Bälle haben kein Geschlecht

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(c) stachelbeer:  Roter Fußball auf grünem Rasen  (CC BY 2.0)

Lilith hat an unserem Workshop zu Fußball und Gender teilgenommen und im Nachgang einen Poetry Slam-Text dazu geschrieben, den wir euch nicht vorenthalten wollen.

Wolfsburg
FC Bayern
Freiburg
Potsdam
SGS Essen
Frankfurt
SC Sand
Hoffenheim
Duisburg
Bremen
FC Köln
Jena
Wer von Ihnen sagt, dass diese Tabellenreihenfolge der deutschen Fußballbundesliga stimmt?
O.k. – Sie liegen leider daneben,
denn mit den Daten, die ich vorließ, habe ich nur Wahre Informationen an Sie weitergegeben,
die Tabelle ist korrekt,
doch hat sich in der Ausführung ein kleiner Trick versteckt.
Es handelt sich um die Bundeligatabelle der 11 auf dem Platz, die sich bei der Ecke so (gekreuzte Arme) und nicht so (Männerschutz) positionieren.

Nur aus Interesse. Wer von Ihnen hat sich schon einmal die Frauenfußballergebnisse bewusst angesehen?
Wer von Ihnen war schon einmal im Stadion an einem Frauenfußballspieltag?
Ich weiß nicht, wer mehr darunter leidet. Die Frauen, denen der Weg ins Stadion verwehrt,
denen vor den Fantribünen der Rücken gekehrt,
oder die Männer, die sich für Fußball interessieren müssen,
verspottet werden, wenn sie nicht die neuesten Ergebnisse und die Top-Spieler wissen.
Ein Junge, der in Deutschland kein Fußball spielen kann,
wird doch sowieso niemals ein richtiger Mann!
Chancen und Verpflichtungen. Erwartungen und Möglichkeiten gehen Hand in Hand.

„Eine Frau in der Verbandsliga – ein Novum im Fußballsport“ oder auch „eine traurige Angelegenheit“,
die nach Veränderung nur so schreit.
Viel zu selten wundert man sich darüber, dass männliche Trainer
für Frauenmannschaften nur so aus dem Boden sprießen,
während sich Frauen trotz klischeehaftem grünem Daumen zu Tode gießen –
und es dennoch nie auf den Chefsessel schaffen.

Stattdessen haben Frauen nur das Zeug dazu, auf die Muskeln zu starren
und bei den Spielern auf dem „Süßheitsgrad“ zu beharren
Dauertuschelnde
eng miteinander kuschelnde
Frauen zwischen den in den entscheidenden Spielsituationen
aufschreienden Männern mit ihren unterschiedlichen Theorien und Visionen
Träumen von den Illusionen
des Gewinns – die sich im Zählen der geleerten Bierflaschen schon vor der ersten Halbzeit verlieren,
und damit das stereotype Bild jedes Public Viewings komplettieren.

Für Frauen wird Fußball nur als Modenschau sportlicher junger Männer verkauft –
das sind die weiblichen Fans.
Dass wir uns auch mit den Spielregeln auskennen,
etwas von Taktik und Tempo verstehen, selbst unattraktive Männer beim Namen nennen,
unvorstellbar!
Stattdessen tun Männer alles dafür, die Frauen als Fans zu behalten,
was sie erreichen, indem sie ihr Instagramm-Profil selbst verwalten
– und mit Halbnacktfotos zuschütten – folgt einfach einmal Ronaldo – dann wisst ihr worauf ich anspiele.
Und damit ich auch wirklich meinen Hals vollkriege,
kann ich meine Ohren nicht schließen wenn ich vom Nachbartisch schon wieder die Männer vernehme,
die genau dieses Verhalten übertragen, – als Ausrede!

Nur auf den Arsch und die Brüste würden die männlichen Zuschauer achten,
Der Ball würde ausgeblendet, oder als Tagtraum verdoppelt und in die Sport-BHs der auf dem Platz umherrennenden Frauen hineinprojiziert.
Und damit man bloß keine Sexualisierung im heiligen Fußball riskiert –
Wird es abgelehnt. Zum Schutz der Frau nicht begrabscht zu werden, oder zum Selbstschutz des Mannes  – bleibt offen
dabei haben diese insgeheim schon längst ihre eigene Entscheidung getroffen –
der Anblick von schwitzenden Frauen, die auf ein Elf-Meter oder eine Kopfballchance hoffen,
sei ohnehin nicht so attraktiv, wie die ihre Oberweite shakenden Frauen auf der Tanzfläche.
Auch dadurch, dass Fußball nur auf Stollen- und nicht auf Absatzschuhen funktioniert,
trägt dazu bei, dass es in absehbarer Zeit nicht passiert,
dass Frauenfußball für Männerzuschauer als attraktiv gelten wird.

Und spielen die Frauen dann doch, haben sie mit einer Mehrfachbelastung zu kämpfen – denn während sich Männer schon ihre erste Limousine leisten können,
sich mit einem Traumhaus und einer Yacht verwöhnen,
unter der Last ihres Reichtums und der bei jedem kleinsten Problem ohnehin verleugneten Verantwortung stöhnen,
verdienen ihre weiblichen Äquivalenzen so wenig, dass sie mit viel Glück den Mannschaftsbus und nicht den flixbus hin zum nächsten Turnier buchen,
Während die Männer Dauerfrischtrikots bekommen, wird man bei den Frauen noch nicht einmal versuchen,
ihnen bei Kleidung und Organisation unter die Arme zu greifen,
das wollen sich die Manager und hohen Tiere dann wirklich nicht leisten,
sich lieber beim Frauenfußball zu Tode sparen,
schließlich möchte man alte Traditionen bewahren
und Hausfrau bleibt Hausfrau – egal ob sie nebenher im Stadion kickt.

Dass es an Professionalität mangelt, ist also kein Geheimnis,
Gleichberechtigung? Ein reiner Beschiss,
doch auf Unverständnis stößt das Thema bei den Männern: Die moderne Add-on Frau ist schließlich eine Zeitscheißmaschine,
die gleichzeitig in der Kabine,
sich fertig macht, ihre Tasche richtet,
auf den Feierabend vollkommen verzichtet –
denn sie muss ja nebenher noch arbeiten gehen.
Die paar Euro durchs Spielen – da würde sie mit Hartz IV noch besser dastehen.

Auch wird stets über die schlechte Qualität der Frauenspiele geredet und ich sage: steckt doch einfach mal ein Mädchen mit sieben Jahren ins Fußballtraining,
integriert sie ins Förderprogramm, erteilt ihr Trainingspläne und Ernährungsrichtlinien,
beschafft ihr einen Platz im Internat, wie ihren männlichen Kollegen
und schiebt ein paar Hunderttausender dahinter um den Weg zum Erfolg auszuleben–
Dieses Ergebnis mit dem aktuellen Profimännerfußball zu vergleichen,
das würde vielleicht noch ausreichen,
um an die Grenzen der Legalität und Fairness zu stoßen.
Denn den Profifrauenfußball nach dem aktuellen Stand mit der Männerbundesliga zu vergleichen, ist wie zwei Menschen ein Haus bauen zu lassen, dem einen gibt man die doppelte Zeit und reicht ihm Holz, Zement, Stoffe und Marmor
der andere bekommt nichts als einen Haufen Styropor.
Kein Wunder, dass Frauen, die mit 16 das Kicken beginnen, noch erfolgreich sind,
während Jungs im Alter von neun die Aussicht auf einen guten Verein schon durch die Finger rinnt.

Und selbst wenn Frauen körperlich früher an ihre Grenzen kommen sollten –
Sind sie es nicht, die ganz groß hinauskommen wollten?
Die wissen, was es heißt, sich etwas erkämpft zu haben.
Viel häufiger schon auf dem Boden lagen –
und trotzdem stillschweigend wieder aufgestanden sind.
So ist es zum Beispiel nachgewiesen, dass Frauen eine deutlich längere reine Spielzeit vorweisen,
weil – oh Wunder!  – sie pöbeln weniger, versuchen seltener zu bescheißen,
diskutieren nicht so viel, um Recht zu bekommen und die andere Mannschaft in Stücke zu reißen, machen weniger Schwalben, sondern versuchen sich vorm Jammern auf die Zunge zu beißen.
Wenn jemand behauptet das langweiliger zu finden, als das pseudomännliche Gejammere auf dem Platz soll er vom Fußball bitte zu Dschungelcamp wechseln.

Ganz pervers wird es, wenn man sich die Schnittmengen anschaut,
Männertrainer, Männerkommentatoren, Männermanager – tauchen überall im Frauenfußball auf,
während den Frauen? Egal bei welchem Geschlecht von vorneherin wird ihnen die Karriere verbaut
Egal ob bei den Männern oder Frauen, zugetraut
wird einem Wesen mit Busen und Hüfte,
wohl keiner dieser Berufe, obwohl eine Frau nach Jahren Spielzeit eigentlich genug Erfahrung gesammelt haben müsste.
Doch in der Männerwelt, der die Jobs besetzt zählt all das nichts – nur wichtig ist das Outfit.
Der weite Ausschnitt
Und das bloß nicht zu dominante Auftreten.

Noch nicht einmal wird es den Frauen gelingen,
sich in die unbezahlten Full-time-Jobs alias Hooligan oder Ultra einzubringen.
Schlägereien, Gebrüll und Krawall würden die zarten Damen schließlich gar nicht aushalten.
Die Gremien, die diese Strukturen verwalten
Bleiben also auch unschikaniert
männerdominiert.

Glücklich sollen wir uns schätzen, hören wir Frauen von den Männern, wenn wir uns einmal wieder beklagen.
Sie beschützen uns doch nur vor dem größte Schaden
-Und überhaupt: Bis 1982 habe es Frauen auf dem Platz ohnehin noch nicht gegeben
– was beschweren wir uns denn überhaupt noch, wir sollen nicht immer nach noch mehr Gleichberechtigung streben.

In Deutschland, einer Fußballnation. Einem Land, das in Jubel ausbricht,
wenn das deutsche Team gewinnt, das eine Volkstrauer ausruft, in dem das Leben fast vollständig erlischt,
wenn das Männerteam spielt – wie im Sommer 2018.
Fußball – ein Sport, der das Heute-Journal und die Radiosendungen dominiert –
Freude, Frust und Begeisterung provoziert,
die Frau ist kein Teil davon. Scheinbar ist sie für nichts besseres zu gebrauchen, als als Spielerfrau das ein oder andere Interview zu geben,
ihrem Mann nach dem Gewinn anzubeten
– und bei Niederlagen die tröstende Mutti zu spielen.

Eine viel größere Revolution
als eine weibliche Kanzlerin zu haben, wäre es, wenn die Illusion,
wahr werden würde, irgendwann einen der leitenden Posten des DFB mit einer Frau zu besetzen
Aber nein. Das würde den Stolz und das Ego der Männer zutiefst verletzen.

Zum Schluss die Frage: warum muss man sich direkt so unterteilen?
Auf den Standards der Vergangenheit verweilen?
Unterscheidet das Geschlecht des Kickers, welche Flugbahn der Ball nach dem Kontaktverlust mit dem Schuh einschlägt?
Welchen Weg ein mit Luft gefüllter Körper auf dem Rasen zurücklegt?
Wenn ja, habe ich diese Einflussgröße wohl ausversehen,
in der physikalischen Formel während meiner Schulzeit übersehen.

Es gibt schließlich auch keine Mannschaft mit allen unter 1,70 m großen Menschen,
Warum also müssen wir uns unter den Geschlechtern so ausgrenzen,
in Männer und Frauen unterteilen?
Ansatt sich zu vereinen?
Sowohl im Training als auch auf dem Spielfeld, könnten sich Männer und Frauen ergänzen
– ihre gegenseitigen Schwächen und Stärken wortwörtlich gegeneinander ausspielen, mit ihren Schokoladenseiten glänzen,
Da kann mir niemand erzählen, dass das langweiliger sein soll, als das dauerhafte Männergekicke
Fußball bleibt Fußball – egal welcher Fuß in dem Schuh steckt

Mehr dazu:

1999 geboren in Heppenheim, aufgewachsen in Hessen und Baden-Württemberg und inzwischen wohnhaft in Dresden. Deutschland habe ich inzwischen durch viele Hobbies im Bereich Musik, Sport, Poetry Slam und Wissenschaft recht gut kennengelernt, doch noch spannender als die regionalen Reisen sind die vielen Begegnungen und Erlebnisse, die ich dabei gesammelt habe. Mein Testgelände ist eine super Sache, um festzuhalten, was mich auf meinen Reisen bewegt, einige der Personen mit ihren spannenden Geschichten vorzustellen und euch Teil von Recherchen werden zu lassen, die mich brennend interessieren. Hier kann sich jeder trauen, das zu schreiben, was ihn bedrückt. Und somit: Viel Spaß beim Lesen, Hören und Schreiben!