Eine Kindheit während Corona

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(c) m.gifford  Kids  (CC BY-NC 2.0)

Das Jahr der Pandemie war bislang für uns alle schwierig, kompliziert und überfordernd. Unsere Autorin Marie berichtet in diesem Text aus ihrem Alltag mit ihrem kleinen Sohn, denn Eltern stehen nochmal vor ganz anderen Herausforderungen und Fragen. Sollte mein Kind einen Mund-Nasen-Schutz tragen? Wie gehe ich mit Ängsten um? Wie erkläre ich die Situation altersgemäß? Wie können die Kinder trotz allem noch, ganz einfach, Kinder sein?

Als die Pandemie ungefähr im Januar 2020 zu uns nach Deutschland schwappte, hat glaube ich niemand geahnt, was das bedeuten würde. Für uns Menschen, für unsere Kinder, unsere Eltern, für chronisch Kranke, überhaupt das Berufsleben und für den häuslichen Frieden.
Sicherlich hat man die Situation anfangs erst unterschätzt, dann, als der „Lockdown“ kam, Panik um seine Existenz bekommen und nach dem „Lockdown“ war man genervt, weil es kein Ende zu nehmen schien und da realisierte man langsam, dass die Lage ja doch ernst ist.

Jeder Mensch wurde auf die Probe gestellt, ins kalte Wasser geworfen, musste, von gestern auf heute, mit einer Situation fertig werden und seinen Alltag, wenn nicht sogar sein ganzes Leben, neu planen.

Im Februar 2020 wurden ganz plötzlich die Kitas und viele Arbeitsplätze geschlossen, sodass von einem Tag auf den Anderen Kinder und Eltern zu Hause waren und nicht wussten, wie man den Alltag nun geregelt bekommen sollte.
Mein, zu dem Zeitpunkt vierjähriger Sohn, sollte, ohne dass er darauf vorbereitet werden konnte, für mind. 9 Wochen zu Hause bleiben, ohne seine Freunde zu sehen. Nur noch Alltag mit Mama und Papa. Dazu habe ich bereits einen Artikel geschrieben.

Nun hat der Kita-Alltag wieder begonnen, wir hatten das Glück, dass die Kita nicht so lange geschlossen hatte, wie andere Kindergärten. Nichtsdestotrotz merken alle Kinder, dass draußen etwas anders ist.
In den Geschäften, egal in welchen, laufen die Menschen mit Mund-Nasen-Schutz herum und gehen sich aus dem Weg. 

Mein Dilemma war und ist es immernoch, ob mein Kind einen Mund-Nasen-Schutz tragen sollte. Ich als Mutter finde es alles nicht einfach. Natürlich möchte ich meinen Sohn vor Corona schützen und gebe ihm einen Mund-Nasen-Schutz. Wie oft habe ich nun schon den Satz gehört „Ihr Sohn ist doch unter 6, der braucht noch keinen tragen!“, aber nur, weil er unter 6 ist, ist er doch nicht immun gegen Corona? 

Er selbst mag den Mund-Nasen-Schutz.
So sehr, dass er von innen immer darauf herumkaut, bis er nass und warm ist. Aber ist das so gut? Birgt das nicht neue Risiken, mit einem warmen, feuchten Stoff vor dem Gesicht herumzulaufen? Wenn ich ihm keinen Mund-Nasen-Schutz geben würde, wäre ich wiederum eine Rabenmutter.

Denn als wäre die Situation nicht genug, gibt es ja auch noch zwei Extremen, die ständig kollidieren:
Die sogenannten „Aluhüte“ und die „Ordnungshüter“.
Die Einen finden es schlimm, wenn man einen Mund-Nasen-Schutz trägt und man wird als schlimme Mutter bezeichnet, wenn man dem armen Kind so etwas gibt, die Anderen finden es schlimm, wenn man keinen trägt und das arme Kind und allen Anderen einer solchen Gefahr aussetzt und beide Seiten gehen oft so weit, dass man regelrecht belästigt oder bedrängt wird.

Ich habe von Kindern gehört, die Angst haben, wenn sie so viele fremde Menschen nur mit Augen, ohne Mund und Nase, sehen. Man darf nicht vergessen, dass Kinder eine ganz andere Sicht auf die Welt haben. Nicht nur, dass sie alles von unten sehen, sondern auch, dass es einfach unheimlich sein kann, wenn sie sehr jung sind oder einfach andere Auffassungen haben, als andere Kinder.
Nicht jeder Mensch ist gleich, jeder hat andere Ängste und Empfindlichkeiten und so ist es auch bei Kindern, egal wie gut die Eltern die Situation erklärt haben, so einfach ist es leider nicht.

Und je kleiner die Kinder sind, desto unheimlicher kann es für sie sein. Natürlich wurden/werden ein Haufen Babys in der Quarantänezeit- und danach geboren, sie wurden/werden alle in die Pandemie hineingeboren. Sie werden von Anfang an, sobald sie Situationen unterscheiden können, wie das eigene zu Hause, das Spazierengehen an der Luft und eben in Geschäfte gehen, ganz viele Menschen ohne Mund und Nase sehen. Vielleicht reden diese Menschen auch mit ihnen und sie sehen aber nur Augen und hören eine Stimme. Keine Mimik, kein Lächeln, kein sich bewegender Mund, als würden nur Mama und Papa einen Mund und eine Nase besitzen, die sie ja zu Hause ohne Mundschutz sehen.
Und plötzlich haben Mama und Papa auch so ein unheimliches Ding im Gesicht, sodass man nur noch die Augen sieht, wenn überhaupt. 

Denn Säuglinge sehen bis zu einem bestimmten Lebensmonat übrigens nur verschwommen, stellt euch mal vor, wie es ist, verschwommen so viele „vermummte“ Gesichter zu sehen und sich selbst nicht äußern zu können.

Was mir aufgefallen ist, ist, dass die größeren Kinder, ab ca. vier Jahren, momentan alle wie Erwachsene über Corona reden. Sie kennen die Maskenpflicht, sie meckern, wenn sie jemanden sehen, der die Maske falsch trägt und allgemein ist Corona anscheinend ein Teil ihres Lebens geworden, der sie permanent beschäftigt. Sie wissen, worum es geht.
Sie müssen Kind sein, aber gleichzeitig verantwortungsbewusst denken, das erwarten zumindest viele von ihnen. 

Die Maske richtig tragen, Kindern auf dem Spielplatz nicht zu nah kommen. Türen, Geländer etc. nicht anfassen und nicht in die Gegend husten oder niesen. Hände nicht ins Gesicht nehmen und brav, wie die Erwachsenen, sich ständig die Hände mit zum Teil aggressivem Desinfektionsmittel einreiben.
Wenn sich Kinder nicht „vorschriftsmäßig“ verhalten, werden die Eltern blöd angeschaut oder sogar angesprochen. Dass sie es den Kindern doch bitte mal besser erklären sollen. Aber wir Eltern sind genauso überfordert. Wir haben dem Kind vielleicht schon 30 Mal gesagt, dass es den Mundschutz bitte NICHT in den Mund nehmen soll. Es ist nicht so, dass wir nicht selbst drum kämpfen, dass das Kind gesund bleibt und in gewisser Weise auch Andere schützt.
Man vergisst oft, dass es KINDER sind. Kinder haben bis zu einem gewissen Alter weder ein Empathievermögen, noch überhaupt den Sinn dafür, was Verantwortung Anderen gegenüber ist. 

Und man sollte daran denken, dass für uns als Erwachsene diese Pandemie etwas ganz Neues ist, eine ganz neue, plötzliche Herausforderung und selbst wir oft dran verzweifeln. Wie ist das wohl für Babys und Kinder?

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Mein Name ist Marie (26), ich lebe mit meinem Sohn in Berlin - Blogge, lese, schreibe gerne und beschäftige mich so intensiv mit den Bedürfnissen des Menschen, der Vielseitigkeit unserer Persönlichkeit und Lebensqualität, dass ich ganze Bücher verfassen könnte!