Zum hundertjährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts in Deutschland haben die Story-Teller tolle Texte geschrieben. Tim Borstelmann hat Geschichte, Daten und Fakten recherchiert, von Fabian Sahing gibt’s ein Gedicht, und Michael Schuhmacher hat darüber geschrieben, was es überhaupt bedeutet, dass es eine Zeit gab, in der Frauen nicht wählen durften.
100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland
von Tim Borstelmann (Recherche, Quelle: Internet)
Am 12. November vor 100 Jahren durften Frauen zum ersten Mal für das Parlament wählen. Der Weg zum Wahlrecht für Frauen war lang. Das Frauenstimmrecht wurde von Akteurinnen verschiedener Flügel der Frauenbewegung seit Mitte des 19. Jhd. erstritten und erkämpft. Nach langem, zähen Ringen fanden in Deutschland 1919 die ersten Wahlen für alle statt.
Im Oktober 1918 forderten 58 deutsche Frauenorganisationen in einem gemeinsamen Schreiben an den Reichskanzler Max von Baden dem Verlangen der Frauen nach einem Wahlrecht zu entsprechen. In Berlin versammelten sich mehrere 1000 Menschen und forderten das sofortige Stimmrecht für Frauen. Nachdem sich bereits im Sommer 1918 der militärische Zusammenbruch im 1. Weltkrieg abgezeichnet hatte, revoltierten im November die Matrosen in Kiel und leiteten damit den endgültigen Sturz der Monarchie ein. Am 09. November rief Philipp Scheidemann die Republik aus. Wenige Tage (am 12.11.1918) stellte rief der Rat der Volksbeauftragten in einem Aufruf „An das Deutsche Volk“ sein Regierungsprogramm vor.
Ein wichtiger Teil davon war auch die Proklamation einer großen Wahlrechtsreform, die auch das Frauenwahlrecht enthielt. Dies gilt allgemein als Stunde des Frauenwahlrechts in Deutschland. Wahlberechtigt waren alle Frauen und Männer ab 20 Jahren. Am 30. November 1918 verankert der Rat der Volksbeauftragten das aktive und passive Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger in der Verordnung über die Wahl zur verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung.
In Artikel 109, Abs. 2 der Weimarer Verfassung findet sich schließlich der Satz: „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“
Erstritten und erkämpft: Polit. Wegbereiterinnen Unterschiedliche Vorstellungen gab es darüber, wie das Stimmrecht zu erreichen sei: Sollte es erkämpft werden? Und wenn ja: mit oder ohne Männer? Oder sollte es durch eine konstruktive Mitarbeit auf kommunaler Ebene verdient werden? Während die bürgerliche Frauenbewegung über diese Frage uneins war, argumentierten die Sozialistinnen, dass in einer klassenlosen Gesellschaft die Geschlechter ohnehin völlig gleichberechtigt wären. Sie forderten das allgemeine Frauenwahlrecht und führten im März 1911 den internationalen Frauentag als Kampftag für das Frauenstimmrecht ein.
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1919
Die Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung vom 19. Januar 1919 war die erste, an der Frauen als Gewählte und Wählerinnen teilnahmen. Über 80 Prozent der wahlberechtigten Frauen gaben ihre Stimme ab. Es kanditierten 300 Frauen. Von den insgesamt 423 Abgeordneten zogen 37 Frauen in die Nationalversammlung ein. Das entsprach einen Frauenanteil von 8,7 Prozent.
Am 19. Februar 1919 hielt die Sozialdemokratin Marie Juchacz als erste Frau folgende Rede in der Nationalversammlung und stellte fest: „Meine Damen und Herren. Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Frau als freie und gleiche im Parlament zum Volke sprechen kann. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit. Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dato zu Unrecht vorenthalten war.“
Gleiches Recht für alle!
von Fabian Sahing mit Praktikantin Helene
Frauen-Wahl-Recht …
ungerecht …
Gleiches Recht für alle!
Warum wird ein Unterschied gemacht? Konstruiert!
Männer unterdrücken Frauen.
Dass Frauen damals nicht wählen durften, heißt dass sie quasi wie Kinder galten: nicht in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen.
Ich finde das: verletzend, fehl am Ort, falsch, traurig, fies und gemein. Ich finde das grundlos.
Ich stehe auf
und hebe die Faust.
Alle Frauen
sollen sich trauen!
Fehl am Ort oder fehlendes Recht?
Sind die Unterschiede wirklich echt?
Ungehört, doch nicht allein.
Ungerechtigkeit darf nicht sein!
Oder liegt es vielleicht doch an mir?
Und es gibt kein‘ Platz für mich hier?
Doch egal wie weit ich fahre …
Ich bleibe eine Plage!
So kann das doch nicht weitergehen.
Wir müssen uns endlich zusammen erheben!
Ich stehe auf
Und hebe die Faust
Für all die Frauen,
die sich nicht trauen!
Viel zu lang gewartet!
Viel zu lange still!
Viel zu lang gehorsam!
Wir werden uns nicht mehr kleinkriegen lassen! (2x)
Frauen haben was zu sagen
von Michael Schumacher
Frauen dürfen in Deutschland seit 100 Jahren wählen.
Männer schon immer.
Was bedeutet das?
Frauen hatten in früheren Jahren nicht viel zu sagen.
Sie hatten sich den Männern unterzuordnen und waren dazu da die Hausarbeit zu machen.
Männer waren in der Öffentlichkeit schon immer hoch angesehen und hatten somit auch schon immer die Möglichkeit gehabt wählen zu gehen.
Frauen dagegen wurden von der Öffentlichkeit total ausgegrenzt.
Ihre Meinung zu irgendwas durften sie nicht frei äußern.
Dass Frauen seit 100 Jahren das Wahlrecht haben ist interessant.
Ich hätte eher gedacht, dass sich dies erst vor 70 Jahren ereignet hat.
Zumal Frauen ja vor 100 Jahren noch längst nicht einer beruflichen Tätigkeit nachgehen durften.
Also, hatte sich vorher schon das Wahlrecht durchgesetzt.
Nicht schlecht für den Anfang.
Es kann gut sein, dass dieses positive Ereignis (dass Frauen seit 100 Jahren wählen dürfen) quasi 50 Jahre Vorsprung hat.
Ich glaube, dass Frauen erst seit 50 Jahren oder so einer beruflichen Tätigkeit nachgehen dürfen ohne ihre Ehemänner zu fragen.
Es muss für die Frauen eine Befreiung gewesen sein, als das Wahlrecht für sie anerkannt wurde.
Sie fühlten sich nicht mehr so klein und dumm gehalten.
Ihr Selbstwertgefühl ist damit bestimmt auch enorm gestiegen.
Bestimmt wurde diese positive Wendung in der Frauenbewegung während der Zeit des 2. Weltkriegs unterbrochen.
Zu dieser Zeit war es ja mit der Gleichberechtigung gleich Null gewesen. Frauen sollten in erster Linie Kinder für den Krieg kriegen.
Nach Ende des zweiten Weltkriegs ist die Frauenbewegung wohl so langsam wieder in Gange gekommen.
Am 08. Mai 1945 war der Zweite Weltkrieg zu Ende.
Und erst 1977 mussten Frauen nicht mehr ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen, wenn sie Arbeiten gehen wollten.
Mehr dazu:
- Hier könnt ihr nochmal lesen, was die Story-Teller zum internationalen Frauentag geschrieben haben.
- Und in diesem Text liefern sie die Begründung, warum man Leichtbekleideten nicht hinterher pfeift.