Reclaim your Inter*net

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(c) James Cridland:  Internet  (CC BY 2.0)

Wir lieben das Internet. Ihr auch? So viele Möglichkeiten, sich zu vernetzen, informieren, auszutauschen, Gleichgesinnte, Verbündete und Freund*innen zu finden, ganz egal, wo man sich aufhält – ein Traum! Doch leider ist das nicht alles, es gibt auch Schattenseiten… Warum wir das Inter*net reclaimen sollten und weshalb Ika Menschen, die online Hass und Häme verbreiten, manchmal sogar leidtun, all das erfahrt ihr in Ikas neuem Text. Viel Spaß beim Lesen!

Schon im letzten Text ging es viel um Inter*aktivismus.
Hieran möchte ich noch einmal anknüpfen.

Ich habe dort Gruppen, die von und für Inter* sind, vorgestellt.
Aber auch wenn ihr selber gar nicht Inter* seid, könnt und dürft und sollt ihr natürlich gerne aktiv werden.

Wenn ihr euch erstmal noch genauer informieren wollt, geht das zum Beispiel hier.
Die Seite ist aus NRW – aber vieles ist auch allgemeingültig.

Ansonsten soll es diesmal um einen nicht so schönen Nebeneffekt vom Aktivismus gehen.
Der betrifft auch gar nicht nur Inter* oder Trans*, sondern alle, die sich zum Beispiel im Internet politisch äußern.

Es geht um Hate Speech. Ich hatte erzählt, Teil der Dritte Option-Gruppe zu sein.
Leider gab es zu dem Erfolg der Klage auch viel Hetzte in den Kommentarspalten des Internets und natürlich wurde sich darüber lustig gemacht.
Manche Rechte haben sich sogar so sehr von dieser Entwicklung bedroht gefühlt, dass sie meinten, irgendwelche Adressen im Internet veröffentlichen zu müssen.

Hier ist so eine Transition übrigens ein echter Vorteil – ihr rechten Hetzer da draußen, eure Namen stimmen schon lange gar nicht mehr alle.

Trotzdem ist so etwas natürlich traurig und beängstigend.
Aber es zeigt sehr deutlich, dass es nicht darum gehen kann, diese angeblichen „Sorgen“ von vermeintlich „besorgten Eltern“ immer und überall ernst zu nehmen.

Stattdessen muss es darum gehen, sich von rechten Angstmachern nicht einschüchtern zu lassen. Und weiter zu arbeiten. An einer Gesellschaft, die Vielfalt nicht nur mit mehr oder weniger großer Toleranz hinnimmt, sondern Vielfalt akzeptiert und wertschätzt.

Ich will diesem Hass nicht zu viel Raum geben, und doch will ich das alles auch nicht unkommentiert stehen lassen.

Darum hier eine Auswahl der absurdesten Kommentare unter den Artikeln zur dritten Option –
auch ohne Kommentar-
aber so deutlich-
und so aneinander gereiht-
dass ich denke, dass sich jeder Kommentar erübrigt, weil es nicht nur fies, sondern auch ganz schön absurd und lächerlich ist.

Achtung, es geht los – hier kommt das, was Gaby und Jürgen aus einer langweiligen deutschen Kleinstadt so zur Selbstbestimmung von Inter* einfällt:

Hate Poetry:

Gott erschuf erst Adam, aus seiner Rippe erschuf er Eva, das Weib.
Und dann kam das Bundesverfassungsgericht – und erschuf den Rest.
….
Es wird wirklich Zeit für einen Politikwandel in Deutschland. Karlsruhe hat sich durch dieses Urteil selbst diskreditiert. Abschaffen!!!
….
Mittlerweile glaube ich, diese Entscheidung des BVerfG war ein Ablenkungsmanöver, nämlich um von der Flutung Deutschlands mit Migranten und den damit verbundenen Problemen abzulenken.

….
Sie geht weiter, die Demontage der westlichen Zivilisation. Man hat die Feinde von Innen wie von Außen in Stellung gebracht, und das Gift ist fertig gemischt. Sollte doch gelacht sein wenn dieses in tausend Jahren mit Blut und Tränen aufgebaute Bollwerk der Aufklärung nicht in wenigen Jahren zusammenfällt und der neuen Weltordnung Platz macht, die unter der Führung von wirklich weisen und geläuterten Sachverwaltern ins Werk gesetzt wird.
Die russische Revolution, das dritte Reich und die Killing Fields waren stümperhafte Erstversuche. Diesmal muss es gelingen. Das Urteil des BVG ist ein krasses Fehlurteil
…..
Ich bin erschüttert, was der Menschheit Jahrtausende hinab unbekannt blieb. Was für unglaubliche Erkenntnisse uns insbesondere die letzten beiden Jahre bescherten! Das ist ein Ergebnis des Wohllebens und der damit einhergehenden Degeneration einer übersättigten, selbstgefälligen und überheblichen Gesellschaft. Ein drittes „Geschlecht“ – nun ja – wie heißt es nun? Duett? Allinclusive? Deutschland war bekannt und beneidet für seine Erfinder, seine Künstler, seine Wissenschaftler – einen guten Ruf hatte die deutsche Pünktlichkeit, Ordnung, Zuverlässigkeit und der Fleiß seiner Menschen. Zwei Jahre hemmungsloser Irrsinn reichen tatsächlich aus, um aus einem Vorzeigestaat ein der allgemeinen Lächerlichkeit ausgesetztem Land zu werden
…………………………
Die Rechtssprechung bekommt mit ihrem lactoseintolerantem, veganem Genderschwerpunkt einen ganz neuen Character. Kein Mensch möchte intersexuelle Menschen diskriminieren, es ist eine Erkrankung oder eine Variante der Natur oder was auch immer. Das aber geht zu weit
…………………………………………………….
Erstaunlich:
laut tagesschau.de hat ein Kläger dieses Urteil erwirkt, 
laut zeit.de war es dagegen eine Klägerin.
Lügenpresse!

Was soll ich dazu noch groß sagen?
Wenn ich mich so schnell angegriffen fühlen würde – von allem, was irgendwie anders ist – ich käme ja gar nicht mehr aus dem Haus. Vor all den anderen nicht Inter* da draussen. Deswegen hab ich was gelernt, was die wohl alle nicht können: Mit Unterschieden umgehen. Verschiedene Perspektiven mitdenken.
Manchmal tun mir die Leute dann auch fast ein bisschen leid. Weil ich denke: muss ganz schön anstrengend sein mit all diesem Hass immer.
Aber ich will das auch nicht kleinreden. Es ist Gewalt, die da passiert. Und wenn es mir gerade nicht gut geht, macht das auch was mit mir.
Zu wissen – da draussen sind Leute die mich hassen, einfach nur weil ich bin, wie ich bin.
Für mich ist das alles zum Glück bis jetzt noch nicht zu bedrohlich geworden. Aber es hat leider seinen Grund, dass ich diese Texte unter einem Pseudonym veröffentliche und es ist schade, dass das so sein muss.
Andere kriegen wegen ihrem Aktivismus zum Beispiel für Feminismus oder gegen Rassismus regelmäßig Todesdrohungen.
Dieser Hass im Netz bleibt leider auch nicht immer im Netz. Darum ist es wichtig da gegen vorzugehen und auch einfach mal Sachen, die nichts mehr mit Meinungsfreiheit, sondern mit Beleidigung und Bedrohung zu tun haben, zu löschen.
Eigentlich sollte das gar nicht so schwer sein. Das Internet könnte dann ein viel schönerer Ort sein.
Denn an sich ist es ja schön, dass so viel Vernetzung und Austausch zwischen verschiedenen Leuten möglich ist wie noch nie.
Auch eine erste Inter*bewegung hätte es so vielleicht nie gegeben wenn Leute nicht auch die Möglichkeit genutzt hätten, sich anonym und im Internet zu informieren und auszutauschen.

Also – Reclaim your Inter*net ! :=)

Hier noch ein toller Gay Pride-Punk-Song. Heute gelten einige Themen, auch das mit der Krankheitsklassifikation, zwar nicht mehr für Schwule, aber für Trans* und Inter* schon.

Mehr dazu:

  • Wie ihr mit Hate Speech umgehen könnt, erfahrt ihr in diesem Text von Veronika Rieger.

Ich bin Ika Elvau. Weil ich selber keine Geschichten kannte von Leuten die so sind wie ich, nämlich Inter*, habe ich einfach angefangen welche zu schreiben. Ich freue mich hier auf meinTestgelände eine Plattform zu bekommen damit die Pubertät für andere, jüngere Inter* vielleicht nicht ganz so verwirrend und überfordernd wird wie für mich.