Im ersten Teil von „Wir Soldaten“ hat Anton Dudda „männliche Privilegien“ und das veraltete, gesellschaftliche Rollenverständnis dikutiert. Im zweiten Teil geht es konkret um die männliche Besützerrolle und warum diese von Antifemminist*innen und Männerrechtlern als Argument genutzt wird zu behaupten, „dass in Wirklichkeit Frauen eine unverhältnismäßige Machtposition innehätten.“
Im heteronormativen Weltbild des Maskulinismus legitimiert sich diese Hierarchie der Geschlechter durch genau diese tradierte Rollenverteilung, welche auch heute noch sehr strikt eingehalten und reproduziert wird. Zwar ist das Bild des Mannes als alleiniger Ernährer und das der Frau als Hauswirtschaftlerin zunehmend in Auflösung begriffen, spielt aber noch immer eine große Rolle. Besonders äußert sich die Tradition allerdings im substanziellen Ernstfall, wie Jagd oder Kampf. Männliches Leben wird im Zweifel als das von allen entbehrlichste gebrandmarkt, zum Schutz der Familie, der Gruppe oder des Volkes und vor allem deren Reproduktionsfähigkeit, sind Männer weitaus weniger wertvoll, was sich schon in so simplen Formulierungen wie „Beim Anschlag starben 21 Menschen, darunter Frauen und Kinder“ ausdrückt. In modernen Gesellschaften wäre diese Teilung aus diversen Gründen eigentlich überhaupt nicht notwendig (Bei zu einem Beispiel wäre es wohl sinnvoller, wenn man schon einen Unterschied machen wollte, zwischen Zivilist*innen und Soldat*innen zu differenzieren) und doch tritt sie immer wieder zutage, was den meisten antifeministischen „Aktivisten“ und „Männerrechtlern“ ein Grund ist zu behaupten, dass in Wirklichkeit Frauen eine unverhältnismäßige Machtposition innehätten. Diese Ideologien verschleiern dabei, mitunter wissentlich, dass nicht „die Frauen“ die Macht haben, weil sie von den Männern im Zweifel um jeden Preis geschützt werden, sondern jene, welche die Arbeit, die Kriege und Kämpfe beschließen und anordnen, sowie gleichzeitig die Familie als gesellschaftliches Kernkonstrukt und ihre Reproduktionsfähigkeit aufrechterhalten wollen.
Ich möchte an dieser Stelle ein typisches Beispiel für eine solche Erzählung geben, welche sich in einigen Beispielen der Populärkultur in dieser oder ähnlicher Form finden lässt. Stellt euch eine weiße, heterosexuelle Familie aus der Mittelschicht vor, die am Rand einer größeren Stadt wohnt, gerne auch einer amerikanischen, dieses Bild haben wir mitunter präsenter. Die Familie besteht aus einem Mann und einer Frau, sowie zwei Kindern. Wahrscheinlich auch einem Jungen und einem Mädchen, wenn schon, denn schon.
Nun wird eines Tages das Haus der Familie überfallen. Dabei kommt Waffengewalt zum Einsatz und es kommt zum Äußersten. Ein Schuss. Auf eines der Kinder wird geschossen. Nun stellt euch vor, die Mutter wirft sich in den Schuss und stirbt. Der Einbrecher flieht. Zurück bleibt der Vater mit beiden Kindern. Dieses Szenario, in welchem die Frau sich schützend vor die Familie stellt ist als heldenhaft erkennbar, hat aber sofort den Makel einer Perversion. Es löst in dem Mann einen Mangel aus, denn er hat seine Schutzfunktion nicht erfüllen können, er ist traumatisiert und schuldig. Die Geschichte verlangt nun von ihm, dass er zur Gegengewalt greift, dass er loszieht, um sich an dem Mörder zu rächen. Dabei darf er sterben, die Tragödie dankt es ihm. Auch denkbar wäre, dass ihn das Trauma schlicht zugrunde richtet. Er kann seiner Rolle als Vater nicht mehr nachkommen, verfällt vielleicht dem Alkohol. Eine Lösung für seinen Mangel könnte sein, dass er die Liebe zu einer neuen Frau lernen muss, zuzulassen.
Im umgekehrten Fall ist der Tod des Mannes zum Schutze der Familie nicht als traumatisch oder pervers codiert. Die Mutter ist verstört und tieftraurig, ihre Funktion in der Gesellschaft aber nicht erschüttert. Sie kann ihre Liebe und Fürsorge nun den gemeinsamen Kindern widmen, sich das Bild des toten Mannes auf den Kaminsims stellen und als bemitleidetes und respektiertes Mitglied ihrer Gruppe weiterleben. Sie hat zu trauern, möglichst jeden Tag, aber sie hat durch den Tod ihres Mannes, welcher sein Leben vor ihr eigenes stellte, in ihrer Identität keinen Mangel erfahren, sie bleibt eine ganze Frau. Sucht sie sich einen neuen Mann, eine neue Liebe, löst dies im Publikum moralisch ambivalente Gefühle aus, eigentlich hätte ihre Treue über den Tod hinaus zu gelten.
Mit diesen Bildern aus Fernsehen und Film operieren Reaktionäre Antifeminist*innen häufig, wenn sie an den „common sense“, also die tatsächliche Alltagserfahrung der Menschen appellieren und diese als widersprüchlich zur feministischen Theorie darstellen wollen. Sie haben mit Sicherheit unrecht damit, dass diese Geschichten die durchschnittliche Wirklichkeit abbilden, aber sie weisen damit, vermutlich unabsichtlich, darauf hin, dass diese Bilder existieren und einen großen Einfluss darauf haben, wie Menschen ihr eigenes Selbstbild und ihre Moralvorstellungen konstruieren. Oder sind diese Bilder schon in der Gesellschaft angelegt und die Kunst macht sie lediglich offenbar? Das ist eine ganz andere Geschichte.
Für heute soll es erstmal reichen, ich glaube beim nächsten Mal schreibe ich wieder was Ausgedachtes. Bis dahin hoffe ich, dass ihr was anfangen könnt mit diesen Gedanken. Ich freue mich immer sehr, wenn ihr mir schreibt und mir eure Eindrücke mitteilt.
Hier könnt ihr nochmal den ersten Teil von Antons Text lesen.