ich habe nicht nur ein politisches Bewusstsein und Bock was zu verändern, sondern ich kann auch gut rappen. Und deswegen kann ich Leute erreichen, die guten Rap mögen. Ich weiß einfach, dass ich Flow habe, dass ich musikalisch bin und dass ich geile Reime mache. Da kann mir keiner etwas erzählen. Ob jetzt meine Stimme gefällt oder wie ich Sachen betone, oder meine Beats, das ist etwas anderes. Damit erreiche ich vermutlich Leute, die das zu schätzen wissen und es fühlen. Auf der anderen Seite erreiche ich Frauen, die etwas Ähnliches erlebt haben. Oder aber auch Typen vielleicht, die so denken. Oder Leute mit Rassismus-Erfahrung. Oder Leute, die Scheiße erlebt haben oder erleben und wissen, wie sich das anfühlt, oder ihr Eigenes daraus ziehen. Und ich würde schon sagen, es ist jetzt nicht so Musik zum Nebenbei-Hören im Radio ist. Kann auch sein, dass sich das ändern wird. Aber jetzt waren das halt die Themen, die mich krass beschäftigt haben. Und deswegen ist die Musik so geworden, wie sie geworden ist. Und, wie gesagt, ich muss schon sagen, dass ich also auf jeden Fall bis jetzt, sehr wenig darüber Gedanken gemacht habe, wie das jetzt am Ende klingt oder so. Sondern einfach für mich, tatsächlich so kitschig wie das klingt, aber das einfach für mich gemacht habe.

Dein Label Audiolith sagt über dich: „Punchlines und Gesellschaftskritik, Turn-Up und Emotionalität, Wortwitz und Empowerment.“ Auf der einen Seite die Rap-Vokabeln, auf der anderen eher politische Begriffe. Ist das die Schnittstelle, in der du dich bewegst?

Also, ich weiß, dass das eher Gesellschaftskritik ist. Eigentlich eher eigene Reflektion, mit dem Hintergrund natürlich, dass ich studiert habe, dass ich mich politisch irgendwie organisiert habe, dass ich ein Wissen habe, worauf ich zurückgreifen kann. Aber natürlich gibt es auch Turn-Up. Ich will nicht auf Teufel komm raus lieb sein. Und auch nicht auf Teufel komm raus Party machen. Ich will authentische Musik machen. Oder ein authentisches Leben führen. Für mich selber authentische Beziehungen und eine authentische Beziehung mit mir selbst. Und dazu gehört auch, authentische Musik zu machen. Das heißt, dass ich mich damit identifizieren oder wohlfühlen muss. Ich kann ja auch mal eine Geschichte erzählen. Das ist dann eine Rolle, die man spielerisch annimmt. Und ja, es ist so ein Mix aus „Ich sage das, was mir durch den Kopf geht“ und „Manchmal ist es mir egal, was andere darüber denken“. Und dann sage ich auch mal Bitch oder so. Und mir ist bewusst, dass Leute das hören und das es etwas mit Leuten macht. Und achte dann vielleicht darauf. Aber dann eher für junge Menschen, für Leute, die noch ihre Persönlichkeit formen. Da achte ich lieber drauf als jetzt auf irgendwelche Zeigefinger.

Das ist voll interessant, weil du ja eben auch meintest, du musst Widersprüche für dich aushalten. Dann müssen es auch Leute, die die Musik hören. Wie kann man das aber vermitteln?

Indem man es einfach macht. Ich bin so‘n bisschen in dieser Zeckenrap-Schiene gelandet, was bedeutet, dass ich auch mit diesen Maßstäben gemessen werde. Und das habe ich für mich erlebt, dass Leute, die sich in der Szene bewegen und sonst nicht mal Rap hören, solche Sachen nicht verstehen. Und dann mit dem Finger darauf zeigen. Und man sich irgendwie krass konsequent verhalten muss und so Vorzeigefeminist ist. Oder auf einer Party, wenn man mal ein bisschen zu viel säuft und irgendwie rumtwerkt, da wird dann ziemlich genau drauf geschaut. Das ist etwas, das vielen die Hände bindet, Tracks zu machen, die dann Angst haben, was die Leute sagen. Und es ist egal, ob es um Feminismus geht oder Nahostkonflikt oder sonst etwas. Man muss immer irgendwie Position beziehen. Und einerseits ist das wertvoll und super gut. So entwickeln wir uns weiter, indem wir uns kritisieren. Auf der anderen Seite habe ich für mich gelernt, dass es Leute gibt, die „behindert“ und „schwul“ sagen. Und sich aber trotzdem im richtigen Moment für einen Mensch mit Behinderung oder einen Homosexuellen einsetzen. Oder in Beziehungen cool sind. Oder wie auch immer. Und Leute, die das alles nicht sagen, genau dieses Vokabular auf dem Schirm haben und sonst alles gelesen haben, zwischenmenschlich aber scheiße sind. Und dementsprechend auch zu Frauen scheiße sind. Wenn ein Rapper jetzt in den Texten andauernd irgendwie schlecht über Frauen redet, dann würde ich jetzt nicht sagen, ist doch nur Sprache. Aber, wie gesagt, man sollte da ein bisschen mehr open minded sein und auch mal jemandem zuhören, der nicht dieses Vokabular kennt oder keinen Bock drauf hat. Finde ich auch scheiße, aber deswegen ist der jetzt nicht gleich ein schlechter Mensch. Natürlich ist es wichtig, auf einer Party zum Beispiel, jemanden einfach rausschmeißen zu können, wenn er sich scheiße benimmt. Aber irgendwie sind wir alle auch erwachsene Menschen, die Teil eines Systems sind. Und wie soll jemand jemals etwas verstehen, wenn er sich gleich angepisst fühlt. Da hätte ich auch keinen Bock drauf, ganz ehrlich. Und ich glaube, dass es viele aktuelle Probleme auf der Welt gibt, weil sich Leute nicht ernst genommen fühlen in ihren eigenen Struggles. Deshalb finde ich auch, dass Menschen in der Lage sind, sich zu bilden und zu verstehen und empathisch zu sein. Aber man muss ihnen dazu auch die Chance geben.

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Moin! Ich bin Haszcara aus Göttingen und arbeite bei meinTestgelände mit, weil ich es wichtig finde, eine Plattform zu unterstützen, die sich für Geschlechtervielfalt und Gerechtigkeit einsetzt. Außerdem liegt es mir am Herzen, emanzipatorische Inhalte zu verbreiten.