Wie sich Alltagssituationen während einer Transition zu großen Herausforderungen entwickeln können, erzählt euch Nev in seinem Text.
- Umkleiden an öffentlichen Orten
Mittlerweile bin ich Fitnesstrainer und hab auch schon immer viel Sport gemacht. Noch bevor der ganze Spaß beginnt, sollte man sich umziehen bzw. man hat die Sachen schon an und will erst im Anschluss die durchgeschwitzten Klamotten wechseln. Soviel zur Theorie, aber unter den gegebenen körperlichen Konstitutionen ist das etwas schwierig. In die Männerumkleide zu gehen und seine Hose zu wechseln ist nicht das Problem. Unangenehmer wird es, wenn man das Oberteil tauschen will. Wenn man unter seinem Shirt ein Tanktop trägt, kommt man sich nicht ganz so doof vor – nur bei 34°C schauen die Leute auch etwas komisch. Ich habe also immer versucht einen günstigen Moment abzugreifen, wenn niemand in der Umkleide war und konnte mein Shirt schnell wechseln.
Prinzipiell ist es nichts Schlimmes. Meistens schauen die Menschen eh auf sich. Es ist wahrscheinlich auch die Deutsche Mentalität, ein wenig verklemmt zu sein. Doch für den Betroffenen ist es eine öffentliche Präsentation seiner selbst. Leichter wird es, wenn die Mastektomie gemacht wurde und man sich meist schamlos Oberkörper frei in der Öffentlichkeit zeigen kann und möchte.
- Pinkeln ohne Toilette
Welche Frau kennt das nicht: Man ist unterwegs, auf einer Party, einem OpenAir oder oder oder. Man muss dringend auf die Toilette und an den dafür vorgesehenen Örtlichkeiten steht eine Schlange bis zum Mond oder es ist einfach keine in unmittelbarer Nähe. Grauenvoll und am Besten nicht bewegen! Männer haben es in der Situation deutlich einfacher. Schlange am Pissoir – egal, dann gehe ich eben draußen. Keine Toilette in der Nähe – egal, dann gehe ich eben draußen. Die simpelste Lösung des Problems: Einfach an einen Baum stellen, die Hose auf und ab geht die Luzie. Ja, es könnte so schön einfach sein, aber im Moment muss ich mich noch ein wenig gedulden und meine Toilettengewohnheiten meinem Ausgehverhalten anpassen.
- Sommer und Tanktops
Herrlich ! Die Tage sind lang, die Temperaturen sprengen locker die 28°C-Marke und die Frauen zeigen gefühlt mehr Haut als Stoff. Der schöne Sommer. Doch auch hier gibt es Situationen bzw. Probleme, die einem als Trans den einen oder anderen Stein in den Weg legen. Wie gesagt, im Sommer zeigt man viel Haut. Es kommt natürlich auch noch ein bisschen auf die körperlichen Konstitutionen an – ist man dick oder eher schlank, wie hoch ist das Selbstbewusstsein. Für mich ist es kein Problem, kurze Hosen anzuziehen oder T-Shirts und Hemden. Bei Tanktops ist es schwieriger. Als Trans versucht man natürlich so unauffällig wie möglich seinen Alltag zu meistern. Deswegen trägt man so genannte Binder, die die Aufgabe haben, die vorhandene Brust zu straffen bzw. den Oberkörper flacher wirken zu lassen. Das klingt erst mal nicht schlecht, ist es auch nicht. Aber bei diesen gehasst/geliebten Achselshirts sieht man immer die Träger und, mal ehrlich, wie sieht denn das aus, wenn im Hochsommer jemand mit einem „Hemd“ unter dem Hemd ankommt?!
- Frauen kennenlernen
Ach, das liebliche Gefühl der Schwärmerei. Man lernt jemanden kennen, findet sich optisch attraktiv und fühlt sich auch durch stundenlange Gespräche oder endliche Nachrichten sehr anziehend. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich trifft und entweder man kennt sich schon eine Weile oder man sieht sich das erste Mal und weiß noch gar nicht recht, wie der Gegenüber so tickt. Ich bin anfangs eher der schüchterne Typ, der dann aber, wenn ich einmal warm bin, sehr offen und kontaktfreudig ist. Ich kann es nicht pauschalisieren, jedenfalls ist es bei mir so. Prinzipiell ist es für mich kein Problem von meiner Geschichte – meiner körperlichen Besonderheit zu erzählen. Doch bei Frauen, gerade wenn man deutliches Interesse hegt, ist es unheimlich schwer den richtigen Moment abzupassen. Es ist die Angst, alles auf eine Karte zu setzen und das gute Verhältnis eventuell aufs Spiel zu setzen. Sich Chancen zu verbauen und dem aufgebauten Vertrauen einfach ins Gesicht zu schlagen. Teilweise ist es auch einfach Panikmache. Wenn jemand nicht mit der Situation zurecht kommt, auch wenn man sich vielleicht schon ein wenig verliebt hat, dann ist es nicht der richtige Mensch zum Glücklich sein!
- Schwimmen
Und wieder geht es um das Thema „Unauffälligkeit“. Der Sommer ist zwar schon vorbei, aber es gibt nichts Schöneres als an einem heißen Sommertag ins kühle Nass einzutauchen. Derzeit ist es so, dass ich ein Surfshirt überziehe und so meine Runden drehe. Vollkommen OK und auch mit der Ordnung in Hallenbädern bekomme ich dadurch keine Probleme. Allerdings kommt es bei den Menschen etwas komisch an, wenn ein junger Mann im Schwimmbad mit bekleidetem Oberkörper herum läuft. Und um ehrlich zu sein, würde auch ich mir da meine Gedanken machen. Es ist total untypisch und so gerät man natürlich wieder in den Fokus.
-NevSamuel-
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